„Angenehme Tiere mit einer tollen Ausstrahlung“

Die bringt nichts so leicht aus der Ruhe: Auf Wanderschaft mit Alpakas im Oberallgäu

Anna Katharina Übelhör (links) führt seit 2013 einen Alpaka-Hof im Oberallgäu und hat unsere Praktikantin Klara Scherholz mit auf einen Alpaka-Spaziergang genommen.

Anna Katharina Übelhör (links) führt seit 2013 einen Alpaka-Hof im Oberallgäu und hat unsere Praktikantin Klara Scherholz mit auf einen Alpaka-Spaziergang genommen.

Bild: Linda Leinecker

Anna Katharina Übelhör (links) führt seit 2013 einen Alpaka-Hof im Oberallgäu und hat unsere Praktikantin Klara Scherholz mit auf einen Alpaka-Spaziergang genommen.

Bild: Linda Leinecker

Unsere Autorin aus der Großstadt hat das Experiment gewagt und eine Alpaka-Wanderung durch die Allgäuer Landschaft gemacht. Was sie dabei gelernt hat.
23.05.2022 | Stand: 18:17 Uhr

Pepes Maul öffnet und schließt sich genüsslich. Seine großen schwarzen Augen schauen ruhig in der Gegend umher. Er steht in der Allgäuer Landschaft, um ihn herum satte grüne Wiesen mit Löwenzahn und Butterblumen. Er schaut sich um, dann nimmt er noch einen Bissen des saftigen grünen Grases und kaut gemächlich darauf. Er strahlt eine Gelassenheit aus, die auch auf seine Umgebung abfärbt. Es scheint, als bringe ihn nichts so leicht aus der Ruhe.

Alpaka-Hof im Oberallgäu: Spaziergänge und tiergestützte Förderung

Pepe ist eines von 16 Alpakas, die Anna Katharina Übelhör mit ihrer Familie auf einem Hof im Oberallgäu hält. Seit 2013 haben sie nun schon die Tiere, die sich vor allem in den letzten Jahren einer steigenden Beliebtheit erfreuen. Neben einem kleinen Stall haben die Alpakas von Familie Übelhör ein über 1000 Quadratmeter großes Außengehege. In der Herde gibt es Wallache, Hengste und Stuten.

„Alpakas sind wahnsinnig angenehme Tiere mit einer tollen Ausstrahlung“, erklärt Anna Katharina Übelhör. Daneben seien sie die meiste Zeit sehr ruhig, sauber und aus ihrer Wolle ließen sich tolle Produkte herstellen. Alles Gründe für Übelhör, sich vor knapp neun Jahren für die Haltung von Alpakas zu entscheiden. Die Expertin bietet außerdem tiergestützte Förderungen und die momentan stark nachgefragten Alpaka-Wanderungen an. Warum die Wanderungen in den letzten Jahren so beliebt geworden sind, lässt sich nicht an einem Grund festmachen. Aber die Tatsache, dass Alpakas von vielen als besonders süß und „flauschig“ wahrgenommen werden sowie der Drang nach Aktivität im Freien während der Corona-Pandemie spielen sicherlich eine Rolle.

Alpakas im Algäu: Ruhe und Entschleunigung

Auch Pepe nimmt regelmäßig an solchen Wanderungen teil. Dabei geht es etwa eine Stunde lang über kleine Wege, Wiesen und Straßen. Das Alpaka hat dabei sein ganz eigenes Tempo. Ab und zu bleibt Pepe stehen, manchmal, weil er gerne etwas fressen will, manchmal weil ihn etwas abgelenkt hat – vielleicht eine der Alpaka-Stuten, vielleicht auch nur ein Strich auf der Straße. Auch wenn es der Mensch ist, der ihn an der Leine führt: Die Vorgaben macht hier Pepe. Und das ist für alle ein Vorteil. Denn durch die Ruhe, das langsame Gehen und die Pausen fühlt man sich schnell entspannt.

Und wenn es doch einmal weitergehen muss, lässt sich Pepe ohne Murren zum Weitergehen überreden - entweder mit Worten und wenn das nicht hilft, mit einem leichten Ziehen an der Leine. Seine Hufe verursachen sogar auf Asphalt so gut wie keine Geräusche, wodurch die Möglichkeit entsteht, die Natur um sich herum noch intensiver wahrzunehmen. Die ausgestrahlte Ruhe und die entspannte Art der Tiere sind einige der Gründe, warum sich Alpakas auch für die tiergestützte Förderung eignen.

Alpakas bieten Hilfe für traumatisierte Menschen

Der entscheidende Faktor für diese Art der Förderung mit Alpakas ist laut Anna Katharina Übelhör die Tatsache, dass Alpakas „Distanztiere“ und eben keine Kuscheltiere sind. Sie halten zunächst einmal Abstand, schnüffeln nicht und mögen es auch nicht, in der Herde von anderen angerempelt zu werden. Auch Pepe bleibt beim Spaziergang immer ein wenig auf Abstand und weicht beim Näherkommen erstmal zurück. Das heißt nicht, dass man Alpakas nicht anfassen darf, aber man muss sich die Nähe zu ihnen gewissermaßen erarbeiten.

Und hier liegt auch eines der Grundkonzepte der tiergestützten Förderung. „Es gibt eine große Zielgruppe, für die Alpakas bei der Förderung super geeignet sind“, erklärt die 34-jährige Übelhör. „Das sind Menschen, die nicht gerne berührt werden möchten. Beispielsweise, weil sie ein Trauma erlebt haben oder Menschen mit Autismus oder ADHS.“

Ausbildung speziell für Förderung mit Alpakas und Lamas

Da Anna Katharina Übelhör ausgebildete Kindheitspädagogin ist, bietet sie ihre Förderung vor allem für Kinder und Jugendliche an. Diese Art der Unterstützung wird übrigens nicht „Therapie“ genannt, weil dieser Begriff in Deutschland geschützt ist und nur von Menschen mit einer therapeutischen Ausbildung genutzt werden darf - dazu gehören zum Beispiel Kinder- und Jugendtherapeuten, Ergotherapeuten oder Physiotherapeuten. Übelhör bietet daher tiergestützte Förderung und Pädagogik an.

Damit sie das darf, hat sie unter anderem eine zweieinhalbjährige Weiterbildung absolviert, die sogenannte "Animal Assisted Therapy with Llamas and Alpacas" (AATLA), in der sie tiergestützte Fördermaßnahmen, tiergestützte Pädagogik und tiergestützte Therapie mit landwirtschaftlichen Nutztieren (eben besonders Lamas und Alpakas) gelernt hat. Eine solche Förderung dauert meist zwischen fünf und zehn Sitzungen und wird individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt. Neben Spaziergängen können auch einfache Beobachtungen oder das Durchlaufen eines kleinen Parcours Teil der Förderung sein.

Alpakas: Mehr als ein „Plüschtier“

Wenn man ein Alpaka wie Pepe einmal streicheln darf, spürt man, wie dick seine Wolle ist. Es fühlt sich ein bisschen an wie Schafswolle, aber noch fester. Aus dieser Wolle können verschiedene Produkte hergestellt werden. Dazu zählen zum Beispiel Sitzkissen, Wärmflaschenbezüge oder Bankauflagen. „Wenn die Alpakas geschoren sind, erkennen sie sich sogar untereinander zuerst nicht wieder“, erzählt Anna Katharina Übelhör. Das kann man sich leicht vorstellen, wenn man sieht, wie dünn ein Alpaka ohne seine Wolle ist.

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Alpaka-Hof im Oberallgäu: Artgerechte Haltung steht an erster Stelle

Alpakas im Allgäu: Auch wenn die süßen Vierbeiner viele Vorteile haben, will Anna Katharina Übelhör dennoch klarstellen, dass die Haltung der Tiere nicht unbedingt einfach ist. „Mir fällt auf, dass in letzter Zeit viele Leute Alpakas halten, die eigentlich keine Ahnung davon haben“, sagt die 34-Jährige. „Es würde manchen gut tun, wenn sie sich besser informieren würden.“ Zu Beginn sei es mehr ein „Exoten-Ding“ gewesen, Alpakas zu besitzen, doch mittlerweile habe sich das verändert. Grundsätzlich findet sie das auch in Ordnung, solange das Tierwohl an erster Stelle steht.

Das sollte man zur Haltung von Alpakas wissen

Dazu gehört zum Beispiel ein mindestens 1000 Quadratmeter großer Auslauf, das Halten von mindestens zwei Tieren oder der Schutz von Jungtieren. Mit diesen sollte nach der Geburt und in der ersten Zeit laut Übelhör möglichst wenig gemacht werden, da die Tiere ansonsten fehlgeprägt würden. Das habe zur Folge, dass „die Tiere, wenn sie geschlechtsreif sind, den Menschen als Artgenossen und als Rivalen ansehen, ihn umrennen oder anspucken könnten“, so Übelhör.

Die artgerechte Haltung spielt auch bei den Spaziergängen eine Rolle, da sich die Frage aufdrängt: Gehen Tiere, deren Verhalten im Grunde auf Distanz ausgelegt ist, überhaupt gerne mit fremden Menschen spazieren? Anna Katharina Übelhör sieht darin kein Problem, solange es nicht zu viel wird. Bei ihr werden an maximal drei Tagen pro Woche Spaziergänge angeboten, die jeweils nicht länger als eine Stunde gehen. „Dann ist das eher eine gefundene Abwechslung für die Tiere, wenn sie mal etwas anderes sehen und mit anderen Leuten zusammen sind,“ sagt Übelhör.

Anna Katharina Übelhör bietet an maximal drei Tagen pro Woche Alpaka-Spaziergänge mit Pepe und seinen Artgenossen im Oberallgäu an, die nicht länger als eine Stunde gehen.
Anna Katharina Übelhör bietet an maximal drei Tagen pro Woche Alpaka-Spaziergänge mit Pepe und seinen Artgenossen im Oberallgäu an, die nicht länger als eine Stunde gehen.
Bild: Linda Leinecker

Alpaka-Wanderung im Allgäu als Auszeit vom Stress

Nach der Wanderung mit einem Alpaka wie Pepe und der Unterhaltung mit Anna Katharina Übelhör sind vor allem zwei Dinge klar: Alpakas haben eine beruhigende Ausstrahlung, die sie für bestimmte Menschen zum geeigneten „Therapie-Tier“ macht. Und Alpakas haben viele Vorteile in der Haltung, doch es gibt auch viel zu beachten.

Einem Stadtmenschen, der die Hektik und das Leben zwischen Asphalt und tausenden Menschen gewöhnt ist, bietet die Wanderung mit einem Alpaka die Möglichkeit, die Natur und den Umgang mit dem Tier intensiv zu erleben und sich eine Auszeit vom Stress zu gönnen. Da bleibt man gerne einfach mal ein paar Minuten stehen, genießt die Landschaft und schaut Pepe beim genüsslichen Kauen zu.

Drei Fakten über Alpakas:

  • Alpakas stammen ursprünglich aus den südamerikanischen Anden und gehören zur Familie der Kamele.

  • Alpakas sind soziale Tiere und sollten daher nie alleine gehalten werden.

  • Wie auch Lamas können Alpakas spucken. Das tun sie aber eigentlich nur innerhalb der eigenen Herde. Menschen spucken sie nur an, wenn man sie reizt oder ihnen Futter gibt und sie von hinten deshalb von ihren Artgenossen gedrängt werden.

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