Kurfilmtheater Oberstdorf

Er liefert  mit Augenzwinkern die Stimmen zu Stummfilmen

Billie Dove als Prinzessin Isobel und Douglas Fairbanks als Titelheld in einer Szene aus dem Stummfilm „Der schwarze Pirat“ von 1926. Er ist mit Ton von Ralph Turnheim in Oberstdorf zu sehen.

Billie Dove als Prinzessin Isobel und Douglas Fairbanks als Titelheld in einer Szene aus dem Stummfilm „Der schwarze Pirat“ von 1926. Er ist mit Ton von Ralph Turnheim in Oberstdorf zu sehen.

Bild: Fotos: Elisabeth Dworschak/ Günter Jansen (Repro)

Billie Dove als Prinzessin Isobel und Douglas Fairbanks als Titelheld in einer Szene aus dem Stummfilm „Der schwarze Pirat“ von 1926. Er ist mit Ton von Ralph Turnheim in Oberstdorf zu sehen.

Bild: Fotos: Elisabeth Dworschak/ Günter Jansen (Repro)

Ralph Turnheim liefert live und synchron, in Versform und mit Augenzwinkern die Stimmen zu Stummfilmen. In Oberstdorf bereichert er einen Klassiker.
24.02.2023 | Stand: 19:00 Uhr

Es war eine Sensation, als der Film „The Black Pirate“ 1926 in die Kinos kam. Denn der Hollywood-Star der Stummfilm-ära, Douglas Fairbanks, übernahm nicht nur die Titelrolle, sondern wagte ein Experiment: Der Schauspieler und Regisseur drehte einen Film erstmals in Farbe. Ähnlich sensationell ist die Aufführung in der Gegenwart, wenn der Wiesbadener Schauspieler Ralph Turnheim den Streifen „vertont“. Er liefert live und synchron und in Versform die Stimmen der Filmfiguren. Seine „Leinwand-Lyrik“ demonstriert er am Freitag, 3. März, im Kurfilmtheater Oberstdorf, eingeladen von der Kulturgemeinde Oberstdorf.

Warum haben Sie sich den „Schwarzen Piraten“ ausgesucht?

Ralph Turnheim: Weil darin Douglas Fairbanks als einer der männlichen Stars in Hollywood auftritt. Der Film ist ein ganz besonderer, weil er wahnsinnig schön ist und der erste in Farbe gedrehte Hollywoodfilm. Fairbanks hat damit Neuland betreten, und er hat dafür einen großen Aufwand betrieben.

Sie sprechen alle Rollen? Auch die Frauenfiguren?

Turnheim: Ja, genau, es gibt mehrere Stimmen, auch verschiedene Dialekte und sogar eine ganze Piratenmannschaft. Das kann man nicht beschreiben, das muss man hören.

Liefern Sie „nur“ den Text? Gibt es auch Musik?

Turnheim: Musik gibt es keine. Ich liefere tatsächlich „nur“ die Lein-wand-Lyrik, was an sich schon recht musikalisch ist. Geräusche mache ich auch, die schummeln sich dazwischen und überraschen das Publikum immer wieder. Da kommt zum Beispiel ein Schlag, und ganz synchron mache ich ein Geräusch zu dem, was auf der Leinwand zu sehen ist. Für manche Zuschauer sind die Geräusche sogar besser als die Verse (lacht). Das ist so überraschend, dass die Leute rätseln, wo genau das Geräusch nun herkommt.

Sie sprechen in Reimen. Bevorzugen Sie ein bestimmtes Versmaß?

Turnheim: Im Prinzip sind das Knittelverse und nicht komplizierte Versmaße wie ein Alexandriner. Ich überlege, was gut passt, aber eine bestimmte Metrik den ganzen Film durchzuhalten, wäre schwierig. Es sind rund 500 Verse pro Film. Die Reime verbinden sich mit dem Film. Es ist wichtig, dass die Aussage stimmt, wichtig ist, dass die Verse einen Rhythmus haben. Knittelverse sind einfach und praktisch. Das ist so ein bisschen wie ein Songtext, was ich mache.

Was war die größte Herausforderung bei dieser Aufgabe?

Turnheim: Der Film ist zum einen einer der längsten, die ich gemacht habe: Die Spielzeit beträgt knapp 100 Minuten. Es ist ein epischer Piratenfilm. Da muss man zum anderen den Reim finden, der genau auf den Film passt. Da ist jede Minute eine Herausforderung. Das ist sehr, sehr zeitintensiv, die vielen Stimmen von der Prinzessin bis zur Piratenmeute zu liefern. Das war eine Aufgabe!

Wie lange haben Sie für die Vorbereitung gebraucht?

Turnheim: Schon ein paar Monate. Für eine Filmminute muss ich mir einen Arbeitstag Zeit nehmen. Und es ist Teil des Schreibens, dass ich mich immer wieder korrigiere. Das passiert mir auch bei Programmen, die ich schon fertiggestellt habe, dass ich etwas durchstreiche und etwas Schöneres schreibe. Es ist nichts in Stein gemeißelt. So gesehen, ist kein Abend wie der andere. Das hängt auch vom Publikum ab und natürlich von einem selber. Das Timing ist wichtig, aber manchmal hat man eine andere innere Uhr. Dann denkt man, jetzt läuft der Film aber schnell, oder, hier ist es jetzt langsamer. Aber der Film läuft immer in der gleichen Zeit ab. Es ist jedes Mal für einen selbst anders.

Gibt es Vorbilder für Ihr Tun?

Turnheim: Direkte Vorbilder gib es dafür nicht. Es gibt schon gewisse Inspirationen, zum Beispiel durch die Kino-Erklärer, wie es sie damals gab. In der Frühzeit des Kinos gab es tatsächlich richtige Stummfilm-Erzähler. Eigentlich gab es immer Stimmen zu den Filmen, von Anfang an, das hat man inzwischen aber völlig vergessen. Das war mir auch nicht klar, als ich den Beruf ergriffen habe. Die Quellenlage ist da sehr dünn. Natürlich war das damals alles rustikaler, da wurde eben erzählt, aber nicht in Versen. Das Ironische ist, dass man die Stummfilme heute viel intensiver erlebt. Aber das waren trotzdem damals ziemlich faszinierende Kinovorstellungen, sehr luxuriös, wo ein ganzes Orchester jeden Tag gespielt hat. Was das für ein Ereignis war, kann man sich heute nicht mehr vorstellen.

Interview: Veronika Krull

Der Stummfilm „Der schwarze Pirat“ mit Leinwand-Lyrik von Ralph Turnheim wird am Freitag, 3. März, um 20 Uhr im Kurfilmtheater Oberstdorf aufgeführt. Karten gibt es im Kurfilmtheater Oberstdorf unter Telefon 08322/978970 sowie in der Tourist-Info Oberstdorf unter Telefon 08322/700-2100.

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