In Europa wird gewählt: Am Sonntag, 9. Juni, findet in Deutschland die EU-Wahl statt. In einer Artikelreihe beleuchten wir die Arbeit der Europäischen Union. Im heutigen Teil geht es um die langjährige ehemalige Europaabgeordnete Barbara Lochbihler, die nun versucht, die Interessen von über 230 Verbänden in Brüssel voran zubringen.
Barbara Lochbihler gehörte zehn Jahre lang dem EU-Parlament an
Zehn Jahre lang gehörte Barbara Lochbihler für die Partei Bündnis 90/Die Grünen dem Europäischen Parlament an, bis sie 2019 auf eine weitere Kandidatur verzichtete. Dennoch liegt der heute 64-jährigen Allgäuerin, die mittlerweile in Berlin lebt, die Europäische Union weiterhin am Herzen. Als Vizepräsidentin der Europäischen Bewegung Deutschlands (EBD) versucht sie, die Interessen von über 230 Verbänden in Brüssel voran zubringen. Vor der Europawahl ruft Lochbihler die Menschen auf, sich an der Abstimmung zu beteiligen und Parteien, die für Rechtsstaatlichkeit einstehen, zu unterstützen und nicht die „Feinde der Demokratie“ zu wählen.
Die gebürtige Obergünzburgerin macht sich große Sorgen, dass rechte europafeindliche Kräfte noch stärker werden könnten. Diese strebten die „Entdemokratisierung von Gesellschaften“ an. Zudem befürchtet Lochbihler einen „Angriff auf unseren Wohlstand“. So fordere etwa Alice Weidel von der AfD sogar den Austritt Deutschlands aus der EU. Wozu dies führe, zeige sich am Beispiel Großbritannien, das seit dem Brexit vor vier Jahren eine grobe Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bis zur Lebensmittelknappheit erlebe. Für Lochbihler ist es wichtig, „gut im europäischen Binnenmarkt zusammenzuarbeiten“, auf Technologietransfer zu setzen und viel Geld für die Forschung auszugeben. Darum kümmerten sich die Rechten nicht. Stattdessen sei zu befürchten, dass sie die Umsetzung wichtiger Gesetze für den Natur- und für den Trinkwasserschutz verhindern.
Lochbihler warnt vor Rechtsextremismus in der EU
Zudem gingen die AfD und die Identitären davon aus, dass die Würde des Menschen nicht für alle gleich gilt. „Der Rassismus nimmt zu, das ist eine große Herausforderung innerhalb und außerhalb der EU“, sagt die Menschenrechtsexpertin. Sie war von 1999 bis 2009 Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Seit 2019 arbeitet sie zudem als gewähltes Mitglied im UN Ausschuss gegen das gewaltsame Verschwindenlassen, seit September 2021 ist sie Vizepräsidentin des Ausschusses.
Sie hält eine „Brandmauer“ gegen rechts nach deutschem Vorbild auch im Europäischen Parlament für wichtig. Ihrer Einschätzung nach taktiert die EVP-Fraktion, in der sich die konservativen Abgeordneten Europas zusammengefunden haben, hierbei zu sehr. Auch eine Zusammenarbeit mit der italienischen
bezeichnet Lochbihler als „völlig falsch und gefährlich“. Meloni gebe sich nach außen EU-freundlich, „aber sie ist eine Post-Faschistin“, sagt Lochbihler.Wie muss sich die EU verändern?
„Beschämend“ findet sie es, dass die EU in der Migrations- und Flüchtlingspolitik Prinzipien aufgibt. Man wolle Flüchtlinge gar nicht mehr an die EU-Außengrenzen kommen lassen und setze auf Militarisierung statt Rechtsschutz für Geflüchtete.
Als aktive Parlamentarierin möchte Lochbihler nicht mehr arbeiten. Denn sie habe dabei sehr viel Lebenszeit auf Bahnhöfen verbracht. Freuen würde sie sich dennoch, wenn wieder eine Ostallgäuerin ins Europäische Parlament einziehen würde. Ihre Parteifreundin Andrea Wörle könnte es als bayerische Spitzenkandidatin vielleicht schaffen. Lochbihler selbst steht heute sozusagen auf der anderen Seite: Als EBD-Vizepräsidentin ist sie Lobbyistin. Der vom Auswärtigen Amt finanzierte Verein bezeichnet sich als größtes Netzwerk für Europapolitik in Deutschland. Darin vereint sind 234 Mitgliedsorganisationen aus Gesellschaft und Wirtschaft - von gemeinnützigen Organisationen über Bildungsträger und Parteien bis zu Unternehmen und Gewerkschaften. Im Vorfeld der Europa-Wahl spricht sich die EBD für den Schutz europäischer Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit aus. „Dabei müssen wir uns als proeuropäisches Netzwerk dem Rechtsruck innerhalb Europas entgegensetzen“, heißt es auf der Homepage der EBD.
Europawahlen im Juni: Wahl ab 16 erlaubt
Erstmals kommt es dabei auch auf die Stimmen der 16- und 17-Jährigen an. Denn das Wahlalter wurde in der EU auf 16 heruntergesetzt. Lochbihler fordert deshalb, die Jugendlichen unter anderem über ihre Verbände und die Schulen als „politisch Handelnde einzubeziehen“.
Auch über die sogenannten sozialen Medien müsse den jungen Menschen klar gemacht werden, welche Vorzüge die EU hat und was sie verlieren würden, wenn es den Staatenbund nicht gäbe. Lochbihler sieht hier Nachholbedarf bei allen demokratischen Parteien - auch wenn sie bezweifelt, dass TikTok allein die richtige Plattform ist, um Europapolitik zu erklären. Die AfD soll dort Experten zufolge große Erfolge verbuchen.