„Grüne gewinnen kräftig“, hieß es vor etwas mehr als einem Jahr vielerorts, nachdem bei der Kommunalwahl 2020 die Stimmen ausgezählt waren. Das Ergebnis hat die Zusammensetzung von Stadträten und Kreistagen im Allgäu verändert. Doch gilt das auch für die Politik? Wird es in den Entscheidungen der Gremien tatsächlich sichtbar, dass die Umwelt-Partei jetzt mehr Einfluss hat? Ein Überblick:
Oberallgäuer Grünen geht einiges zu langsam
Ohne die Grünen geht nicht mehr viel im Oberallgäuer Kreistag. Mit 14 von 70 Sitzen ist aus der langjährigen reinen Oppositionspartei eine Machtoption für Landrätin Indra Baier-Müller geworden. Ihre Freien Wähler halten 16 Sitze. Will die 2020 neu gewählte Kreischefin vorbei an der stärksten Fraktion, der CSU mit 24 Sitzen, Allianzen schmieden, kommen als Partner fast nur die Grünen infrage. Doch die blieben in den ersten Monaten ganz Oppositionspartei und versuchten die Landrätin beispielsweise zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos zu bewegen, was diese mit dem Verweis auf fehlende Zuständigkeiten abschmetterte. Auch die Verkehrs- und Klimaschutzpolitik der Kreischefin geht den Grünen zu langsam.
Auf Zusammenarbeit setzt die dritte Kraft im Kreistag bei der Besucherlenkung: Der gemeinsame Antrag von Grünen und Freien Wählern für eine engere Zusammenarbeit von Naturpark Nagelfluhkette und Zentrum Naturlerlebnis Alpin wurde im Kreistag angenommen. Keine Einigkeit herrscht weiter beim umstrittenen Grünten-Projekt, das die Grünen gerne im Kreistag beraten würden. Das lehnt die Landrätin weiter ab: Das Gremium sei nicht zuständig. Also versuchen die Grünen sich mit Öffentlichkeitsarbeit und Protestaktionen Gehör zu verschaffen – ganz im Stile eine Oppositionspartei.
"Umweltspur" in Kempten
Mit acht Mitgliedern sind die Grünen auch im Kemptener Stadtrat seit vergangenem Mai so stark wie noch nie. Aber nicht nur das: Aufgrund ihrer Allianz mit Freien Wählern-ÜP, SPD und FDP gehören sie nun auch zur Mehrheit in dem 44-köpfigen Gremium. Eine neue Erfahrung für den Fraktionsvorsitzenden Thomas Hartmann: Vorstöße der Grünen seien in der Vergangenheit per se abgelehnt worden, sagt er. Nun bestimmt die Partei die Kemptener Stadtpolitik mit – und setzte bereits Vorhaben um, mit denen sie bislang nicht vorwärtsgekommen war.
Hartmann nennt als Beispiel die Baumschutzverordnung, die mittlerweile beschlossene Sache ist. „Damit sind wir immer wieder gegen die Wand gefahren“, erinnert er sich an mehrere Versuche. Auch eine „Umweltspur“ nahe des Bahnhofs für Radler und Busse sei stets an den Stadträten gescheitert, die bis zu dieser Legislaturperiode die Mehrheit inne hatten – CSU und Freie Wähler. „Wir haben jetzt neue Gestaltungsmöglichkeit“, sagt Hartmann. „Das funktioniert aber nur in einem engen Abstimmungsprozess mit den Freien Wählern sowie der SPD und FDP.“ Natürlich müsse man da auch Kompromisse machen. Aber am „Kernbereich“ Klimaschutz blieben die Kemptener Grünen dran: „Alles andere ist hinfällig, wenn wir hier nachgeben.“
Kreis Lindau schließt sich dem Bündnis "Klimaneutrales Allgäu" an
Von neun auf 13 Mitglieder gewachsen ist die Fraktion der Grünen/Bunte Liste im Lindauer Kreistag nach der Kommunalwahl im vergangenen Frühjahr. Die Gruppierung ist damit zweitstärkste Kraft in dem 60-köpfigen Gremium. Sie stellt mit Max Strauß auch einen Stellvertreter des Landrates. Allerdings kommen dem Amt fast ausschließlich repräsentative Aufgaben zu.
Die großen politischen Themen sind im Lindauer Kreistag unumstritten: Dazu gehören Investitionen in Bildung, Soziales, der Schuldenabbau und seit wenigen Jahren auch der Klimaschutz und der Öffentliche Nahverkehr. Dabei geht es den Grünen allerdings zu langsam. Weil ihr Antrag, mehr Geld in Bushäuschen zu investieren, keine Mehrheit fand, hätten sie fast den Haushalt abgelehnt. Erfolg haben die Grünen aber immer wieder mit anderen Ideen. Zuletzt hat der Energie- und Umweltausschuss auf Antrag der Grünen Kyra Funk beschlossen, dass sich der Landkreis Lindau dem Bündnis „Klimaneutrales Allgäu“ anschließt.
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