Immer mehr Kinder und Jugendliche im Allgäu gehen zur Nachhilfe. So sollen Lernlücken geschlossen werden, die im Corona-Homeschooling und im Wechselunterricht vermehrt entstanden sind. Externe Anbieter sind derzeit teilweise sogar ausgebucht. Manche Schulen bieten auch kostenfreie Nachhilfe an.
„Das Thema brennt derzeit sehr“, sagt Julia Birker, Schulpsychologin des Staatlichen Schulamts Unterallgäu-Memmingen. Bevor ein Kind Nachhilfe bekommt, rät sie zum Gespräch mit den Klassenlehrern: „Denn wenn die Lücken zu groß sind, bringt auch Nachhilfe nichts, sondern eher das Wiederholen des Schuljahrs.“ Grundsätzlich sei Nachhilfe aber gut – „auch weil sie von einer neutralen Person gegeben wird und so Rollenkonflikte in der Familie vermieden werden“.
Eltern können Kindern nicht immer helfen
Mit den aktuell 40 bis 45 Schülerinnen und Schülern sei er „jetzt am Limit“, sagt Melchior Dorn-Castelli, Leiter des Studienkreises Kaufbeuren. Die hohe Nachfrage liege zum einen daran, dass jetzt die Noten der Zwischenzeugnisse vorliegen. Wenn diese schlecht ausfallen, schicken erfahrungsgemäß viele Eltern ihre Kinder in die Nachhilfe. Zum anderen führt Dorn-Castelli den derzeitigen Andrang auf schlechtere Lernbedingungen während der Pandemie zurück. Und Eltern hätten festgestellt, dass sie ihren Kindern nicht immer helfen können: „Das gemeinsame Lernen zuhause führt oft zu Konflikten. Die häusliche Stimmung ist in der Pandemie eher gereizt.“ Bei ihm kämen vor allem Schüler von weiterführenden Schulen zur Nachhilfe, sagt Dorn-Castelli. Die hohe Nachfrage wirkt sich auch auf die personelle Lage aus: „Ich suche wie verrückt weitere Lehrer“, sagt der Studienkreis-Leiter. Er geht davon aus, dass der Bedarf vorerst auf hohem Niveau bleiben wird.
Auch die Schülerhilfe in Memmingen verzeichnet eine deutlich stärkere Nachfrage als vor Corona. „Der monatelange Distanzunterricht in den letzten zwei Jahren hat die Wissenslücken der Kinder in Mathematik, Deutsch und Englisch größer werden lassen“, sagt Denise Kirchberger. Sie registriert vermehrt Grundschüler, die zur Nachhilfe kommen: „Der Druck steigt gerade bei Kindern, bei denen im zweiten Halbjahr der Übertritt an eine weiterführende Schule ansteht.“ Aber auch die Nachfrage nach Vorbereitungskursen für das Abitur habe zugenommen.
Sorgt Lehrermangel für Defizite?
Christian Albrecht (Memmingen), Mitglied im bayerischen Elternverband und Vater zweier Kinder, vermutet noch einen anderen Grund für die vielen Nachhilfe-Stunden: den Lehrermangel. Die Lehrkräfte könnten bei den größeren Klassen nicht mehr individuell auf die Schüler eingehen und sie fördern. Außerdem seien sie durch fachfremde Themen belastet, wie zum Beispiel das Testen auf das Coronavirus. „Warum sucht man nicht Assistenten, die das übernehmen?“, fragt Albrecht. Er verweist außerdem auf schulinterne Nachhilfe-Angebote wie beispielsweise Förderstunden. Die seien im Gegensatz zu externen Anbietern in der Regel kostenfrei. So könnten auch finanziell schwächere Familien eine Förderung bekommen. Auch Nachhilfe-Stunden bei Abiturienten seien gerade für Grundschüler eine gute Variante, ergänzt Schulpsychologin Birker.
Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozial- oder Wohngeld können zudem eine Förderung für ihr Kind beim zuständigen Landratsamt beantragen. Voraussetzung ist, dass die Lehrkraft den Bedarf bestätigt.
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