"Mitarbeiter gesucht", "Wir suchen Dich!" und "Werde Teil unseres Teams". An immer mehr Hotels, Restaurants oder Cafés hängen Gesuche wie diese. Seit Corona hat das Gastgewerbe besonders große Probleme, Personal zu finden. Denn durch die pandemiebedingten Lockdowns sind viele Mitarbeiter in andere Branchen abgewandert. In Branchen, in denen ihr Job sicherer ist.
Das spürt auch das Allgäu. Denn obwohl die Region eines der beliebtesten deutschen Urlaubsgebiete ist und in Sachen Gästezufriedenheit auf Platz 1 steht, fehlen vielen Arbeitgebern qualifizierte Mitarbeiter.
Fehlendes Personal im Allgäu: Müssen Gäste zurückstecken?
Restaurants müssen Ruhetage einlegen, Öffnungszeiten verkürzen, eine kleinere Speisekarte anbieten oder sogar ganz schließen. All das resultiert aus dem Mangel an Arbeitskräften. "Wo uns wirklich Personal fehlt, ist bei den 450-Euro Kräften. Nicht nur im Hotel, sondern auch im Restaurant und in der BigBox selbst", sagt Armin Kirchbach, Unternehmenskoordinator im BigBox Hotel in Kempten. Viele der Kräfte seien abgewandert und dementsprechend sei es sehr schwierig, diese zu ersetzen.
Auch er habe bereits die Erfahrung gemacht, dass man Abstriche machen muss, berichtet Kirchbach. "Da mussten wir die Rezeption bereits um 23 Uhr schließen und konnten erst wieder am Morgen aufmachen", so Kirchbach. Dies passiere gerade dann, wenn Mitarbeiter in Quarantäne müssen.
Auch das Filser Hotel in Oberstdorf kämpft mit dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. "Gerade im Service ist es schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Viele der Bewerber sprechen nur schlecht Deutsch. Da ist es schon schwer, eine Bestellung richtig aufzunehmen", sagt der stellvertretende Geschäftsführer Rafael Schittler.
Tourismus: Traum oder Albtraum?
"Da arbeiten, wo andere Urlaub machen", ist einer der berühmtesten Slogans der Reisebranche. Doch ungeregelte Arbeitszeiten vor allem in Gastronomie und Hotellerie, schlechte Bezahlung im Gegensatz zu anderen Branchen und Saisonarbeit überschatten die Branche. Ist der Arbeitskräftemangel in der Hotelbranche also selbst verschuldet?

Dass die Branche wenig attraktiv ist, sehen offenbar auch Schulabsolventen so. Denn immer weniger junge Menschen fangen eine Ausbildung in der Hotellerie oder im Gastgewerbe an. "Gastronomie und Hotellerie sind eine Leidenschaft", sagt Kirchbach. "Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder verstehen, wie toll es ist, Gastgeber zu sein. Dass das Gastgeber sein im Vordergrund steht und nicht das bessere Gehalt, dass man verdient, wenn man irgendwo am Band steht. Aber da steht die Frage im Vordergrund, was einem im Leben wichtig ist."
Rafael Schittler vom Filser Hotel in Oberstdorf hat einen ähnlichen Blick auf die Branche: "Viele Menschen, die in der unserer Branche tätig sind, haben gar kein richtiges Interesse mehr an ihrer Arbeit." Viele der leidenschaftlichen Touristiker und Gastronomen fühlten sich nach der "dunklen Phase" von Corona ausgenutzt und seien in andere Branchen abgewandert. Jetzt gelte es, die Menschen wieder für einen Job in Gastronomie und Hotellerie zu motivieren und begeistern.
Köche sind Mangelware
In vielen Betrieben bleiben Ausbildungsstellen zur Hotelfachfrau, Restaurantfachfrau oder zum Koch unbesetzt. Besonders betroffen sei der Beruf des Kochs, berichtet Kirchbach. "Tatsächlich kommt bei Köchen so gut wie keine Bewerbung". Erschwerend dazu komme, dass viele der wenigen Köche sich nach einigen Jahren Praxiserfahrung mit einer Cateringfirma oder einem eigenen Restaurant selbstständig machen oder ins Ausland gehen. (Lesen Sie dazu: Gastgewerbe: Die meisten Kräfte gehen weg „wie warme Semmeln“).
Auch das Team von "Beim Haxenwirt" aus Immenstadt kennt das Problem: "Wir suchen bereits seit fünf Jahren einen Koch, der die Küche selbstständig leiten kann", so der Betreiber. Es sei schon immer schwer gewesen, geeignetes Personal zu finden, Corona habe die Lage nur noch verschärft. Das Einzige, was einem Gastronom in so einer Situation übrig bliebe, sei das Geschäftsmodell - sprich Öffnungszeiten und Karte - anzupassen, sagt der Immenstädter.
Das Filser Hotel in Oberstdorf befindet sich in einer ähnlichen Situation. Dort fehlt einer von drei benötigten Köchen. "Wir brauchen eigentlich dringend jemanden für Patisserie und Vorspeisen", so Schittler. Auch im restlichen Restaurantbetrieb mussten aufgrund des Fachkräftemangels Abstriche gemacht werden. "Wir können kein á la carte mehr anbieten und auch unser Halbpensionsmenü mussten wir vereinfachen."

Hochschule Kempten geht gegen Bewerbungsmangel vor
Doch nicht nur Ausbildungen scheinen unbeliebter, auch bei Studiengängen im touristischen Bereich blieben im Wintersemester 2021/2022 die Bewerbungen aus. Prof. Dr. Alfred Bauer von der Hochschule Kempten berichtet, dass lediglich 40 Prozent der Studienplätze belegt wurden. "Jedoch muss man sagen, dass die Bewerberzahlen bei touristischen Studiengängen schon seit Jahren rückläufig sind – und zwar nicht nur an der Hochschule Kempten", sagt Bauer. Auch die Zahl der Studienabbrecher sei während der Pandemie gestiegen.
Trotz allem blickt Bauer positiv in die Zukunft: „Ich bin überzeugt, dass sich der Tourismus wieder erholt und auf das alte Niveau, also rein quantitativ, zurückkommt.“ Man müsse jedoch auf die aktuellen Herausforderungen reagieren und und sich zukunftsorientiert aufstellen.
Eine Maßnahme der Hochschule ist es, ab dem neuen Semester ein überarbeitetes und aufgepepptes Studium anzubieten. Mit dem neuen Studienfach "Tourismuszukunft" versucht die Fakultät Tourismus, wieder mehr junge Menschen für den Tourismus zu begeistern. Mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollen Studierende besonders auf den Klimawandel und seine Anforderungen vorbereitet werden - und es scheint zu klappen: Laut Bauer sind heute schon rund 90 Prozent mehr Bewerbungen als im vergangenen Semester eingegangen (Lesen Sie dazu:
).
Allgäu: So viel Personal fehlt
Laut einer Mitteilung der Allgäu GmbH war der Fachkräftemangel und seine Auswirkungen auf das Allgäu ebenfalls Thema bei der Jahresversammlung des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch-Schwaben. Die aktuellen Herausforderungen an die Branche seien vor allem Personal- und Wohnraummangel, so Maria Rita Zinnecker, Vorsitzende des Tourismusverbandes gegenüber der Allgäu GmbH. Allein bei den Allgäu TopHotels seien demnach laut der Aufsichtsratschefin der Allgäu GmbH Zinnecker über 1.000 Stellen unbesetzt. Eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) spricht sogar von rund 60 Prozent Mitarbeitermangel im deutschen Gastgewerbe. Wie viel Personal insgesamt im Allgäu fehlt, lässt sich aber nur schwer beziffern.
Fachkräftemangel im Tourismus: Wertschätzung von großer Bedeutung
Für Prof. Bauer ist klar, was zu tun ist: Das Image der Branche muss verbessert werden. Es sei immer wieder die Rede davon, dass der Tourismus am Ende sei. "Solche Äußerungen tragen stark zu Verunsicherungen bei jungen Leuten bei. Das, was man früher hatte, die Sicherheit, dass der eigene Job sicher ist, wird durch solche Äußerungen stark getrübt und beeinflusst." Man müsse wieder zeigen, dass es Spaß macht und Sinn hat, in dieser Branche zu arbeiten, sagt Bauer. Aber nicht nur die Sicherheit des Jobs sei wichtig, man müsse auch zeigen, dass man seine Mitarbeitenden wertschätzt (Lesen Sie dazu: Wie sieht der Tourismus der Zukunft im Allgäu aus?)
So versucht es auch die Initiative "AzubiTopHotel". Neun Hotels der Allgäuer TopHotels haben es sich zur Aufgabe gemacht, gegen den Fachkräftemangel und sinkende Auszubildenen-Zahlen anzugehen. Neben mehr Gehalt und Austauschprogrammen wollen die Hoteliers ihren Azubis die Möglichkeit geben, sich persönlich weiterzuentwickeln. Mit Erfolg: Ein Jahr vor Pandemie-Beginn gab es bereits 40 Bewerber auf sechs Stellen, berichtet Hotelier Christian Neusch vom Allgäuer Berghof in Gunzesried.
Die ehemalige Tourismus-Management Studentin Cara Probsteder hat sich nach einigen Jahren im Tourismus dazu entschieden, der Branche den Rücken zu kehren. "Es gibt super viele Herzblut-Touristiker, die die Branche lieben, so wie ich auch. Ich wünsche mir, dass es sich diese Menschen wieder leisten können, ihrem Traumjob nachzugehen. Wir sind auf einem guten Weg, aber lange noch nicht da, wo wir sein sollten". Sie selbst hat sich nicht mit den Schattenseiten der Branche anfreunden können.
Lesen Sie auch: Kein Personal: Allgäuer Bäcker- und Metzgerfilialen müssen schließen