Spontan sprang das Publikum am Ende der ersten Aufführung von „Jesus Christ Superstar“ in Ludwigs Festspielhaus in Füssen von den Sitzen und applaudierte frenetisch. Damit hatte Jenny Theobald, die künstlerische Leiterin, nicht gerechnet. Eigentlich hätte sie sich das denken können, so intensiv und mitreißend wie ihr Ensemble gesungen, vor allem aber gespielt hatte.
Mit Andrew Lloyd Webbers und Tim Rice’ erster Rockoper aus dem Jahr 1971 gastierte das IntensivTheater Saarbrücken am Karfreitag- und Samstag im Festspielhaus – mit riesigem Erfolg. Das Ensemble führte die Oper mit seinen Laiendarstellern (lediglich Judas, alias Martin Herrmann, ist ausgebildeter Sänger und Musical-Darsteller) und seiner Band auf, die verstärkt durch Blechbläser und Flötisten die Musik aus den 1970er Jahren hervorragend konzertierte und szenische Akzente setzte. Der große Allgäu-Chor, der noch ein paar Tage zuvor erstmals geprobt hatte (wir berichteten), unterstützte die Aufführung professionell mit mitreißenden Gesten, die natürlich und passend zu dem Geschehen im Vordergrund auf der Bühne wirkten.
Die letzten sieben Tage Jesu hat wohl noch niemand so intensiv und hautnah erlebt, wie in dieser Aufführung. Das verzweifelte Zweifeln von Judas lässt keinen kalt, auch nicht in der direkten Auseinandersetzung mit dem „Superstar“. Jesus (Dennis Klein) selbst steht fassungslos im Tempel, in dem gehandelt, gestritten und gefeilscht wird, ja sogar Sex ist nicht ausgeschlossen. Bis er seine gewaltige Stimme erhebt, deren plötzlich kreischende Höhe im Song alle aus dem Tempel vertreibt.
Zu zeigen, dass der Sohn Gottes als Mensch auf Erden wandelte, gelingt der Inszenierung sehr. Die Gebrechlichen und Leidenden umringen ihn, ziehen und zerren an ihm – um Hilfe flehend. Dass er ums eine oder andere Mal erschöpft ist und von Maria Magdalena (Mirijam Kohr) liebevoll versorgt wird, erscheint auch dem Gläubigsten in den Szenen folgerichtig. Jesu im Arm, lässt ihre sehnsüchtig verzweifelte Ballade „I Don’t Know How to Love Him“ keinen im Publikum kalt.
Dann kommt der Palmsonntag, an dem Jesus in Jerusalem einzieht. Die Seitentüren im Raum öffnen sich, Darsteller mit Palmwedel jubeln um das Publikum und schreiten zur Bühne, auf der Jesus weiter umjubelt wird.
Über all dem stehen die Hohen Priester in ihrem Eisernen Turm, der die Härte und Unbeugsamkeit des Klerus beeindruckend untermauert. Sie beobachten das Geschehen wenig erfreut. „Jesus Must Die“ singen sie wenig zurückhaltend. Hier begeisterte der ganz oben stehende Kajphas (Mike Kronenberg) mit seinem tiefen Bass, der das Haus erzittern ließ. Als der zögernde, von Zweifeln behaftete Judas sich dann doch die 30 Silberlinge in die Hand drücken lässt, regnet es Gold – eine toller Einfall, den unwiderstehlichen Mammon hervorzuheben.
Ebenfalls erschütternd in der Aufführung: Pontius Pilatus (Sebastian Weber), der zuvor seine Hände in Unschuld gewaschen hatte, muss sich den hasserfüllten Rufen der Bevölkerung beugen. So peitscht er den Verurteilten trotz seiner Zweifel an dessen Schuld blutig, bis Jesus halb tot darniederliegt. Spätestens als Judas vor seinem Freitod seine Verzweiflung ob seiner Tat und dem Ende Jesu ansingt: „I Don’t Know How to Love Him“, bleibt kaum mehr ein Auge trocken.
Dass die Aufführung in Englisch gesungen wurde und die eingeblendeten deutschen Erklärungen kaum zu lesen waren, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Das wunderbare Singen und Spielen des Ensembles, das Bühnenbild, die Beleuchtung, die immer wieder Szenen neu unterstrich und ins rechte Licht rückte, erklärte das Geschehen von selbst.