Es passiert immer wieder: Trotz Hitze lassen Menschen Babys oder Hunde im verschlossenen Auto zurück. Die steigenden Temperaturen im Fahrzeug können schnell lebensgefährlich werden. Immer wieder fassen sich Passanten in einem solchen Fall ein Herz, schlagen die Scheibe ein und retten das Kind oder den Hund aus dem Wagen. Doch ist das erlaubt? Wie verhält man sich als Außenstehender richtig?
Gleich zwei Mal mussten in der vergangenen Woche in Bayern bei Außentemperaturen von über 30 Grad Kinder aus völlig überhitzten Autos gerettet werden. So ließ ein Vater sein drei Monate altes Kind auf einem Parkplatz Vöhringen zurück. Zeugen hörten Kinderschreie aus dem Auto und alarmierten die Polizei. Die Beamten schlugen eine Scheibe ein und befreiten das Kind.
Kurz darauf bemerkte ein Passant in Friedberg ein
. Das hintere rechte Fenster war zwar etwa 1,5 Zentimeter weit geöffnet. Doch der kleine Junge schrie und hatte einen hochroten Kopf. Zudem hatte er sich übergeben. Die Außentemperatur betrug bei 33 Grad. Der Passant ließ das Kennzeichen im Schuhgeschäft ausrufen. Als er versuchte, die Scheibe einzuschlagen, kehrte die Mutter zurück.Baby bei Hitze im Auto zurückgelassen: Wie gehen Außenstehende richtig vor?
Genau so wie die Passanten in den beiden Fällen sollten Außenstehende reagieren, sagt Polizeisprecher Holger Stabik. Bevor Ersthelfer sich an den Scheiben zu schaffen machen, müssen sie versuchen die Eltern, Betreuer oder Besitzerinnen ausfindig zu machen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten: Passanten können in der Nähe herumfragen oder das Kennzeichen ausrufen lassen. Auch Werbung auf dem Auto oder Zettel im Auto können Auskunft über den Besitzer geben, sagt Stabik. Ist dieser nicht auffindbar, sollten Helfer als nächstes Polizei oder Feuerwehr alarmieren. "Diese sind meist schnell vor Ort und kommen mit dem entsprechenden Equipment, um das Fahrzeug zu öffnen", sagt der Polizeisprecher.
Lesen Sie auch: Mann geht in Mittenwald wandern - sein Hund stirbt im heißen Auto
Erst wenn Eltern oder Besitzer nicht auftauchen und direkte Gefahr droht, bis Polizei und Rettungskräfte eintreffen, sollten Helfer das Kind oder den Hund selbst befreien. Denn das Auto aufzubrechen oder die Autoscheibe einzuschlagen, fällt grundsätzlich unter Sachbeschädigung, sagt Stabik. Nur in absoluten Notsituationen gibt es Ausnahmen: Ist das Kind oder das Tier in einer Notlage und gibt es keine andere Möglichkeit, als direkt selbst einzugreifen, handelt man nicht rechtswidrig.
Hitze 2022: Wann ist es gerechtfertigt, eine Autoscheibe einzuschlagen, um ein Kind zu retten?
"Das ist aber die große Frage", sagt Stabik. "Man kann nicht pauschal sagen, wann es gerechtfertigt ist, eine Scheibe einzuschlagen und das Kind herauszuholen." Ein wichtiger Faktor ist laut dem Polizeisprecher die Zeit: Je länger das Kind oder der Hund in dem überhitzten Auto ist, desto kritischer wird es. Denn als Faustregel gilt: Bei direkter Sonneneinstrahlung steigt die Temperatur im Inneren eines Autos pro Minute um ein Grad. Bei Außentemperaturen von 30 Grad sind also Werte von 60 Grad und mehr schnell erreicht.

Aber selbst im Ernstfall ist es nicht garantiert, dass eine eingeschlagene Scheibe die Rettung für das Kind oder das Tier im Auto ist. Die Zentralverriegelung des Autos kann verhindern, dass sich die Türe öffnen lässt. Und das kleine Loch im Fenster reicht oft nicht aus, um das Baby herauszuholen oder genügend kühle Luft ins Fahrzeuginnere zu bringen. Zudem sind die Scherben der zersplitterten Autoscheibe eine Gefahr.
Mit Tipps wie man eine Autoscheibe möglichst ohne sich selbst zu verletzten einschlägt, hält der Polizeisprecher sich bedeckt. Schließlich wolle er potentiellen "Autoknackern" keine Ratschläge geben. "So einfach wie in Filmen ist es auf jeden Fall nicht." Mit bloßen Händen, eingewickelt in ein Handtuch kann kein Autofenster eingeschlagen werden. Am besten geeignet sind dafür vorgesehene Geräte. Zum Beispiel ein Nothammer.
Lesen Sie auch: Hitze macht Fischen in Flüssen und Bächen in Bayern zu schaffen
Rettungsaktion kann juristische Konsequenzen haben
Stabik rät, ruhig zu bleiben und nicht übereifrig ein Autofenster zu zertrümmern. Menschen, die entscheiden müssen, ob sie die Scheibe einschlagen, um ein Baby oder ein Tier zu retten, sollten die Situation dokumentieren und Uhrzeiten, Kennzeichen, Automarke und -farbe zu notieren. Außerdem sollten sie Zeuginnen und Zeugen hinzuziehen, die ihre Einschätzung zum Ernst der Lage abgeben. Von Fotos und Videos rät Stabik ab. Dabei könnten die Persönlichkeitsrechte des Kindes verletzt werden.
Eine Autoscheibe einzuschlagen, um ein Baby oder einen Hund zu retten kann juristische Konsequenzen haben. "Das sollte zwar niemanden von einer Rettung abhalten, aber im Hinterkopf sein", sagt Stabik. Wenn ein Notarzt die Situation im Nachhinein als nicht so ernst wie anfangs angenommen einschätzt, kann es passieren, dass der Retter für die zertrümmerte Scheibe aufkommen muss.
Lesen Sie auch: Allgäuer Arzt erklärt: So schnell droht Babys der Hitzetod im Auto