Ottobeurer Konzerte und Begegnungen 1949 bis 2019 – so heißt ein Jubiläums-Buch, das zum 70-jährigen Bestehen der Reihe erschienen ist. Der Titel macht darauf aufmerksam, dass es um mehr geht als „nur“ Musik in der Ottobeurer Basilika. Seit der Gründung des Ordens 529 am Monte Cassino im umbrischen Nursia, gestärkt mit weiteren Klostergründungen wie 764 in Ottobeuren, haben die Benediktiner ein europäisches Netzwerk gewebt. Ganz in diesem Sinne waren und sind die Konzerte eng verbunden mit den sogenannten „Begegnungen“.
33 Mal wurden versöhnliche Kontakte quer durch Europa geknüpft. Herausragend etwa 1964 die gemeinsame Aufführung des „War Requiem“ von Benjamin Britten in der wieder aufgebauten Kathedrale in Coventry und in Ottobeuren. Oder die christlich-jüdischen Begegnungen, inzwischen zu christlich-jüdisch-islamischen Begegnungen erweitert. Die jüngste Phase richtet sich verstärkt in den osteuropäischen Raum: Slowakei, Polen, Litauen, Rumänien.
Mit dem 89-jährigen ehemaligen Ottobeurer Kulturamtsleiter Reinald Scheule gibt es noch einen Zeitzeugen, der die Entwicklung der Konzerte von Anfang an verfolgte. Mit seinem heutigen Kollegen Peter Kraus recherchierte Scheule das Buch und ließ bei der Vorstellung seine Erinnerungen schweifen. Schon wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde im Kaisersaal der Abtei die Reihe der „Sommerkonzerte“ eröffnet. 1946 begannen die Aufführungen in der Basilika, damals allerdings noch auf der Orgelempore über dem Eingang.
Mit Haydns „Schöpfung“ erklang jenes Werk, das bisher die meisten Aufführungen in Ottobeuren erlebte, nämlich 13. Mit der Jubiläums-Aufführung am kommenden Sonntag bringt es Händels Messias auf elf Aufführungen, gefolgt von Bachs h-Moll-Messe (zehn). Gern würde man mehr ausgefallene und zeitgenössische Musik bringen, so der Tenor bei der Buch-Präsentation. Aber bei solchen Konzerten lasse der Andrang in die ansonsten oft mit 2500 Zuhörern ausverkaufte Basilika deutlich nach.
Unter einem guten Stern stand 1949 das Wagnis, mit dem „Messias“ die „großen“ Konzerte vorne in der Apsis zu starten. Zufällig war am gleichen Sonntag eine Wallfahrt von 25000 Heimatvertriebenen, die mit Sonderzügen kamen – damals hatte Ottobeuren noch einen Bahnhof. Und so platzte die Basilika mit 5000 Besuchern aus allen Nähten. „Ansonsten wären es vielleicht 500 gewesen“, meint Reinald Scheule. „Das wär´s dann wohl gewesen“. So aber hatte man einen finanziellen Grundstock, auf dem Scheule und sein Team aufbauen konnten.
Das Buch ist nicht nur eine Chronologie der Konzerte und Begegnungen, sondern es beschäftigt sich auch fundiert mit der Geschichte des Ordens und mit der Barockzeit in Architektur und Musik. Abt Johannes Schaber erläutert den inneren Sinn und Aufbau der Basilika-Gestaltung, ausgerichtet auf das romanische Kruzifix im Zentrum sowie die Inschrift über dem Hauptportal „Haus Gottes und Himmels Pforte“.
Bürgermeister German Fries versäumte es bei der Buchvorstellung nicht, den Benediktinern zu danken, dass sie ihren heiligen Raum immer wieder für Konzerte öffnen. Normale Symphonien und Solokonzerte dürfen in katholischen Kirchen nicht erklingen. Ausgenommen davon ist, auf päpstliche Anweisung, Anton Bruckner. Dass jedes Konzert-Event ein „Risiko“ für den sakralen Raum bedeutet, wurde etwa deutlich, als im Jahr 2000 das chinesische Staatsorchester als Zugabe fröhlich den Radetzkymarsch schmetterte. Das mit einigen Fotos bestückte Buch geht als „Dankeschön“ an die Abonnenten und Helfer der Konzerte. Außerdem ist es im Ottobeurer Touristikamt für 12 Euro erhältlich.