„Der unmittelbare seelische Zugang der Menschen zueinander über ihre Stimme ist es, der mich besonders fasziniert und mich immer wieder dazu bewogen hat, Musik für Chor zu komponieren.“ Das schreibt Wolfram Buchenberg im Booklet einer neuen CD mit Chormusik aus seiner Feder.
Der Chor „Cantabile Regensburg“ unter Leitung von Matthias Beckert hat zehn Werke des in Engelpolz (Oberallgäu) und München lebenden Komponisten eingesungen – Weltliches wie Sakrales. Aber diese Trennung erscheint eher abstrakt. Denn der tief religiöse Buchenberg schreibt emotionale Musik, bei der selbst dann Spirituelles durchklingt, wenn sie nicht ausdrücklich sakralen Charakters ist.
Wolfram Buchenberg ist ein fleißiger Komponist. Sofern er nicht an der Hochschule für Musik in München unterrichtet, arbeitet er an seinen Werken – oft zuhause im Allgäu, wo er in seinem Arbeitszimmer unter dem Dach einen Flügel stehen hat. Hauptsächlich interessieren ihn, der durch die Schule des charismatischen Chorleiters Arthur Groß in Marktoberdorf gegangen ist, vokale Klänge – wenngleich er gelegentlich Instrumentales schreibt, sogar für Blasorchester (siehe Artikel oben).
Angesichts des stetigen Schaffens ist es folgerichtig, seine Werke, die weltweit geschätzt und aufgeführt werden, auf CD zu bannen. Buchenberg vertraut da gerne auf Matthias Beckert und seinen gemischten Chor in Regensburg, der zwar aus Laien besteht, aber professionell singt. Schon 2012 hat das 40-köpfige Ensemble eine Platte mit Buchenberg-Werken eingesungen. Nun gibt es auf Initiative Beckerts wieder eine mit Kompositionen aus den vergangenen acht Jahren, koproduziert vom Bayerischen Rundfunk.
Erneut wird deutlich, warum der 57-Jährige zu den herausragenden Chorkomponisten unserer Zeit zählt. Ein immenser Reichtum an Gedanken und Gefühlen steckt in den bisweilen elf Minuten dauernden Werken. Die Kreativität bei der Gestaltung von Spannungsbögen, Kontrasten und Schattierungen paart sich mit einer technischen Virtuosität, die es Buchenberg erlaubt, einen Kosmos an melodischen, harmonischen und rhythmischen Ideen zu einem wohlklingenden Ganzen zu verschmelzen.
Wobei dieser Wohlklang auch genau so gemeint ist: Buchenbergs zeitgenössische Musik ist gut hörbar, weil er sich meist in tonalen Bahnen bewegt. In seinen Stücken fließen die Musikepochen der vergangenen 1000 Jahre kunstvoll ineinander, beginnend mit mittelalterlichen Melodien, die Buchenberg so liebt, bis bin zu Ausbrüchen, die an Bruckner Klangkaskaden erinnern, die für Buchenberg ebenfalls Quell der Inspiration sind. Vielleicht klingen seine Stücke auch deshalb so gut, weil er – wie sein Lehrer und Freund Professor Max Frey sagt – „nie etwas gegen den Chor schreibt“.
Wie virtuos Wolfram Buchenberg zu komponieren versteht, zeigt beispielsweise das harmlos-schlicht erscheinende Wiegenlied „Aber heidschi bumbeischi“. Da variiert er über die Strophen hinweg raffiniert die Harmonik, und deutet damit die Abgründe an, die durch den Text schimmern. Wodurch ein spannendes Kunstwerk entsteht.
Klaus-Peter Mayr