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Der rätselhafte Herr Madlener

Kunst in Memmingen

Der rätselhafte Herr Madlener

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    So malte Josef Madlener auch: Rätselhafte Kapuzenträger strömen zu einer Messiasgestalt hin.
    So malte Josef Madlener auch: Rätselhafte Kapuzenträger strömen zu einer Messiasgestalt hin. Foto: Martina Diemand

    Diese Werke bleiben zu Lebzeiten von Josef Madlener (1881 bis 1967) im Verborgenen: In kraftvollen Farben dehnen sich Formen aus, teils deuten sich Silhouetten oder Organisches an, dann verlieren sich die Strukturen im freien Spiel ins Ornamentale und Abstrakte. Auf anderen Bildern lässt der Unterallgäuer Maler fantastische, geheimnisvolle Welten fernab der Realität entstehen. Madlener, von einem lokalen, konservativen Publikum als Schöpfer von Heimatidylle und traditionell religiöser Motive geschätzt, führt Mitte der 1930er Jahre als Künstler ein Doppelleben. Strömungen aus dem Surrealismus und Symbolismus treiben ihn um – der Öffentlichkeit zeigt er dies nie.

    Das holt nun die neue Ausstellung „Josef Madlener: Heimat und Moderne“ in der Mewo-Kunsthalle in Memmingen nach. Als Heimatmaler inszenierte er seine Region in den schönsten Farben: Landleben vor sanften Hügeln und Bergketten, mit Schafen und blühenden Wiesen voller Löwenzahn. Die Technik, um Betrachter in den Bann zu ziehen, beherrschte Madlener. Er war Dekorationsmaler, hatte die Kunstgewerbeschule besucht und an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert. „Doch es scheint, dass er mit der Moderne, der er dort begegnete, nicht ganz zurechtgekommen ist“, sagt Axel Lapp, Leiter der Kunsthalle.

    Josef Madlener kehrt 1912 nach Memmingen zurück

    Denn Madlener kehrte zurück und baute sich 1912 ein Künstlerhaus in Amendingen, heute ein Stadtteil Memmingens. Sein Erfolg ermöglichte ihm die Existenz als freischaffender Künstler, zudem betrieb er Landwirtschaft als Nebenerwerb.

    Bei näherem Hinschauen fallen Brüche in der ländlichen Harmonie ins Auge. Wie beim Gemälde „Ernte“ von 1943, das einen Mann mit Sense ins Zentrum rückt – ein ähnliches Werk zeigt einen Mann beim Säen. Beide hätten Lapp zufolge eine passende Illustration der „Blut und Boden-Ideologie“ der Nazis geliefert, wäre da nicht der gar nicht heroische, fast depressive Gesichtsausdruck der Männer. Auf einem anderen Bild sitzt eine madonnenartige Frauenfigur vor lieblichem Panorama unter einem Feldkreuz – nur die Füße der Jesusfigur sind zu sehen. Von ihnen rinnt Blut herab.

    So sah sich Josef Madlener selbst.
    So sah sich Josef Madlener selbst. Foto: Martina Diemand

    Nicht nur hier flackert abseits des Offensichtlichen etwas Irritierendes auf. Josef Madlener war tiefgläubiger Katholik und laut Museumsleiter Lapp stets im Sonntagsgottesdienst anzutreffen. Doch Madlener war auch offen für Übersinnliches, für Esoterik und Okkultismus. Er praktizierte das Pendeln, experimentierte mit dem unbewussten Zeichnen, um über die Wirklichkeit hinauszugelangen. Dass Madlener eine Art Sendungsbewusstsein besaß und sich auch als Medium begriff, verraten Selbstbildnisse, die ihn als guten Hirten zeigen. Auf einem führt ihm ein Engel die Hand. Einmal wollte der Künstler die Energie eines verstorbenen Freundes beschwören, damit sie sich durch ihn manifestiert.

    Neben den Schöpfer idealisierter Darstellungen von Heimat und Natur, Weihnachts- und Bibelgeschichten tritt da ein anderer. Einer, der sich vor kosmischem Sternenhimmel malt und in dessen Vorstellungskraft Überirdisches Gestalt annimmt: eine gewaltige sakrale Säulenhalle, flankiert von riesenhaften Wächtern, die fromm aber auch kriegerisch anmuten. Eine Burg, die entrückt über einer Kristall-Landschaft thront. Eine Umgebung wie ein Wüstenplanet – mit bizarren Felsformationen und einem fahl rosa und violett gefärbten Himmel, unter dem Massen weiß verhüllter Kapuzengestalten zu einem Messias hinströmen. Religiöse Symbolik bleibt präsent, doch Madlener versetzt den Betrachter in fantastische und mitunter beunruhigende Welten, wie man ihnen heute in Kinofilmen und Romanen begegnet.

    Damit wurde Josef Madlener bekannt: Der Unterallgäuer Heimatmaler inszeniert seine Heimat in prächtigen Bildern.
    Damit wurde Josef Madlener bekannt: Der Unterallgäuer Heimatmaler inszeniert seine Heimat in prächtigen Bildern. Foto: Martina Diemand

    Die kannte Madlener genauso wenig, wie er wissen konnte, dass sein „Berggeist“ zur Vorlage für den Zauberer Gandalf in J.R.R Tolkiens „Herr der Ringe“ werden würde. Woher nahm der Maler diese Bilder? Was ging in dem Mann vor, der derart Gegensätzliches hervorbrachte? Madlener hat sich dazu nie geäußert, und in Gesprächen mit seiner verstorbenen Tochter Julie, ebenfalls Künstlerin, wurde dies laut Museumsleiter Lapp nicht beleuchtet. Aufschluss könnte Madleners Bibliothek geben, die zu seinem Vermächtnis an die Stadt gehört. Doch diese Forschungsarbeit könne die Kunsthalle nicht leisten, bedauert Lapp.

    Mit den abstrakten Werken von 1935/36 bewegte sich Madlener auf eine Kunst zu, die 1938 als entartet diffamiert wurde. Wenn die Umstände andere gewesen wären, wenn er den Mut gefunden und ein anderes Publikum gehabt hätte, wäre Madlener vielleicht ein abstrakter Maler geworden, erläutert Lapp. Diese Frage bleibt offen – und der Künstler so rätselhaft wie seine Werke.

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