Kulturszene im Oberallgäu

Musical mit Charme und Gehalt: Reicher Beifall für quirlige "Brigitte Bordeaux" in Sonthofen

Musical in Sonthofen: Tobias Bode (links) und Klaus Philipp in „Brigitte Bordeaux“, einer Produktion des Landestheaters Schwaben.

Musical in Sonthofen: Tobias Bode (links) und Klaus Philipp in „Brigitte Bordeaux“, einer Produktion des Landestheaters Schwaben.

Bild: Christoph Pfister

Musical in Sonthofen: Tobias Bode (links) und Klaus Philipp in „Brigitte Bordeaux“, einer Produktion des Landestheaters Schwaben.

Bild: Christoph Pfister

Das Landestheater Schwaben bringt in Sonthofen „Brigitte Bordeaux“ als quirliges Musiktheater auf die Bühne. Die Rollen sind treffend besetzt.
##alternative##
Von Christoph Pfister
14.01.2023 | Stand: 17:00 Uhr

„Ich möchte eine Frau sein“! Herbert schlüpft ins Kleid, wechselt in weiblichen Habitus. Ehefrau Moni bleibt pragmatisch. Sohn Sebastian hingegen, sieht den Ruf des Weinbaubetriebes wie die heile Familienwelt, die er seiner Partnerin Maike bieten möchte, in höchster Gefahr. In Aufruhr auch die kleine Winzergemeinde. Herbert alias Brigitte ficht das nicht an. Selbstbewusst bewirbt er/sie sich gar als Weinkönigin. Sebastian ruft seine Maike zur Gegenkandidatin aus, zur Gegendemonstration gegen eine Pride-Parade im Ort. Herbert muss das Chaos stoppen: Allein Wiedergutmachung gegenüber seinem vorehelichen, als „Familiengeheimnis“ gehüteten zweiten Sohn hat ihn getrieben, dessen Probleme als Trans-Mann am eigenen Leib zu erfahren. Die „echte“ Brigitte kehrt in den Schoß der Familie zurück.

Überraschende Auflösung

Überraschende Auflösung, glückliches Ende für die Theaterfreunde der Kulturgemeinschaft Oberallgäu, die mit „Brigitte Bordeaux“ im Sonthofer Haus Oberallgäu in reale Lebenswelten eintauchen. Freilich von Tom van Hasselt (nach einem Theaterstück von Sergej Gößner) zugespitzt, als Musical locker aufbereitet. Wahre Vaterliebe humoristisch umgarnt, gesellschaftliche Missstände ohne Zeigefinger angeprangert.

Das Landestheater Schwaben macht aus diesem Stück quirliges Musiktheater. Musicalliebhaber mag es enttäuschen, weil wirkmächtige Kulisse, Tanz, Licht und hohe Sangeskunst fehlen. Die einer kleinen Wanderbühne aufgezwungene Reduktion schadet „Brigitte Bordeaux“ indes keineswegs. Im Gegenteil: Auge und Ohr richten sich auf Handlung und Inhalt mit Anspruch und Gehalt.

Einen Spagat geschafft

Alexander Mays Inszenierung schafft den Spagat zwischen Respekt und „Theater-Spiel“ mit Bravour. Nutzt geschickt Karikatur, pralles Bild, tiefschürfende Spitzen. Die LTS-Akteure und ihr Gast Tobias Bode als feingliedrig facettenreiche Brigitte Bordeaux spiegeln mit Verve die Charaktere: Klaus Philipp erfüllt „Brigitte“ mit überzeugender Fraulichkeit, mit Charme und der Verschmitztheit des um seine wahre Position Wissenden. Mirjam Smejkal legt die Gattin Moni stringent als brav-biedere Bauernfrau an, während Tobias Loth sein divergentes Gefühlsleben deutlich emotional auf die Bretter bringt. Milena Weber ist als Maike in bester Spiellaune. Ein wahrhaft rasender Reporter, ein überforderter, gleichwohl wichtigtuender Bürgermeister sind mit Tom C. Büning bestens besetzt.

Munter aufspielende Musiker

Die Kostüme von Gerd Friedrich illustrieren die Protagonisten aufs Beste. Das Bühnenbild von Dirk Seesemann beschränkt sich auf eine Glitzerwelt. Morris Perrys Choreografie kann nicht wirklich Akzente setzen. Die kommen hingegen vom munter aufspielenden Quartett mit Masako Sakai (Piano), Manfred Guggemos (Gitarre), Moritz Kinker (Bass) und Sebastian Kern am Schlagzeug. Perfekt für die, bisweilen etwas zu laut gesetzte Begleitung des allemal passablen, in Teilen richtig guten Gesangs. Das Ensemble erfüllt das Naturell der Lieder, angelehnt an französische Chansons und Sprechgesang, mit treffender Farbigkeit. Reichlich Beifall. Zu Recht!

Lesen Sie auch "LTS greift in neuem Stück das Thema Transgender auf".