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Firmen-Nachfolger im Allgäu: Nur wenige wollen ein Unternehmen übernehmen

Nachfolge vs. Gründung

„Es gibt nicht genügend Nachfolger“ - auch für Familienunternehmen im Allgäu

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    Nicht jeder Chefsessel wird neu besetzt: Christian Mohr vom Start-up-Netzwerk UnternehmerTUM weiß, dass viele Menschen lieber selbst ein Unternehmen gründen.
    Nicht jeder Chefsessel wird neu besetzt: Christian Mohr vom Start-up-Netzwerk UnternehmerTUM weiß, dass viele Menschen lieber selbst ein Unternehmen gründen. Foto: Rawpixel.com - Fotolia, Michael Mayr

    Sich selbst etwas aufbauen oder den Betrieb der Eltern übernehmen? Geht es um die Unternehmensnachfolge, scheiden sich an dieser Frage die Geister, sagt Christian Mohr.

    Der Kemptener stammt aus einer Unternehmerfamilie und ist Geschäftsführer des Münchner Start-up-Netzwerks UnternehmerTUM. Gerade Familienunternehmen beschäftige die Frage, wer die Firma weiterführen soll, sagt Mohr. Nun mag manch einer denken, ein Unternehmen zu übernehmen, sei ein Geschenk. Doch potenzielle Nachfolger sind rar gesät.

    Firma übernehmen? Deutschlandweit sind bis 2026 rund 60.000 Nachfolgen ungeklärt

    Allein bis Ende 2022 sind deutschlandweit etwa 60.000 Nachfolgen ungeklärt. Bis Ende 2025 streben etwa 600.000 Unternehmen eine Übergabe an die nächste Generation an. Das zeigt eine Studie der Förderbank KfW aus dem Januar 2022. „Es gibt nicht genügend Nachfolger“, sagt Mohr.

    Christian Mohr, Geschäftsführer von UnternehmerTUM.
    Christian Mohr, Geschäftsführer von UnternehmerTUM. Foto: Michael Mayr

    Jemand, der das Thema aus erster Hand kennt, ist Robin Berger. Er gehört zur Eigentümerfamilie der Berger-Gruppe aus Memmingen, die an mehreren Standorten weltweit Präzisionsdrehteile, Kugelgewindetriebe, Motorspindeln und Baugruppen herstellt und beispielsweise die Automobil-Industrie beliefert.

    „Wir sind eine große Familie, in der sich sehr viele Mitglieder im Unternehmen engagieren“, sagt Berger. Der Übergabeprozess sei derzeit noch im Gange. Der 33-Jährige sah seine Zukunft ursprünglich aber außerhalb des Familienunternehmens. (Lesen Sie auch: Das ist die Geschichte des Allgäuer Familienunternehmens "Alpina")

    Robin Berger, Werksleiter des A.Berger-Werks in Weitnau.
    Robin Berger, Werksleiter des A.Berger-Werks in Weitnau. Foto: Michael Mayr

    Ob 10 oder 1000 Mitarbeiter: Nachfolge bedeutet "wahnsinnige Verantwortung"

    „Es ist eine wahnsinnige Verantwortung, eine Firma zu übernehmen“, sagt Berger. Mohr schließt sich an: „Dabei ist es irrelevant, ob die Firma zehn oder 1000 Mitarbeiter hat. Für den Unternehmer selbst wiegt die Verantwortung gleich schwer.“

    Für Spannung bei der Übergabe sorge zunehmend die Digitalisierung. „Da gibt es immer einen Generationenkonflikt“, sagt Robin Berger, derzeit Werksleiter im Unternehmen seiner Familie, „wir sind mit Handy aufgewachsen“.

    (Lesen Sie auch: Scheidegg will ein Pavillon für Start-ups bauen)

    Die Menschen, die in den nächsten Jahren eine Firma weitergeben wollen, seien meist zwischen 55 und 70 Jahren alt und „in einer vordigitalen Welt“ groß geworden, sagt Mohr. Dementsprechend bringe eine Übernahme oft auch Wandel mit sich. Die große Schwierigkeit sieht Berger dabei nicht in der Technik selbst: „Die Frage ist nicht, wie man eine Software kauft oder welche, sondern wie man sie an die Mitarbeiter bringt“, sagt der junge Werksleiter.

    Tradition vs. Zukunft: Veränderung birgt Konflikt

    „Solche Prozesse bedürfen nachhaltiger Überzeugung“, fügt Berger hinzu. Auch bei Geschäftsführern und Inhabern. Denn Digitalisierung im Unternehmen bedeute immer Veränderung, „und Veränderung birgt erst einmal immer Konflikt“. Auch deshalb entscheide sich unternehmerischer Nachwuchs oft für Start-ups oder Neugründungen, statt in ein Familienunternehmen einzusteigen, sagt Christian Mohr. „Ein Start-up hat nichts zu verlieren.“

    (Lesen Sie auch: Familienunternehmen mit Rekord: Jörg Gabler aus Obergünzburg ist der wohl älteste Bankier der Welt)

    Deswegen versucht das bayerische Digitalministerium mit der Initiative „NextGen4Bavaria“ zukünftige Unternehmens-Chefinnen und -Chefs bei der Modernisierung und Digitalisierung zu unterstützen – in Kooperation mit dem Start-up-Netzwerk UnternehmerTUM und in Kempten mit Allgäu Digital.

    IHK Schwaben unterstützt Firmen bei der Nachfolgeregelung

    Das Problem mit der Digitalisierung kennt auch Gerhard Remmele. Er ist bei der IHK Schwaben die Anlaufstelle für Fragen rund ums Thema Nachfolge. „Früher hat man einen Investitionsstau im Unternehmen geprüft. Heute spricht man von Digitalisierungsstau“, sagt Remmele. Er berät im Schnitt etwa 200 Firmen pro Jahr bei der Nachfolge. Während der Pandemie sei die Nachfrage aber zurückgegangen.

    Viele hätten die Nachfolge aufgeschoben, sagt IHK-Vertreter Remmele. Das Ergebnis: „Die Unternehmer und Unternehmerinnen sind älter geworden. Es drängt.“ Laut Remmele dauert eine Übergabe vom Erstkontakt bis Abschluss durchschnittlich zwischen drei und fünf Jahre.

    (Lesen Sie auch: Unternehmen gründen - Ein Allgäuer Experte gibt Tipps)

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