Starpianist im Interview

Fabian Müller leitet eigenes Orchester: "Das Schönste, was es auf der Welt gibt"

„Als Dirigent hat man einen Job, bei dem man sich nackt fühlt“: Pianist Fabian Müller hat ein eigenes Orchester gegründet, mit dem er sich zum Abschluss des Oberstdorfer Musiksommers am Sonntag vorstellt.

„Als Dirigent hat man einen Job, bei dem man sich nackt fühlt“: Pianist Fabian Müller hat ein eigenes Orchester gegründet, mit dem er sich zum Abschluss des Oberstdorfer Musiksommers am Sonntag vorstellt.

Bild: Neda Navaee

„Als Dirigent hat man einen Job, bei dem man sich nackt fühlt“: Pianist Fabian Müller hat ein eigenes Orchester gegründet, mit dem er sich zum Abschluss des Oberstdorfer Musiksommers am Sonntag vorstellt.

Bild: Neda Navaee

Pianist Fabian Müller kommt mit seinem neu gegründeten eigenen Orchester zum Oberstdorfer Musiksommer. Dort bietet er ein Programm, das Grenzen überschreitet.
11.08.2023 | Stand: 17:06 Uhr

Fabian Müller gehört zu den bemerkenswertesten Pianisten seiner Generation. Mit der Gründung seines eigenen Orchesters übernahm er jetzt auch den Dirigentenstab. Wir sprachen mit dem 32-Jährigen über „The Trinity Sinfonia“ und den Auftritt am Sonntag beim Oberstdorfer Musiksommer.

Sie konzertieren eher auf großen Bühnen. Was reizt Sie an einem Auftritt beim Oberstdorfer Musiksommer?

Fabian Müller: Oberstdorf ist ein unglaublich schöner Ort, den ich in wunderbarer Erinnerung habe. Ich bin schon einmal eingesprungen als kleiner Überraschungsbesuch und habe mit Antje Weithaas und Maximilian Hornung ein Klaviertrio gebildet. Damals war ich genauso glücklich wie der Veranstalter. Bei dem Festival herrscht eine mindestens genauso tolle Stimmung, wie in der Elbphilharmonie und es geht schließlich um das, was in der Luft schwebt.

Und heuer darf das Allgäuer Publikum bei Ihrem Auftritt eine Premiere erleben?

Müller: Sozusagen. Das Konzert beim Oberstdorfer Musiksommer ist einer unserer ersten Auftritte. Ich habe „The Trinity Sinfonia“ erst heuer gegründet. Das wird das größte Abenteuer meiner beruflichen Laufbahn, aber ich bin mir sicher, dass es schön wird.

Man könnte also sagen, dass es Ihr Baby ist?

Müller: Ja, das ist ein total guter Begriff, denn Babys machen auch Arbeit und das Maß an organisatorischer Arbeit und an Planung, die dahintersteckt, ist enorm. Ich habe zwar Helfer, mache aber vieles selber. Jetzt steht die Geburt an und weckt bei mir eine Mischung aus Vorfreude und Anspannung.

Gerade im Hinblick auf den organisatorischen Aufwand stellt sich die Frage, ob Sie diesen Schritt nicht schon bereuen.

Müller (lacht): Gut, so ein bis zwei Mal nachts habe ich mir schon die Frage gestellt, was ich mir da zugemutet habe. Die Vorbereitung auf die Musik ist aber ein solcher Spaß für mich, der den Aufwand tausendmal wert ist.

Was hat Sie denn dazu bewogen, ein eigenes Orchester zu gründen?

Müller: Das ist ein Traum, den ich schon seit Längerem habe und der mir lange Zeit zu wild erschienen ist, dass ich den Versuch gewagt hätte, ihn zu verwirklichen.

Dann haben Sie es aber doch getan.

Müller: Ich habe Freunde von mir gefragt und so viel positive Rückmeldung bekommen, dass aus meinem Traum Realität geworden ist. Jeder Tag mit dem Ensemble ist kostbar, denn die Leute, die „The Trinity Sinfonia“ angehören, sind fast zu gut für ein Orchester, daher bin ich jeden Tag dankbar. Es ist genauso spannend wie ein All-Star-Team von Real Madrid. Es sind alles Stars der jungen Instrumentalisten-Szene, aber ob man als Team die Meisterschaft gewinnt, ist fraglich.

Gab es denn einen Auslöser für diesen Traum vom eigenen Orchester?

Müller: Ich dirigiere schon immer, aber das ist wie eine Affäre neben dem Klavier – eine verbotene Liebe. Jetzt wird die Arbeit mit Musikern in einem Orchester das Wesentliche für mich. „The Trinity Sinfonia“ wird über Jahre hinweg das wichtigste Projekt für mich sein. Ich fühle mich am Start, aber zuhause. Es ist ein unglaubliches Gefühl, genau das machen zu können, was ich will.

Beschreiben Sie mir doch bitte Ihr Orchester.

Müller: Für das erste Projekt sind es dreißig Musiker, mit denen wir ein reines Mozart-Programm darbieten. Nächstes Jahr wollen wir uns noch vergrößern. Für den Start sind dreißig eine Menge, aber mit Mozart merkt man, ob es gute Leute sind. Hinter Mozart kann man sich nicht verstecken, da es eine sehr feine, perfekte Musik ist – die perfekte Herausforderung, um die höchstmögliche Qualität zu erreichen. Das erfordert viel Mut von uns allen. Die Mischung von Sinfonien, Kammermusik und Solostücken soll uns als Ensemble zeigen.

Welches Ziel streben Sie mit dem Ensemble an?

Müller: Ich mache das für mich. Ganz egoistisch (lacht). Ich bin zwar erst Anfang dreißig, aber ich fühle mich alt und altmodisch. Wenn man sich die Frage stellt, wohin sich das Musik-Business entwickelt, macht es nur Sinn für sich selber Dinge zu realisieren. Das, was einem selber gefällt, wird auch anderen Freude bereiten.

Welches Gefühl ist es für Sie, vom Teil eines Orchesters zum Mann, der die Fäden zieht, zu werden?

Müller: Das Schönste, was es auf der Welt gibt. Ich liebe es über alles. Ich bin zwar nervös, weil ich all die tollen Musiker gefragt habe und ich schon in den Proben liefern muss. Wenn ich unterbreche und sage, was ich anders haben möchte, merken die anderen bereits, ob es sinnvolle Kritik ist. Als Dirigent hat man einen Job, in dem man sich nackt fühlt. Aber es passt zu mir.

Was darf sich das Oberstdorfer Publikum erwarten?

Müller: Ein reines Mozart-Programm, das ein bisschen über alle Grenzen geht. Wir spielen am Anfang etwas kurz nur für die Bläser, attacca zum Klavier und attacca zu den Streichern. Wir spielen aber auch die g-Moll-Sinfonie, die jeder kennt.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Stücke ausgewählt?

Müller: Genauso wie ein Koch ein gutes Menü kreiert: sehr stark nach dem Appetit, auf den speziellen Geschmack bezogen, aber auch nach taktischen Überlegungen. Man stellt sich die Frage, wie das Gesamtbild aussehen soll, und stellt es nach intellektuellen Arbeiten und persönlichen Launen zusammen.

Der Pianist und Dirigent: Fabian Müller (32) wurde in Bonn geboren. Beim ARD-Musikwettbewerb 2017 erhielt er gleich fünf Preise. Seither trat er mit bedeutenden Orchestern auf, wie etwa dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder der Staatskapelle Berlin.

Das Konzert: Pianist Fabian Müller und „The Trinity Sinfonia“ spielen Werke von Wolfgang Amadé Mozart am Sonntag, 13. August, um 20 Uhr im Oberstdorf-Haus. Karten gibt es im Festivalbüro, Telefon 08322/9592005, Internet: www.oberstdorfer-musiksommer.de