Der Mord an einer Frau in einem Liniebus im Juli 2020 bei Obergünzburg erschütterte das Allgäu. Mutigen Einsatz zeigten zwei Allgäuer Alltagshelden, die nun zusammen mit anderen, vom Kuratorium Sicheres Allgäu ausgezeichnet werden.
Bild: Ralf Lienert (Archiv)
Der Mord an einer Frau in einem Liniebus im Juli 2020 bei Obergünzburg erschütterte das Allgäu. Mutigen Einsatz zeigten zwei Allgäuer Alltagshelden, die nun zusammen mit anderen, vom Kuratorium Sicheres Allgäu ausgezeichnet werden.
Bild: Ralf Lienert (Archiv)
Sie schauten hin, schlugen Alarm oder schritten ein: Neun Allgäuerinnen und Allgäuer werden am Freitag in Füssen (Kreis Ostallgäu) vom Kuratorium Sicheres Allgäu für ihr Eingreifen in Extremsituationen ausgezeichnet. „Sie sind Helden des Alltags“, sagt Markus Asbach, Präsidialbüroleiter im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West. „Mit ihrer Zivilcourage sind sie Vorbild für uns alle.“ Wegen der Corona-Pandemie konnte die Ehrung in ihrer gewohnten Form in den beiden Vorjahren nicht stattfinden. Deshalb wird nun herausragendes Engagement aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 gewürdigt. Moderator ist Uli Hagemeier, Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung. Ziel des Kuratoriums ist, den Gedanken der Solidarität und des Helfens zu fördern Übrigens: Die Menschen im Allgäu leben im Vergleich zu anderen Regionen sehr sicher. 2021 wurden die niedrigsten Fallzahlen (35.235 Straftaten) seit Gründung des Polizeipräsidiums 2008 registriert. Zugleich erreichte die Aufklärungsquote mit über 74 Prozent einen Rekordwert.
Als Arbeitskolleginnen sind sie ein eingespieltes Team. Das haben die Reinigungskräfte Sophie Reischl (29) und Aileen Schmidl (22) auch in einer brenzligen Situation bewiesen. Bei einer Autofahrt am 15. Mai 2020 in Kaufbeuren sehen sie mehrere Männer in Streit geraten. Einer schlägt plötzlich einem 54-Jährigen mit einer Holzlatte auf den Kopf. Das Opfer geht in die Knie. Ein weiterer Mann versetzt ihm Tritte gegen Kopf und Brust. Schmidl stoppt sofort das Auto. Die mutigen Frauen steigen aus und eilen dem Opfer zur Hilfe. Die Schläger stoppen die Gewalt und können später von der Polizei ermittelt werden.
Dieses Verbrechen erschüttert die Region: Am 6. Juli 2020 ersticht ein Afghane seine getrennt lebende Ehefrau in einem mit Schülern besetzten Linienbus. Am Steuer in Fahrtrichtung Obergünzburg (Kreis Ostallgäu) sitzt der damals 31-jährige Marco Deniffel. Fahrgast Alexandra Eder, damals 18, sieht wie der Täter unvermittelt auf eine Frau einsticht. Eder schreit und versucht vergeblich, den Täter vom Opfer wegzustoßen. Deniffel stoppt den Bus, ergreift den Täter und drängt ihn aus dem Bus. Somit kommen keine weitere Personen zu Schaden. Der Mann wird festgenommen und später wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Dramatische Szenen ereignen sich am 9. Mai 2021 nachmittags auf dem Öschlesee (Kreis Oberallgäu). Der Pilot einer mit vier Menschen besetzten Propellermaschine setzt zu einer Notlandung auf dem Gewässer an. Vor dem Start am Flugplatz in Durach war ihm ein Fehler unterlaufen. Bei der Landung werden alle vier Insassen verletzt, zwei davon schwer. Franz Speiser (82) ist zu diesem Zeitpunkt mit seiner Frau Karla (78) mit einem Tretboot unterwegs. Sofort steuert er die verunglückte Maschine an und beginnt mit der Rettung der im Wasser befindlichen Passagiere. Auch sein Sohn Hubert hilft dabei. Am Ufer können die Verletzten von verständigten Rettungskräften behandelt werden. Das Flugzeug sinkt. Später wird es aus der Tiefe geborgen und der Pilot zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit fünf Jahre ist er schon Lebensretter: Simon Immler entdeckte einen Brand. Am frühen Morgen des 17. Dezember 2021 fällt ihm im Badezimmer der elterlichen Wohnung in Waltenhofen (Kreis Oberallgäu) draußen ein heller Schein auf. Darauf macht er seine Mama Maritta aufmerksam. Bei genauerem Hinsehen erkennen sie, dass es sich um ein Feuer handelt. Maritta Immler verständigt ihren Mann Georg, der sofort zur Brandstelle läuft und von dort die Feuerwehr ruft. Zudem informiert sie den Eigentümer des brennenden Hauses, in dem sich ein Handwerksbetrieb, zwei Wohnungen sowie Stallungen befinden. Durch den Eigentümer werden die Mieter geweckt, die unverletzt das Haus verlassen können - genau wie fünf Pferde ihre Stallung. Die Brandursache ist nicht eindeutig ermittelt.
Mutig haben Sofie Piller (66) und ihre Tochter Christina Hagemann (39) einen Diebstahl verhindert - und die Festnahme zweier mutmaßlich Schwerkrimineller ermöglicht. Die Frauen beobachten am 13. Februar zwei Männer, die an einer Baustelle in Ruderatshofen (Kreis Ostallgäu) einen Radlader auf einen Anhänger verfrachten. Die Frauen fotografieren das verdächtige Geschehen mit dem Handy und verständigen die Polizei. Zudem sprechen sie die Männer an. Wenig später gelingt der Polizei in Tatort-Nähe die Festnahme der Diebe. Bei den Ermittlungen werden zahlreiche weitere Straftaten aufgedeckt.
Sie reagiert blitzschnell, zögerte keinen Augenblick: Am frühen Abend des 20. Juli 2020 bemerkt Tanja Pape auf ihrer Terrasse leise Hilferufe aus dem Bereich des Bodensees. Sofort eilt sie in Richtung des Sees. Dort befindet sich ihre 78-jährige Nachbarin in höchster Not. Die Seniorin hat beim Schwimmen einen Schwächeanfall erlitten und liegt in Bauchlage im Wasser. Tanja Pape gelingt es, mit weiteren ans Ufer eilenden Helfern, die Frau aus dem Wasser ziehen. Da die 78-Jährige Wasser in die Lunge angeatmet hat, liefert sie der zwischenzeitlich alarmierte Rettungsdienst in eine Klinik. Bereits wenige Tage später kann sie diese glücklicherweise wieder verlassen. Ohne die unverzügliche und beherzte Hilfe von Tanja Pape hätte ihr Schwächeanfall wohl zum Ertrinkungstod geführt.