Endlich hatte der große Coronator Markus, der Franke, ein Einsehen. Mehrfach verschoben konnte der Auftritt zum 40-jährigen Bestehen der Verbindung Polt-Well in der längst ausverkauften Big Box Allgäu stattfinden. Einträchtig sitzt, spricht und spielt das Brüdertrio Christoph, Karl und Michael neben dem Oberhaupt der bayerischen Satire: Gerhard Polt. Wer weiß, wie lange das noch gehen wird – Polt wird in wenigen Tagen 80 Jahre alt.
Ein steter Wechsel zwischen den Blöcken Polt und Well zieht sich durch diesen Musikkabarett-Abend in Kempten. Sind die Well-Brüder an der Reihe, sitzt Gerhard Polt still daneben, manchmal fast schläfrig oder in Denkerpose. Ist der Kabarettist dran, hören die Musiker zugewandt zu und werfen gelegentlich Stichwörter ein. Um Stimmung zu kreieren, hätte es aber nicht unbedingt Karls krachert-g’wamperten Bauchtanzes oder Stofferls zackigen Schuhplattlers bedurft, des röhrenden Dudelsacks oder der Drehleier auf Highspeed.
Die feinen Töne sorgen in der Big Box für Schliff und Pfiff
Gerade die feinen Töne, die geistreichen bis bissigen Passagen geben der Vorstellung Schliff und Pfiff. Einmal spielen die Well-Brüder auf Alphörnern, vor deren Öffnungen sie Schutzmasken gespannt haben. Ein Statement, das für sich steht. Im Publikum lässt so mancher und so manche maskiert Vorsicht walten. Noch scheint die neugewonnene Gesichtsfreiheit ungewohnt.

Während die Wells mit betont stubenmusikalischer Instrumentierung und feinem Dreigesang die heimatliche Idylle konterkarieren, entlarvt sich Polt in seiner Rolle stets selbst. Wie bei seinen Gedanken über den Zweibeiner: „Wenn der Mensch als Nachbar auftritt, dann wird er grenzwertig.“ Schnäuzt sich der im Garten lautstark die Nase, wird er zur Epidemie-Schleuder und vertreibt nebenbei das Federvieh in den Ästen, das Polt doch in Ruhe beobachten wollte. Hier hat der Spaß ein Loch. Eine Steilvorlage für Polt, der sich natürlich herzhaft reinsteigert und in Rage redet. Das Publikum tobt. Höhepunkt auf der Well-Seite ist sicher die Lesung aus dem Evangelium von Markus, dem Franken. Im priesterlichen Singsang mit Harfenbegleitung sezieren die Well-Brüder scharf und galgenhumoristisch aktuelle landespolitische Themen. Aus dem brennenden Sarkasmus spricht künstlerischer Schmerz.
Gerhard Polt und die Well-Brüder: Querdenken um zu verbinden
Schon lange bevor die sogenannten Querdenker auf den Plan traten, dachte die Fraktion Polt und Well quer. Nicht um zu spalten, sondern um durch Widerständigkeit zu verbinden. In ihrer Bodenständigkeit spürt man die Abneigung gegenüber der vordergründigen Idylle, die sie locker aus dem Handgelenk zerschlagen. Lösten die Bayern-Anarchos damit früher noch entrüstete Proteste aus, strömen längst die Massen. 3100 Besucher kamen in die Kemptener Big Box und jubelten dem Quartett zu.
Eingangs marschierte Rainer von Vielen und sein Gitarrenpartner Mitsch Oko alias Michael Schönmetzer auf die Bühne. In den Vortrag des Oberallgäuer Acoustic-Duos mixte von Vielen Jodler, Jauchzer und Kehlkopfgesang. Und animierte das gereifte Kabarett-Publikum gar zum Hip-Hop-Bouncen mit erhobenem Arm – um schließlich fröhlich allen Faschisten den Untergang zu prophezeien. Was für eine schlüssige Hinführung auf die Großen ihres Fachs.