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Heimische Tier- und Pflanzenarten reagieren auf den Klimawandel

Klimawandel im Allgäu

Bodensee statt Afrika: Klimawandel wirkt sich auf heimische Tier- und Pflanzenarten aus

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    Nicht mehr alle Störche ziehen aus dem Allgäu nach Afrika. Das hat mit dem Klimawandel zu tun.
    Nicht mehr alle Störche ziehen aus dem Allgäu nach Afrika. Das hat mit dem Klimawandel zu tun. Foto: Ralf Lienert

    Während in der Nacht auf Freitag in den Allgäuer Bergen zum Teil Schnee gefallen ist, war der Oktober in der Region überdurchschnittlich warm. Temperaturen von mehr als 20 Grad waren keine Seltenheit. Und auch in Zukunft werden die eigentlich kalten Monate im Herbst und Winter wohl milder werden. Das hat Auswirkungen auf Flora und Fauna.

    Tierwelt

    „Was des einen Freud ist, ist des anderen Leid“, fasst Diplom-Biologe Henning Werth vom „Alpinium“ die Situation zusammen. Ab einer Temperatur von plus vier Grad wachse beispielsweise Gras. Das sei heuer – ungewöhnlich für die Jahreszeit – in den Hochlagen auch noch Ende Oktober der Fall gewesen. Tiere wie Gämse fänden somit dort oben mehr zu fressen. Igel dagegen würden im Herbst eigentlich bereits Winterschlaf halten. Bei milden Temperaturen wachen sie laut Werth aber immer wieder auf: „Das kostet sie viel Energie.“ Schneehasen, Hermeline und Alpenschneehühner haben im Winter das Nachsehen, wenn kaum Schnee liegt. Sie werden zu dieser Jahreszeit hin weiß, um sich zu tarnen. „Fehlt Schnee, sind sie für Fressfeinde gut sichtbar.“ Sollte es künftig generell weniger schneien, hätte das auch weitere Auswirkungen auf die Tierwelt. Unter anderem Steinböcke würden dann seltener Lawinen zum Opfer fallen. Das sei allerdings nachteilig für Tiere wie Steinadler, die Kadaver fressen. „Das System ist komplex“, sagt Henning Werth. Wie sich das Klima langfristig auf die Population der unterschiedlichen Arten auswirke, müsse sich aber erst noch zeigen.

    Vögel

    Auch für Vögel hat der Klimawandel gute und schlechte Auswirkungen. Leo Rasch, Vorsitzender der Kreisgruppe Unterallgäu-Memmingen des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV), sagt: „Wir stellen fest, dass seit den 1980er Jahren Zugvögel früher kommen und später wegfliegen“. Störche zögen inzwischen manchmal gar nicht mehr nach Afrika, sondern nur für ein paar Wochen an den Bodensee oder ins Elsass. „Die Störche, die hierbleiben, können ihre Nester besetzt lassen und haben dadurch einen Vorteil“, sagt Rasch. Wird es dann aber nochmals richtig kalt, bestehe die Gefahr, dass sie keine Nahrung mehr finden. Insgesamt sei das Geschehen gerade sehr dynamisch: „Es gibt Arten, wie beispielsweise Rostgänse, die vom Klimawandel profitieren, weil sie sich aus dem Süden weiter ausbreiten.“ Gleichzeitig verdrängten sie dadurch aber heimische Vögel. Zudem gebe es Arten, die sich generell schlecht anpassen könnten – zum Beispiel eben das Alpenschneehuhn, dem die weiße Farbe ohne Schnee zum Verhängnis werden könnte.

    Wald

    „Grundsätzlich freut sich die Vegetation, wenn es längere warme Phasen mit Niederschlägen gibt, diesbezüglich ist das Allgäu eine Oase“, sagt der Oberallgäuer Förster Andreas Fisel, der für das Revier Blaichach und Gunzesried sowie die Hörnergruppe zuständig ist. Die jungen Bäume hätten heuer lange Triebe bekommen, das tue dem Wald gut. Die heimischen Arten wie Fichten, Tannen und Buchen kämen mit dem Klimawandel zurecht – wenn sie genug Licht bekämen und nicht von Wildtieren verbissen werden. „Da müssen Waldbesitzer und Jäger an einem Strang ziehen“, sagt Fisel. Ein Problem werden könnte der Borkenkäfer, dessen „Wohlfühlbereich“ bei 16 Grad beginne. Auf lange Sicht könnte er jährlich mehr Generationen als bisher entwickeln. Zudem würden „unkontrollierbare Schadensereignisse“ wie Starkregen und Stürme langsam zum Normalfall.

    Obstanbau

    „Ich finde, dass die Äpfel durch das wärmere Wetter besser schmecken“, sagt Martin Nüberlin, der am Bodensee Äpfel, Birnen, Kirschen und Erdbeeren anbaut. „Wir hatten dieses Jahr eine hervorragende Ernte.“ Der Klimawandel habe für ihn sowohl positive als auch negative Aspekte. Gut sei, dass die Äpfel durch das wärmere Wetter früher reif würden und er sein Obst genauso früh anbieten könne wie Konkurrenten aus Italien. Außerdem kann er Sorten anbauen, die hier früher nicht so gut wuchsen, wie beispielsweise den Braeburn- oder den Fujiapfel. Auf der anderen Seite machen Starkregen und neue Schädlinge dem Lindauer Obstbauern zu schaffen. Wegen des Feuerbrands, einer Bakterienkrankheit, die Äpfel und Birnen befällt, musste er in den vergangenen Jahren bereits mehrere Bäume roden. Schädlinge, die es früher nur in südlicheren Gebieten gab, breiten sich laut Martin Nüberlin nun auch in unserer Region aus.

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