Mächler - so werden im Allgäu Menschen genannt, die handwerklich begabt oder auch äußerst kreativ sind. Den eigens im Allgäuer Dialekt kreierten Begriff gibt es nicht ohne Grund. In der Region gibt es viele von ihnen. Teils weltbewegende Erfindungen wurden zwischen Memmingen und Oberstdorf und zwischen Lindau und Buchloe gemacht und große Erfinder lebten zumindest zeitweise im Allgäu. In diesem Artikel stellen wir fünf verschiedene Erfindungen vor, die in der Region entstanden sind.
Die Erfindung des Wechselaufbaus im Allgäu veränderte die Logistik weltweit
Spielzeugautos, Bettgestelle, Computer oder Waschmaschinen - all diese Waren und noch viele mehr werden täglich auf der ganzen Welt umhergekarrt. Egal, ob auf dem See-, Luft- oder Landweg. Die Logistik ist ein riesiges, komplexes Geflecht, das über Jahrhunderte ausgeklügelt wurde. Und einer, der es mit seiner Erfindung um ein vielfaches vereinfacht hat, ist ein Allgäuer. Die Rede ist von Thomas Simon. Er ist der Schwiegersohn von Thomas Dachser - Gründer des gleichnamigen Logistikunternehmens mit Sitz in Kempten.
Simon erfand 1971 den sogenannten Wechselaufbau (auch Wechselbrücke genannt) für Lkws. Dabei handelt es sich um einen genormten Kasten mit immer gleichen Abmessungen. Abgeschaut hatte Simon sich die Idee von den Seecontainern. Er übertrug sie auf den Lkw. Die Wechselbrücke ist speziell auf die Lastwagen zugeschnitten. Sie verfügt über ausklappbare Stützen, sodass sie zwischen mehreren Lkws getauscht werden kann. Füße ausklappen, Arretierung lösen, den Lkw per Luftfahrwerk senken und unter der Box herausfahren. Bei der Firma Dachser sind heute weit über 8000 Stück im Einsatz. Der Wechselaufbau sei "heute das Standardmaß der Branche", sagte Jürgen Schneider, Abteilungsleiter Nahverkehr im Logistikzentrum Allgäu in Memmingen, gegenüber unserer Zeitung. (Lesen Sie dazu auch: Die Dachser-Wechselbrücke: Eine Dachser-Innovation wird 50)

Das Kristallweizen - bis in die 80er war es das Weizenbier der Wahl
Na klar, in der Reihe der Erfindungen aus dem Allgäu darf auch ein Bier nicht fehlen. Es geht um das Kristallweizen. Heutzutage ist es nicht mehr so populär. Wer im Biergarten oder beim Essen gehen ein Weizen bestellt, bekommt in der Regel ein naturtrübes Hefeweizen serviert. Doch das ist erst seit den 1980er Jahren so. Vorher war laut dem Verband Private Brauereien Bayern das Kristallweizen beliebter.
Als Erfinder des klaren und prickelnden Bieres gilt die Brauerei Farny aus Kißlegg im baden-württembergischen Allgäu. 1924 soll der damalige Braumeister Wilhelm Zeitler erstmals ein kristallklares Weizenbier gebraut haben. Professoren der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weihenstephan untersuchten das Bier und verglichen es aufgrund des hohen natürlichen Kohlesäurengehalts und der klaren Farbe mit Champagner. So erhielt die neue Biergattung auch den Namen "Champagner-Weizen". Doch dieser Begriff darf nicht mehr verwendet werden, da er für die Champagner-Bauern in Frankreich geschützt ist. Seitdem ist der Name "Kristallweizen" geläufig. (Lesen Sie dazu auch: „Es gibt eine Tendenz weg vom Weizenbier“ - Gibt's in Zukunft nur noch Helles?)
Den ersten Wohnwagen Deutschlands entwickelte ein Allgäuer - aus Liebe
Arist Dethleffs, Sohn eines Familienunternehmens aus Isny, das seit 1832 Pferdepeitschen und auch Skistöcke herstellte, heißt der Erfinder des ersten Wohnwagens in Deutschland. Das erste Haus auf Rädern entstand aus seiner Liebe zu der zehn Jahre älteren Fridel Edelmann. Sie war Landschaftsmalerin - Anfang des 20. Jahrhunderts eher ungewöhnlich, da die professionelle Malerei doch fast ausschließlich den Männern überlassen war.
Da Arist Dethleffs ständig auf Geschäftsreisen war, sah er seine Verlobte Fridel Edelmann nur selten. Zudem war sie selbst für ihre Malerei viel unterwegs. In einem Brief an ihren Verlobten schrieb sie 1931: "Ich wünsche mir so etwas Ähnliches wie einen Zigeunerwagen, in dem wir beide gemeinsam fahren und ich auch noch malen könnte." So kam Dethleffs auf die Idee, den ersten Wohnwagen Deutschlands zu konstruieren. Bei dem Wagen, der etwa 1931 fertiggestellt war, handelte es sich um einen Einachser. Die Sitzecke ließ sich zu einer Schlafkoje umbauen, außerdem besaß der Wagen auch eine kleine Küche. Sogar über ein Hubdach verfügte der erste Wagen bereits. Arist Dethleffs konnte damals wahrscheinlich noch nicht ahnen, wie viele Familienurlaube er mit seiner Erfindung ermöglichen sollte. (Lesen Sie dazu auch: Eine eierlegende Wollmilchsau für Camper? Startup in Kempten entwickelt den "Vanderer")

Das einzige echte Allgäuer Käse-Original - der Weißlacker
Manch einer wird die Erfinder des Weißlackers verfluchen. Grund dafür ist der strenge Geruch des Käses. Doch die Allgäuerinnen und Allgäuer sollten vielmehr stolz auf die Brüder Josef und Anton Kramer sein. Denn die beiden Wertacher erfanden mit dem Stinkekäse den ersten und einzigen originalen Allgäuer Käse. Sorten wie der Bergkäse oder der Emmentaler hat es zuvor bereits in der Schweiz gegeben und wurden im Allgäu nur kopiert.
Die Kramer-Brüder hatten der Legende nach 1874 eigentlich einen Limburger Weichkäse herstellen wollen. "Der ist aber nichts geworden, weshalb sie ihn in eine Kiste gepackt und in den Keller gestellt haben", sagte der Käser Georg Kierein von der Allgäuer Hof-Milch GmbH aus Missen-Wilhams gegenüber unserer Zeitung. Den Käse hätten sie jedoch ganz vergessen und erst einige Zeit wieder entdeckt. Zwar roch er streng, doch war er schmackhaft. So war der Weißlacker geboren.
Schluss mit Resten in Joghurtbecher oder Marmeladenglas - die Erfindung des "Löffli"
Diese Erfindung ist im Gegensatz zu den Vorgängern nicht ganz so alt. Den "Löffli" erfand der Kemptener Damian Furtak 2020. Mit dem Löffel aus lebensmittelechtem Silikon lassen sich Marmeladengläser oder Joghurtbecher vollständig auslöffeln. Denn das flexible Besteck kommt in jede Ecke und in jede Rille.
Die Idee für seine Erfindung kam Furtak beim Löffeln seines Müslis. Es hat den Kemptener geärgert, dass mit einem normalen Löffel noch so viele Reste im Joghurtglas bleiben. Mit seinem "Löffli" möchte er außerdem dazu beitragen, dass weniger Einmallöffel verwendet werden, sagte er.

Diese Erfindungen wurden nicht im Allgäu gemacht, hängen aber dennoch mit der Region zusammen
- Er ist aus der heutigen Zeit nicht mehr weg zu denken: der Computer. Erfunden hat ihn unter anderem Konrad Zuse. Seine ersten Rechenmaschinen entwickelte Zuse in Berlin. Die Z1, die Z2 und auch die Z3 von 1941 - die weltweit als erster funktionstüchtiger Computer angesehen wird - verlor er bei Bombenangriffen auf die Hauptstadt während des zweiten Weltkrieges. Doch die Z4 konnte der Tüftler retten und schaffte die Maschine bei seiner Flucht aus Berlin ins Allgäu. Er versteckte den Computer zwischen 1945 und 1947 im Oberallgäuer Hinterstein vor den Besatzungstruppen. Dann schaffte er seine Maschine nach Hopferau ins Ostallgäu. Dort gründete der Erfinder das Zuse Ingenieurbüro und stellte seine Z4 in einem Pferdestall auf. "Ein völlig neuartiges Rechengerät das in seinen Leistungen etwa einem Rechenbüro von zehn bis 20 Arbeitskräften entspricht, wurde in diesen Tagen von Ingenieur Konrad Zuse in Hopferau bei Füssen fertiggestellt", steht es in einem Zeitungs-Artikel von 1948. Erstmals hatte Zuse seine Z4 eingesetzt, um den Milchpreis für eine Sennerei zu berechnen.

- Der Erfinder Carl von Linde ist ebenfalls eng mit dem Allgäu verbunden. Und auch seine Erfindung war bahnbrechend. Er entwickelte 1876 ein besonderes Verfahren, welchem wir die moderne Kühltechnik und damit auch unsere heutigen Kühlschränke verdanken. Von Linde wuchs weitgehend im Allgäu auf. Er besuchte das heute nach ihm benannte Carl-von-Linde-Gymnasium in Kempten. Nach dem Abschluss 1861 ging er nach Zürich, um am dortigen Polytechnikum zu studieren. Doch das Studium beendete er nicht, da er wegen der Teilnahme an einem Studentenprotest exmatrikuliert wurde. Sein früherer Lehrer vermittelte ihm daraufhin eine Lehrstelle in einer Baumwollfabrik im Kemptener Stadtteil Kottern. Danach zog es Linde weiter nach München. Dort wurde er schließlich Professor für Maschinenbau an der Polytechnischen Schule. 1876 erarbeitete der Ingenieur schlussendlich eine Kältemaschine, die mit Ammoniak als Kältemittel funktionierte. Bierbrauer aus ganz Europa zeigten großes Interesse daran, denn um ganzjährig untergärige Biersorten zu brauen, braucht es Temperaturen zwischen vier und zehn Grad Celsius.

- Zu erwähnen ist hier auch die Erfindung des Ipsophons - der erste vollautomatische Anrufbeantworter. Denn der Erfinder ist der gebürtige Burgberger Willy Müller. Der Tüftler entwickelte die fast ein Meter hohe und 164 Kilogramm schwere Maschine Ender der 1930er-Jahre in München. Doch aus Angst vor Bombenangriffen brachte Müller seinen Prototypen in die Schweiz. Sein Anrufbeantworter hatte bereits einen Passwortschutz, eine Fernabfrage, das Überspringen von Leerstellen integriert. Auch das Fernlöschen war bereits möglich. 1953 entwickelte Müller auch die "Sprachspeichergeräte". Das waren erstmals Anrufbeantworter für den Privathaushalt.
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Diese Auflistung einiger Erfindungen aus dem Allgäu hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.