Mit vollgepacktem Koffer macht sich Ulrich Graf auf den Weg nach Tiefenbach. Dort erwartet den Oberstdorfer Arzt eine Patientin: Maria Vogler. Bei der 83-Jährigen misst Graf den Blutzucker. Vogler ist nämlich Diabetikerin. „Doch zur Zeit geht’s ganz gut“, sagt sie mit einem Lächeln.
Graf ist das, was man unter einem „Bergdoktor“ verstehen würde. Mit der gleichnamigen
habe die Arbeit eines Bergdoktors allerdings wenig zu tun. „Da muss schon Blut fließen, sonst schaut das ja keiner“, sagt Graf schmunzelnd. „Auch diese Dramen in der Serie haben wenig mit der Realität zu tun.“ Im echten Leben gehe es eher um Erkältungen, Routineuntersuchungen oder einen steifen Nacken – worüber sich Maria Vogler derzeit beklagt. Graf schaut sich sofort das Problem an und rät ihr zu manueller Therapie, um die Verspannungen loszuwerden.Immer weniger Hausbesuche: Fast ausschließlich noch bei älteren Patienten
Maria Vogler ist eine der wenigen Patientinnen, die der Arzt noch immer besucht. „Fünf bis sechs Hausbesuche haben wir etwa pro Woche“, sagt der 65-Jährige. Früher seien es täglich so viele gewesen. „Die Patienten sind es gewohnt, in die Praxis zu kommen. Und viele, die wir zuhause besucht haben, sind bereits verstorben“, sagt Graf. Hausbesuche machen er und seine Kollegen fast ausschließlich bei älteren Patienten, im Seniorenheim und wenn jemand körperlich nicht mehr in der Lage ist, in die Praxis zu kommen.
Auch bei Notfällen werde nicht mehr der Hausarzt kontaktiert. Die Bereitschaftsorganisation habe sich verändert: „Erste Anlaufstelle ist der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der 116 117.“ Dennoch erlebte Graf in seiner Laufbahn als Notarzt ab und an Momente, die auch fernsehtauglich wären. Vor etwa drei Jahren musste er nachts zur Kemptner Hütte ausrücken – bei Sturm und Nebel. Eine Frau habe wegen des Sturms Angstzustände bekommen. „Wir sind dann mit der Materialseilbahn hochgefahren“, erzählt Graf. Oben angelangt, haben sie die Frau versorgt, die dann mit dem Hubschrauber ausgeflogen wurde. „Für uns war kein Platz mehr. Dann mussten wir nach Mitternacht bei schlimmstem Wetter losmarschieren“, blickt der Oberstdorfer zurück. (Lesen Sie auch: Ex-Frankfurt-Profi Hinteregger will beim "Bergdoktor" mitspielen und Heli fliegen)
Schwierig während Corona: Ständiger Kurswechsel der Politik hat Ärzten Probleme bereitet
Seit 36 Jahren ist Graf nun schon in seiner Oberstdorfer Praxis. Er kennt seine Patienten. „Es ist schön, mehrere Generationen einer Familie auf ihrem Weg zu begleiten. Ich habe Patienten als Kinder gehabt, die jetzt schon eigene haben“, sagt Graf stolz.

Schwierig gestaltete sich Grafs Arbeit, als die Corona-Pandemie Fahrt aufnahm. „Wir mussten uns komplett umstellen. In der Praxis hatten wir fast keine Patienten mehr. Die meisten hatten Angst, vorbeizukommen“, erzählt der 65-Jährige. Sobald der geringste Verdacht auf eine Corona-Infektion bestand: Vollvisier, Kittel und Schutzschild. Zudem habe der ständige Kurswechsel der Politik den Arztpraxen zu schaffen gemacht. „Zur Corona-Hochzeit haben wir täglich dutzende Impfungen gehabt“, sagt Graf. „Und dann gab es auf einmal keinen Impfstoff mehr.“ (Lesen Sie auch: "Der Bergdoktor" mit ungewöhnlichem Look: Was Zuschauer jetzt schon zur 16. Staffel wissen sollten)
65-jähriger Graf denkt noch nicht ans Aufhören: "Ein paar Jahre gehen noch"
Bei seinen Hausbesuchen blieb hingegen nahezu alles beim Alten. Routineuntersuchungen seien zwar ausgesetzt gewesen, doch bei Bedarf war Graf zur Stelle. So blieb er auch regelmäßig mit seinen Patienten in Kontakt. Worüber sich auch Maria Vogler freut. Sie erzählt dem Arzt, dass gerade ihr fünfter Urenkel zur Welt gekommen ist. „Man bekommt immer etwas mit“, sagt Graf. Deshalb denkt er auch noch nicht ans Aufhören. „Ein paar Jahre gehen noch.“ Und wenn er in der Praxis aufhört, bleibt er auf jeden Fall als Notarzt erhalten.