Hofbesitzer im Allgäu satteln immer häufiger von Kühen auf Pferde um. Gerade die Betreiberinnen und Betreiber von kleineren Milchviehbetrieben interessieren sich für die Umstellung auf einen Reiterhof für Pensionspferde. „Wir verzeichnen seit Februar 2022 fast 330 Beratungsgespräche, die wir sowohl telefonisch als auch persönlich vor Ort auf den Betrieben durchgeführt haben“, sagt Viveca Zenth vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Kempten. Bislang seien in diesem Zeitraum 35 Bauanträge mit Pferdebezug im Allgäu gestellt worden, also beispielsweise zur Errichtung von Reithallen oder einem Stallneubau.
Das drohende Verbot der Anbindehaltung für Stallkühe beflügle die Nachfrage. „Viele Landwirte sehen die Pferdehaltung als Alternative oder als mögliches zweites Standbein“, sagt Zenth. Sie würde ihnen konstante Einnahmen garantieren, sofern die Plätze ausgelastet sind. Für eine Vollpension würden pro Pferd je nach Ausstattung und Lage eines Hofes zwischen 280 bis 600 Euro pro Monat verlangt. Schwabenweit stieg die Zahl der Pferdehalter und -halterinnen 2022 um knapp 100 im Vergleich zum Vorjahr auf 3587. Auch die Zahl der Pferde stieg auf mittlerweile über 22.470.
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Pferde halten im Allgäu - Familie Hehl beherbergt bis zu 28 Pferde
Einer, der schon früh auf Pferde setzte, ist Adalbert Hehl aus Burgberg im Oberallgäu. Der heute 63-Jährige begann vor 40 Jahren Schritt für Schritt mit dem Umbau seines damals milchwirtschaftlich betriebenen Hofes hin zu einer Pferdepension. So entstanden geräumige Boxen in zwei Ställen, ein Reitplatz mit Flutlicht und eine Reithalle auf dem Anwesen. Heute beherbergt Familie Hehl bis zu 28 Pferde. „Es war die richtige Entscheidung“, sagt Hehl. Als junger Milchvieh-Bauer habe es ihn geärgert, vom Preis-Diktat der Molkereien abhängig zu sein.
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Durch die Umstellung auf einen Pensionsbetrieb für Pferde gewann er wirtschaftliche Unabhängigkeit: „Jetzt konnte ich wie jeder andere Unternehmer die Preise direkt mit meinen Kunden gestalten.“ Auf die Idee brachte ihn eine Reiterin, die seinerzeit nachfragte, ob sie ihr Pferd bei ihm im Stall unterstellen dürfe. Die Veränderung auf seinem Hof sei anfangs von vielen belächelt worden. Heute jedoch ist das anders: „Immer mehr Höfe haben zumindest ein paar Pensionstiere oder setzen sogar voll auf Pferde.“
Wanderreiten im Allgäu wird immer beliebter: Einige Höfe bieten Unterkünfte für Reiter und Pferde
Eine neue Pferde-Ranch errichtete beispielsweise das Ehepaar Jasmin und Wilfried Ertinghausen aus Leutkirch: Die beiden bauten 2011 neben ihrem Wohnhaus einen Stall, der nicht nur Platz für ihre eigenen sechs Pferde bietet. Sie eröffneten eine Wanderreitstation. Heute ist die Ranch im Verein Wanderreiten Oberschwaben-Bodensee mit von der Partie und arbeitet eng mit fünf weiteren Stationen zusammen. Wanderreiterinnen und Wanderreiter können dort übernachten und ihre Pferde im Stall unterbringen. Tags darauf ziehen sie weiter oder unternehmen einen ausgedehnten Ausritt ab der Ranch. Wanderreitstationen gibt es beispielsweise auch im Oberallgäu.
Pferde statt Kühe auf dem Bauernhof: Umstellung erfordert genaue Analyse
Reiten hat in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Dennoch müsse die Lage vor Ort jeweils genau analysiert werden, rät das AELF. „Man muss konkret herausarbeiten, wie sich der Hof von anderen Anbietern abheben könnte.“ Um Möglichkeiten, aber auch eventuelle Schwierigkeiten zu ermitteln, empfiehlt Zenth, „frühzeitig ein Beratungsgespräch mit uns zu vereinbaren“. Zudem bedeute eine Umstellung von Kühen auf Pferde eine große Veränderung auf dem Hof: „Auf einem Pferdepensionsbetrieb herrscht zwangsläufig täglicher Kundenverkehr. Diesen Kontakt muss man wollen, sonst kann es früher oder später zu Konflikten kommen.“