Vor dem Allgäu Panomara Marathon

Unfassbare Zeiten! Dieser Oberallgäuer ist der neue Star der Ultratrail-Szene

Einsame Spitze: Michael Zweigart läuft auf den langen Distanzen derzeit in einer eigenen Liga – beim APM will er erneut den Ultra-Sieg.

Einsame Spitze: Michael Zweigart läuft auf den langen Distanzen derzeit in einer eigenen Liga – beim APM will er erneut den Ultra-Sieg.

Bild: Dominik Berchtold

Einsame Spitze: Michael Zweigart läuft auf den langen Distanzen derzeit in einer eigenen Liga – beim APM will er erneut den Ultra-Sieg.

Bild: Dominik Berchtold

Michael Zweigart aus Immenstadt verblüfft die Ultra-Szene mit fantastischen Zeiten. Beim Allgäu-Panorama-Marathon kämpft er um eine magische Marke.
11.08.2023 | Stand: 19:07 Uhr

Er ist gnadenlos auf der Strecke, aber bescheiden in der Zielsetzung – er lässt seine Zeiten sprechen, bleibt im Interview aber wortkarg. „Ich hoffe immer auf gute Rennen, dann passen auch die Zeiten“, sagt Michael Zweigart. Und die passen. Der 27-jährige Immenstädter ist der neue Star der Allgäuer Ultra-Szene.

Mit fulminanten Vorstellungen und unglaublichen Zeiten katapultierte sich Zweigart in den vergangenen zwei Jahren in die Elite der Berg- und Ultratrail-Läufer.

Bei der 16. Auflage des Allgäu-Panorama-Marathons in Sonthofen will er am Sonntag erneut die Konkurrenz das Fürchten lehren. Ab 6 Uhr geht er als Mitfavorit auf die mit fast 70 Kilometern und 3119 Höhenmeter knüppelharte Strecke. Insgesamt starten 1700 Athletinnen und Athleten auf den sechs Strecken (Infokasten). „Der APM ist ein besonderer Lauf und ein Fixtermin im Kalender“, sagt Zweigart. „Für mich ein spezielles Rennen.“

Immenstädter Ultratrail-Läufer als Shootingstar beim Allgäu Panorama Marathon 2021

Immerhin triumphierte der Athlet vom Allgäu Outlet Raceteam beim Ultra 2021 in sensationeller Manier in 6:35:45 Stunden aus dem Nichts und sportlich aus dem Stand. „Das war mein Bigpoint“, sagt Zweigart rückblickend. „Ich bin ohne Erfahrung rangegangen und bin ein Tempo gelaufen, von dem ich wusste, dass ich es über sechs, sieben Stunden halten kann. Ich denke immer nur an meinen Körper und schaue, was gerade geht.“

Dieser kometenhafte Aufstieg Zweigarts war bis zum Alter von 24 Jahren nicht vorauszusehen. Das in Böblingen geborene älteste von drei Geschwistern probierte sich in der Kindheit im Turnen, im Fußball und begann mit zehn Jahren in der Leichtathletik – beim Heimatverein TSV Dagersheim wurden die Weichen entscheidend gestellt. Nach der Grundausbildung in allen Disziplinen spezialisierte sich Zweigart mit zwölf Jahren auf die Mittelstrecke zwischen 800 und 3000 Meter. Doch nach den ersten Erfolgen auf Kreis- und württembergischer Landesebene folgte der harte Bruch. „Mit 15 war mir das leistungsorientierte Programm der Leichtathletik zu strikt und starr. Ich wollte mehr in die Berge gehen, mit Freunden, mit meiner Familie“, erinnert sich Zweigart. „Ich war immer ein Freigeist und wollte auch danach leben.“

Neue Leidenschaft mit dem Umzug nach Kempten

Das tat der heute 27-Jährige auch fünf Jahre lang. Bis auf wenige Stadtläufe habe er nicht an Wettkämpfen teilgenommen, seine Freude vielmehr am Downhill-Mountainbiken und an Hochtouren gefunden. Das änderte sich 2016 schlagartig mit dem Umzug nach Kempten, wo Zweigart seine Ausbildung zum Mechatroniker und später sein Studium begann. Der heute staatlich geprüfte Mechatronik-Techniker ließ den Sport für sich wieder aufleben – und entdeckte eine neue Leidenschaft.

Einsame Spitze: Michael Zweigart läuft auf den langen Distanzen derzeit in einer eigenen Liga – beim APM will er erneut den Ultra-Sieg.
Einsame Spitze: Michael Zweigart läuft auf den langen Distanzen derzeit in einer eigenen Liga – beim APM will er erneut den Ultra-Sieg.
Bild: Dominik Berchtold

„Ich war früher im Straßen- und Bahnlaufen aktiv und hatte Trails nicht auf dem Schirm“, sagt Zweigart, der seit 2020 in Stein wohnt. „Als ich ins Allgäu gezogen bin, hat sich die Szene gerade gebildet und ich bin hineingewachsen. Das Wandern in Bergen kannte ich aus der Kindheit. Und beim Laufen braucht man im Vergleich zum Radeln nur Schuhe und schon kann es losgehen.“ Der Rest ist Geschichte eines märchenhaften Aufstiegs.

Fabel-Resultate auf der Ultra-Distanz

Der 1,78 Meter große und 63 Kilogramm schwere Ausdauersportler probierte sich zwar schon 2017 beim Widderstein-Trail, danach beim Allgäu Vertical von Axel Reusch und beim Nebelhornberglauf. Doch der läuferische Urknall folgte beim APM 2021. Dieser erste seiner bisher fünf Ultras hat Zweigart aus dem Stand in die Spitze katapultiert. Ein Jahr später triumphierte er bei der Walser Trail Challenge 2022 in 8:01:57 Stunden – dieses Jahr setzte er beim Ultra in 7:57:20 noch einen drauf.

In der Kombi mit seinem Sieg beim Widderstein-Trail in 1:22:17 hatte er mit der Gesamtzeit von 9:19:37 unglaubliche 50 Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Dazwischen lagen heuer noch Rang vier beim Rosengarten Sky-Marathon in Italien und der aufsehenerregende zweite Gesamtrang bei der Mutter aller Ultras an der Zugspitze. Über 111 km wurde Zweigart in 13:06:57 Gesamtzweiter und deklassierte die Konkurrenz seiner Altersklasse um über sagenhafte eineinhalb Stunden.

Fällt die Sechs-Stunden-Marke?

Im vergangenen Jahr war Zweigart am Allgäu-Panorama-Marathon-Wochenende übrigens auf einer Hochzeit und konnte seinen Titel daher nicht verteidigen. Heuer greift der Dominator wieder an.

„Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich durch den Sport in der Kindheit gute Grundlagen habe. Ich bin einigermaßen spritzig, kann aber auch über lange Distanzen ein gutes Tempo halten“, sagt Zweigart, dessen 2021er Siegerzeit die neuntschnellste der APM-Geschichte ist. Geht sogar noch mehr? Immerhin schien der Rekord von Jojo Klein mit 6:09:11 (2017) lange unantastbar. „Das ist eine saustarke Zeit, aber machbar ist es, sie zu knacken“, sagt Michael Zweigart, ehe er doch wieder der Bescheidenheit verfällt: „Ich peile 6:20 Stunden an. Wenn es nach dem Gefühl ein gutes Rennen ist, wird auch die Zeit stimmen.“