Mit Mitte 50 hatte die Frau beschlossen: Jetzt soll es noch einmal ein anderer Beruf sein. Also entschied sie sich dazu, ihre Büroarbeit aufzugeben und stattdessen Masseurin zu werden. Mit 60 wurde ihr das dann doch körperlich zu anstrengend – sie wechselte zurück an den Schreibtisch. Für ihre beruflichen Veränderungen suchte sie sich Rat. Und fand ihn bei Christine Hoch, Berufsberaterin für den Landkreis Ostallgäu. Hoch ist eine von mehreren Beratern der Region, die Allgäuern kostenlos helfen, wenn es um Weiterbildung, Neuorientierung oder schlicht ein Problem im Berufsleben geht.
Insgesamt haben die Bildungsberater im Allgäu vergangenes Jahr 958 Gespräche geführt. Der Bedarf sei seit Langem hoch, berichten sie im Gespräch. Das liege auch am Arbeitsmarkt, der sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert habe: „Die Zeiten, in denen man etwas lernt und dies bis zu seinem beruflichen Ende macht, sind für den Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbei“, sagt Carolin Faulhaber, die Beraterin unter anderem im Landkreis Unterallgäu ist.
Auch die Zahl der Optionen sei gestiegen: „Jungen Menschen bietet sich im ’Ausbildungsdschungel’ inzwischen ein Überangebot an Möglichkeiten“, sagt Jürgen Wendlinger, der für Kaufbeuren zuständig ist. Auch Quereinstiege seien mittlerweile deutlich einfacher also noch vor einigen Jahren.
Berufsberatung im Allgäu: Frauen suchten 2022 deutlich öfter Rat als Männer
Die sind vor allem auch für Mütter ein großes Thema, berichten die Berater. Überhaupt suchten Frauen 2022 deutlich öfter Rat als Männer, nämlich in 67 Prozent der Fälle. Jürgen Wendlinger sieht eine höhere Bereitschaft der Frauen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Häufig würden sich vor allem Mütter aber zu wenig zutrauen, sind sich die Berater einig. Sie seien sich ihrer Kompetenzen nicht bewusst.
Ein Blick auf die Altersgruppen zeigt: Vor allem Allgäuerinnen und Allgäuer im Alter zwischen 31 und 45 Jahren kommen in die Beratungsstellen. Bei ihnen steht „die berufliche Neuorientierung im Vordergrund“, erklärt Hoch. Oft gehe es um die Frage: „War das schon alles?“ Sind Menschen unzufrieden mit ihrem Job, dann empfehlen die Berater oft, zunächst das Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen: „Viele Menschen haben regelrecht Angst davor, Probleme bei ihren Chefs anzusprechen“, sagt Faulhaber.
Neben den jüngeren Ratsuchenden sind es vor allem ältere Menschen ab 56, die „Lebenskenner“, die Hilfe wollen. Die Zahl derer, die mit Burn-out oder psychischen Problemen kämpfen, habe auch in dieser Altersgruppe zugenommen. Doch auch noch mit 50 oder 60 sei es keinesfalls unmöglich, einen Neustart zu wagen. „Es geht darum, seinen Blickwinkel zu öffnen.“ Dabei helfe das Gespräch, sagt Christina Übele, die für die Stadt Memmingen zuständig ist. Die Bildungsberater kritisieren allerdings, dass der Freistaat zu wenig für Förderung und Weiterbildung bei Erwachsenen investiere. Die Bildungsprämie sei weggefallen, einen Ersatz habe es nicht gegeben. In einigen Bundesländern sei ein Bildungsurlaub Standard – in Bayern dagegen nicht vorhanden. „Weiterbildung ist zudem oft mit Kosten zwischen 4000 und 8000 Euro verbunden“, sagt Übele. Das sei eine zu große Hürde.
Weitere Infos und die Kontaktdaten zu den Beratern der Region gibt es auf dem Bildungsportal der Allgäu GmbH unter www.bildung.allgaeu.de.