Drohnen-Aufnahmen von einer Steilwand lösten das Rätsel. Freiwillige der Helfergruppe „Alpine Vermisstensuche“ entdeckten im Juli 2020 mittels einer fliegenden Kamera die Leiche eines vermissten Bergsteigers in einem Gumpen im Hornbachtal. Zwei Wochen hatten sie auf der österreichischen Seite der Allgäuer Alpen mit den Angehörigen nach dem 39-jährigen Mann aus Ulm gesucht. Beamten der Alpin-Polizei aus Reutte gelang es zwei Tage später, die Leiche per Helikopter zu bergen. Nach rastlosen Wochen fand die trauernde Lebensgefährtin des abgestürzten Bergsteigers endlich Gewissheit. Sie sei überzeugt, dass er ohne den Einsatz der Drohnenpiloten nie gefunden worden wäre, schrieb sie auf einer Internetseite. Sie sei „so dankbar, dass zumindest dieses Schicksal seinen Eltern und mir erspart wurde“.
Für Johanna Bartos, Gründungsmitglied der „Alpinen Vermisstensuche“ mit zehn Helfern aus dem Großraum München, ist das Ansporn, auch weiterhin Angehörige von vermissten Wanderern zu unterstützen, wenn sie darum gebeten werden. „Hinterbliebene können meist erst dann mit der Verarbeitung ihres Schmerzes beginnen, wenn sie Gewissheit haben“, sagt die 58-jährige Höhlenforscherin, die sich bei der Münchner Bergwacht engagiert. Die „Alpine Vermisstensuche“ unterstützt Angehörige, aber auch Polizei und Bergwacht, „wenn es keine Hoffnung mehr auf ein Lebenszeichen gibt“.
In den kommenden Tagen wird die lose Helfergruppe erneut in die Allgäuer Alpen aufbrechen: Dann sucht sie auf Wunsch der Hinterbliebenen nach Hinweisen auf den Verbleib eines seit Oktober vermissten 67-Jährigen aus dem Großraum Ulm. Dessen letzte Spur führte laut Polizei nach Oberstdorf. Wie eine Auswertung ergab, wählte sich sein Handy zuletzt in eine Funkzelle in der Nähe der Skiflugschanze ein.
14 Vermisste seit 1971 allein in Oberstdorf
Später fanden die Beamten am Parkplatz unterhalb der Fellhornbahn das Auto des Mannes. Eine erste Suche mit dem Hubschrauber blieb damals erfolglos. Beamte der Alpinen Einsatzgruppe rückten aus, um Gipfelbücher und Hütteneinträge nach Hinweisen zu kontrollieren. Ohne Erfolg. Im November stellte die Polizei die Suche ein. „Wir begrüßen es, wenn sich in einem solchen Fall Menschen aus dem privaten Bereich engagieren“, sagt Polizeisprecher Dominic Geißler, „solange sie sich professionell verhalten und nicht selbst in Gefahr bringen“. Den Sicherheitsaspekt unterstreicht auch Johanna Bartos, die die Gruppe als Ergänzung zu Polizei und Bergwacht sieht: „Oberstes Gebot ist, dass keinem von uns etwas passiert.“
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Die Gruppe hatte sich 2018 gegründet, ein Hilfeaufruf der Ehefrau des Kanadiers Jeff Freiheit brachte die Helfer in Kontakt. Der 32-Jährige wollte alleine über die Alpen nach Venedig laufen und wurde am 2. August 2018 am Brauneck als vermisst gemeldet. Eine groß angelegte Suchaktion blieb ergebnislos. „Das hat uns nicht mehr losgelassen“, sagt Bartos. Nach drei Wochen fanden die Ehrenamtlichen mithilfe der Familie aus Kanada seine Leiche. Seither sei eine „tiefe Freundschaft mit der Familie des Verunglückten entstanden“.
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Die Suche wird akribisch geplant. Mittels GPS-Koordinaten untersuchen die Helfer jeden Quadratmeter nach Hinweisen. Wo befinden sich Gefahrenstellen? Wo kann der Vermisste vom Weg abgekommen sein? Auch Aussagen von Angehörigen spielen eine Rolle. Nahm der Vermisste gerne Abkürzungen? Hielt er sich an die vorgegebenen Routen? „Jedes Detail kann helfen, die Suche einzugrenzen“, sagt Bartos.
Allein in Oberstdorf und den angrenzenden Bergen gelten 14 Personen als vermisst. Der älteste Vermisstenfall datiert auf 1971. Manchmal klären sich Vermisstenfälle erst Jahre später auf. So fanden Wanderer vor Kurzem an der Martinswand in Innsbruck die skelettierte Leiche eines Mannes in einem Bergzelt. Ein DNA-Abgleich mit Daten aus einer Vermisstendatei brachte schließlich die Gewissheit, dass es sich um einen Mann handelt, der vor etwa sieben Jahren spurlos verschwunden war.