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Allgäuer Experten: Hat unsere Gesellschaft verlernt zu diskutieren?

Soziale Medien

Kann unsere Gesellschaft noch diskutieren? Allgäuer Experten analysieren

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    Diskutieren ist Teil der Gesellschaft und findet nahezu überall statt – wie auf unserem Bild in einem Café. Schon kleine Kinder müssen lernen, mit ihren Eltern zu diskutieren, um ihr Ziel zu erreichen. Die Sozialen Medien haben unsere Diskussionskultur allerdings zunehmend verändert.
    Diskutieren ist Teil der Gesellschaft und findet nahezu überall statt – wie auf unserem Bild in einem Café. Schon kleine Kinder müssen lernen, mit ihren Eltern zu diskutieren, um ihr Ziel zu erreichen. Die Sozialen Medien haben unsere Diskussionskultur allerdings zunehmend verändert. Foto: Julia Geppert (Symbolbild)

    Es ist 22.45 Uhr. Im ZDF diskutiert Markus Lanz mit Experten zur Links-Partei, während bei einer Geburtstagsfeier über vegane Ernährung gestritten wird. Parallel dazu wird ein Kommunalpolitiker in den Sozialen Medien in hunderten Kommentaren für seine Äußerung in der lokalen Berichterstattung kritisiert. Fiktive Beispiele, die zeigen: Überall wird diskutiert: täglich, stundenlang. „Es gibt kaum Bereiche, über die in der Gesellschaft nicht diskutiert wird“, sagt Professor Peter Nick von der Hochschule Kempten. Und: „Wir werden heute mit Meinungen zugeballert“, sagt seine Kollegin Professorin Katrin Winkler. Haben wir etwa verlernt, zu diskutieren?

    Talkshows

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    • Ja, sagen die einen. Zu ihnen gehört Professorin Winkler. Sie sagt: „Das ist ein massives Problem.“ Zum einen falle es uns heute schwerer, „tatsächlich zuzuhören, um zu verstehen“. Permanent können wir durch verschiedeneste Kanäle abgelenkt werden, erläutert Winkler, die das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft leitet. Darunter leide die Aufmerksamkeitsspanne massiv. „Dass erschwert jede Art von Diskussion und Dialog.“ Es werde zugehört, um zu antworten und nicht um zu verstehen. Gleichzeitig haben Social Media Kanäle dazu geführt, dass Meinungen von einzelnen Personen schnell in den Fokus vieler Menschen geraten. Aber: „Andere Meinungen, entgegen dem Mainstream, bringen keine Likes.“ Nur oftmals viele Reaktionen der Gegenseite. Viele Menschen tendieren zudem dazu, Themen aus dem Weg zu gehen, wenn sie zu Konflikten führen könnten, erklärt Winkler. Sie scheuen also die Auseinandersetzung und stimmen deshalb dem Gegenüber eher zu. Dazu komme, dass das eigenständige Denken schon früh eingeschränkt werde. „Wir werden schon in der Schule dazu getrimmt, ’konform’ zu denken.“ Beispiel: Wie muss ich handeln, um eine gute Note zu bekommen?
    • Gegenwind aushalten musste während der Pandemie der Unterallgäuer Landrat Alex Eder (Freie Wähler), als er sich teils kritisch zu den Vorgaben der Regierung äußerte. In dieser Zeit habe er gemerkt, „wie hart es ist, einen Standpunkt zu vertreten, der gesellschaftlich, oder zumindest medial gerade nicht mehrheitsfähig ist“, sagt er. Zwar wisse man heute, dass einige Kritikpunkte gerechtfertigt waren. Daraus gelernt habe die Gesellschaft wenig, sagt Eder. „Es laufen nach wie vor oft die gleichen Mechanismen ab.“ Gerade politisch handelnde Personen würden „einen Sturm der Entrüstung“ ernten, wenn sie von einer etablierten Meinung abweichen, sagt Eder.
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    • Nein, wir diskutieren nach wie vor gut miteinander, sagen andere, Professor Peter Nick beispielsweise. Allein die Talkshows zu allen möglichen Themen, an denen offensichtlich Interesse bestehe, seien ein Beispiel für eine gelebte Diskussionskultur. Nick lehrt an der Fakultät Soziales und Gesundheit. Er ist weniger pessimistisch und sagt: „Wir haben auch gar keine andere Wahl.“ Denn eine „Nicht-Beteiligung in unserer demokratischen Gesellschaft ist keine Option“. Wir müssen also diskutieren, betont Nick. Die vielen Möglichkeiten, die es heute gibt, an Informationen zu kommen, hält der Professor zwar für herausfordernd – aber auch für eine Chance. Natürlich sei es heute „nicht immer einfach, den Wahrheitsgehalt einer Aussage als solche festzustellen. Aber Fake News können entlarvt werden“. Zur Frage, ob die heutigen Jugendlichen diskutieren können, sagt Nick: „Ja, das ist offensichtlich.“ Sie hätten oft eine hohe Kompetenz, sich ausreichend fachkundig zu machen. Fest stehe: „Diskutieren ist ein Lernprozess.“
    • Einig sind sich die Professoren, dass eine kontroverse Diskussion nur gelingen kann, wenn sie fair und auf Augenhöhe stattfindet. Bildung ist dabei der Schlüssel für eine gute Diskussionsgrundlage – und unabdingbar für die Demokratie, erklärt Nick. Bildung müsse sich aber auch ändern, sagt Winkler. „Dass konstruktives und eigenständiges Denken in der Bildung zu kurz kommt, ist seit Jahren Thema.“ Es brauche eine positive Konfliktkultur. Sowohl im privaten Umfeld als auch im Unternehmen sollten unterschiedliche Meinungen als Bereicherung anstatt als Bedrohung begriffen werden, sagt Winkler. Alex Eder hofft, dass unterschiedliche Meinungen wieder mehr respektiert werden. Nur mit der Suche nach den besten Lösungen könne sich die Gesellschaft weiterentwickeln.
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