Der nächste deutsche Meistertitel scheint so gut wie eingetütet. Zum 31. Mal. Sportlich läuft’s beim FC Bayern München in der Fußball-Bundesliga. Aber hinter den Kulissen kracht es gewaltig. Am vergangenen Wochenende hat der Streit in der Führungsetage die nächste Eskalationsstufe erreicht. Trainer Hansi Flick hatte nach dem 3:2-Sieg in Wolfsburg öffentlich erklärt, dass er den Verein zum Saisonende verlassen möchte. Die Klub-Bosse wurden von der Bekanntmachung aber offenbar überrascht – und reagierten einen Tag später. Man missbillige die „einseitige Kommunikation“ durch Flick, rüffelte der Klub seinen Coach in einer Mitteilung. Bei den Fans des Rekordmeisters sorgt das allerdings größtenteils für Unverständnis. Wir haben uns bei Bayern-Sympathisanten umgehört.
"Es ist mir ein Dorn im Auge, dass er als Cheftrainer nicht an der Kaderplanung beteiligt ist"
Horst Klüpfel, 76, Altusried Unglücklicher, meint er, hätte es nicht laufen können. Er kann Flicks Reaktion und dessen Vorstoß am vergangenen Wochenende gut verstehen. Er selbst sei „auch kein großer Freund von Salihamidzic“. Klüpfel, der in den 1990er Jahren Abteilungsleiter der Altusrieder Fußballer war und mittlerweile Präsident des Allgäuer Golf- und Landclubs ist, sagt: „So kann man einfach nicht mit einem der erfolgreichsten Trainer umgehen, den der Verein je hatte. Er hat mit dem FC Bayern die höchsten Erfolge erzielt. Es ist mir ein Dorn im Auge, dass er als Cheftrainer nicht an der Kaderplanung beteiligt ist.“
Klüpfel traut Flick den Job des Bundestrainers zu, wenngleich er als bekennender Bayern-Fan aber auch sagt: „Ich hätte ihn noch viel, viel lieber ein paar Jahre in München gesehen.“
"Salihamidzic hat in den vergangenen Jahren eine gute Arbeit gemacht"
Thomas Hasselbach, 57, Dietmannsried Er sieht den Streit beim FC Bayern „recht entspannt“. Schließlich sei es im Sport heutzutage gang und gäbe, dass Trainer oder Spieler nach neuen Herausforderungen streben. Trotz laufender Verträge. „Vielleicht hat Hansi Flick ja schon ein besseres Angebot vorliegen“, sagt Hasselbach.
Seit seiner Kindheit schlägt sein Herz für den FC Bayern, seit ein paar Jahren ist er auch engagiertes Mitglied beim Fanklub „Red Baroons“ in Dietmannsried. Das Verhältnis zwischen Fanbasis und Vereinsführung sei in der Vergangenheit immer mal wieder angespannt gewesen. Er sagt: „Viele Fans schlagen sich jetzt auf die Seite von Hansi Flick. Ich mache das nicht. Salihamidzic ist vielleicht nicht so eloquent wie Flick, aber er hat in den vergangenen Jahren genauso gute Arbeit gemacht. Sonst hätten sie nicht zusammen sechs Titel in einem Jahres geholt.“
"Rummenigge und Hoeneß waren auch nicht immer die Heiligen"
Petra Dobler, 40, Buchenberg Mit 18 Jahren ist sie das erste Mal mit dem Fanclub „Red Tigers Allgäu“ ins Olympiastadion gefahren, seitdem hat Petra Dobler als Bayern-Fan schon so manche Eskapaden miterlebt – beim von Alphatieren geführten FC Hollywood. Auch mit der aktuellen Situation ist die 40-Jährige, die als Facharbeiterin in der Produktion für Wohnmobile arbeitet, nicht zufrieden. „Die Vereinsführung gibt kein gutes Bild ab.“
Die Missbilligung von Flicks Vorpreschen in Sachen Vertragsauflösung findet sie ein seltsames Gebaren: „Wenn’s in der Vergangenheit um Diskretion ging, waren Rummenigge und Hoeneß auch nicht immer die Heiligen.“ Sie hätte sich gewünscht, dass die Bayern-Führung den Konflikt zwischen Flick und Salihamidzic löst – und zwar pro Flick. „Natürlich hätte er als Trainer mehr Mitspracherecht bei der Verpflichtung von Spielern haben müssen.“ Jetzt sei es zu spät.
Dobler bedauert: „Schade, ich hätte mir Hansi schon noch ein paar Jahre als Trainer vorstellen können.“ Für sie sei klar: Er wechselt jetzt zum DFB – und sei dafür auch der richtige Mann. „Ich freu’ mich drauf, denn der Thomas Müller ist dann auf jeden Fall gesetzt.“ Und wer soll Nachfolger werden? „Hmm, schwierig. Nagelsmann passt nicht zum FC Bayern.“
"Seine Art und Weise, wie er mit den Spielern umgeht, passt perfekt zum Bundestrainer-Amt"
Martin Spingler, 37, Durach „Ich kann schon verstehen, warum Flick seinen Abgang jetzt bekannt gegeben hat“, sagt Spingler, der selbst Trainer in Durach ist und so wie Flick einen engen Draht zu seinen Spielern hat. Zu viel sei in den vergangenen Wochen schon durchgesickert. Flick habe das Richtige gemacht, indem er vorgeprescht ist. „Er ist der Trainer und muss für seine Spieler gerade stehen. Wenn er merkt, dass die Entscheidung von oben durchsickert, dann muss er es seinen Spielern und der Öffentlichkeit mitteilen“, meint Spingler.
Zu viel sei in München schiefgelaufen: „Wenn Gespräche nicht gut und ehrlich verlaufen und Abmachungen nicht gehalten werden – da ist Flick sehr geradlinig –, dann ist es klar, dass er die Reißleine frühzeitig zieht.“ Als Bundestrainer kann Spingler sich Flick gut vorstellen: „Seine Art und Weise, wie er mit den Spielern umgeht, passt perfekt zu dieser Aufgabe.“