Manchmal scheinen die einfachsten Mittel die beste Medizin zu sein. In Gaetano Donizettis komischer Oper „Der Liebestrank“ wirkt jedenfalls ein vermeintlicher Zaubersaft wahre Wunder. Dabei ist das magische Elixier nur simpler Rotwein. Der schüchterne Nemorino spricht ihm tüchtig zu und sieht – zusammen mit dem Alkoholpegel – nun seine Chancen bei der umschwärmten Adina tüchtig steigen.
Diese Schlüsselszene des Werkes veredeln die slowakische Sopranistin Simona Šaturová und der deutsche Tenor Benjamin Bruns zu einem komödiantischen Kabinettstück. Die beiden Sänger, die auf Europas großen Bühnen auftreten, waren die Solisten beim Gastspiel der Bamberger Symphoniker im mit 560 Besuchern fast ausverkauften Immenstädter Hofgarten. Anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens bot die Kulturgemeinschaft Oberallgäu bei diesem Sinfoniekonzert nicht nur hochrangige Künstler, sondern auch ein ungewöhnliches Programm auf: Es ließ auf Ludwig van Beethovens fünfte Sinfonie Ausschnitte aus Opern von Mozart, Donizetti und Verdi folgen.
Emotionen, große Gefühle bilden dabei das Bindeglied. Sie erzählen in den Arien und Duetten immer nur von einem zentralen Thema: der Liebe und ihren Facetten. Und vor allem diese Facetten ließen die Sänger und Musiker unter der Gesamtleitung von Dirigent Manfred Honeck in feinen Schattierungen schimmern.
Die wohlbekannten Stücke wirkten frisch und unverbraucht, dank der wohldurchdachten und hochsensiblen Ausgestaltung. Da regiert eben selbst in einer Szene, in der pralle Komik denkbar wäre, wie jener aus dem „Liebestrank“, nicht platter Witz, sondern genau beobachtete, psychologisch unterfütterte Feinzeichnung.
Gestützt wird solche Gestaltungskunst durch die virtuose Gesangstechnik der Solisten. Tenor Benjamin Bruns erschafft Bühnenfiguren von Format. Männer, die sensible Beobachter sind und doch ein ganzer Kerl, wie etwa Nemorino im „Liebestrank“; Männer, die zärtliche Gefühle zeigen, aber auch von stürmischer Leidenschaft mitgerissen werden, wie Alfredo in Verdis „La traviata“; Männer, die ihre Glut hinter traditionellen Formen zu verbergen wissen und doch einen Blick in ihr Herz gewähren, wie Don Ottavio in Mozarts „Don Giovanni“.
Sopranistin Simona Šaturová gelingen mit ihrer schlanken Stimme anrührende Frauenfiguren: so etwa eine langsam der Verführungskunst Don Giovannis erliegende Bäuerin Zerlina oder eine gewitzte Gutsbesitzerin Adina. Die Darstellungskunst der Sängerin gipfelt in einer fragil gezeichneten Violetta Valéry, der Titelfigur in Verdis „La traviata“, jener vom Weg abgekommenen jungen Frau, die als Kurtisane das Gesellschaftsleben in Paris auskostet, bis sie die wahre Liebe kennenlernt. Das Orchester dient in diesen Opernausschnitten nicht nur als Begleiter, sondern arbeitet detailliert die klanglichen Kostbarkeiten heraus, die die Komponisten ihrem Orchesterpart eingewoben haben.
Ein solcher mit Raffinesse abgemischter Klang hat zuvor auch die Interpretation von Beethovens fünfter Sinfonie geprägt. Natürlich beherrscht diesen Selbstfindungstrip eines Menschen, der durch die Nacht zum Licht führt, das große Gefühl, der mitreißende Ton, doch er ist eingebettet in ein vielschichtiges Gedankengebäude. In reichen Farben, in plastisch ausgestalteten Klangeffekten entwickeln es die Bamberger Symphoniker und führen das Ringen mit Erschütterung und Erregung zu einem triumphalen Ende. In ihm strahlt nicht nur Hoffnung auf, sondern es blitzt auch eine latent lauernde dämonische Kraft auf, die womöglich in jedem Menschen schlummert. Und die manchmal auch der Alkohol entfesselt.