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Jede Zeitung ist ein Unikat – so wie er: Geschäftsführer Markus Brehm verlässt nach 27 Jahren die Allgäuer Zeitung

Allgäuer Zeitungsverlag

Jede Zeitung ist ein Unikat – so wie er: Geschäftsführer Markus Brehm verlässt nach 27 Jahren die Allgäuer Zeitung

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    "Wie müssen wir unser Unternehmen strategisch aufstellen?" Diese Frage war für Markus Brehm in 27 Jahren an der Spitze des AZV handlungsleitend.
    "Wie müssen wir unser Unternehmen strategisch aufstellen?" Diese Frage war für Markus Brehm in 27 Jahren an der Spitze des AZV handlungsleitend. Foto: Ralf Lienert

    Nein, zu erwarten war es nicht gewesen, dass Markus Brehm 1993 Geschäftsführer des Allgäuer Zeitungsverlages wurde. Eigentlich hatte er andere Pläne, war Verlagsleiter der Zeitung Fränkischer Tag in Bamberg, die Familie fing gerade an, dort Wurzeln zu schlagen. Zum Kennenlerngespräch mit den Gesellschaftern des Allgäuer Zeitungsverlages fuhr er auf dem Weg zu einem anderen Termin – und in einem fliederfarbenen Sakko. So etwas war damals zwar gerade noch in Mode, allerdings nicht überall: „Ihre Ideen für die Entwicklung des Unternehmens haben uns sehr gefallen. Aber zum nächsten Gespräch ziehen Sie sich bitte ordentlich an“, hörte Brehm anschließend.

    Ordentlich angezogen war er fortan immer während der Arbeit, und er hat viele gute Ideen umgesetzt. Aus dem Zeitungsverlag, der nur Print kannte und konnte, ist ein multimedial agierendes Unternehmen geworden, das zwei Radio- und einen Fernsehsender betreibt, einen Briefdienstleister, eine Druckerei für Bücher und Geschäftsdrucke sowie eine Web- und Werbeagentur. Die Allgäuer Zeitung ist nach wie vor der Kern der Mediengruppe, die Anzeigenblätter Hallo und extra gehören ebenfalls dazu, außerdem die Internetseite all-in.de und das Premiumportal allgäuer-zeitung.de. 1993 hatte die Firma 480 Mitarbeiter, davon 13 Auszubildende, heute sind es über 800 und 90 Auszubildende – die über 1000 Zeitungszusteller nicht mitgerechnet.

    Markus Brehm: "Wir sind eine breit aufgestellte Mediengruppe mit vielfältigen Geschäftsfelfern"

    „Wir sind nun eine breit aufgestellte Mediengruppe mit vielfältigen Geschäftsfeldern, die sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gut ausgleichend ergänzen“, sagt Brehm. Ein Meilenstein für die Entwicklung war der Neubau des Verlages 1998 im Industriegebiet an der Heisinger Straße. Zuvor saß das Unternehmen dort, wo heute die Big Box steht, auf weniger als einem Fünftel der heutigen Fläche. Der Umzug der AZ hat damit auch eine innerstädtische Entwicklung ermöglicht, um die viele Städte Kempten heute beneiden.

    In den 27 Jahren hat Brehm Wurzeln im Allgäu geschlagen, mit der Familie ebenso wie beruflich. „Heimat ist dort, wo ich mich zuhause fühle“, sagt der gebürtige Nürnberger. Er bringt oft Persönliches in Gespräche ein, erzählt von seiner Familie, den drei erwachsenen Kindern und den Enkeln; berichtet, was gerade im Garten wächst oder wo es bei der Einkehr nach dem Wandern am Sonntag einen guten Schweinsbraten gab, wen er am Samstag auf dem Fußballplatz getroffen und was er dort Neues gehört hat.

    Seine Termine macht er nicht im Schnelldurchlauf

    Der Franke macht seine Termine nicht im Schnelldurchlauf, er nimmt sich Zeit. Das ist eines seiner Erfolgsrezepte, gerade mit schwierigen Gesprächspartnern kann er stundenlang ohne Pause verhandeln. Wenn andere müde werden, zieht er lächelnd eine weitere Zigarette aus der roten Packung, zündet sie an, bläst den Rauch nach oben und kommt zum nächsten Punkt.

    Auch in seinem ehrenamtlichen Engagement zeigt sich, wo der 65-Jährige wurzelt: Im Allgäu und im katholischen Glauben. Er ist Regionalvorsitzender der IHK Kempten/Oberallgäu und sieht die Kammer als „Sprachrohr der Region in Richtung Augsburg, München und Berlin: Wenn es dem Allgäu gut geht, dann geht es den Menschen hier gut und nur dann geht es auch unserem Unternehmen gut“, sagt er. Das Allgäu sei in den drei Jahrzehnten, die er nun überblicken kann, von einer „strukturschwachen Region in Randlage unter die Top Ten der Beschäftigten-Regionen in Deutschland aufgestiegen“.

    "Gott gibt mir Halt, innere Gelassenheit und Trost"

    Stark macht ihn der Glaube: „Das ist für mich viel mehr als ein Ritual. Gott gibt mir Halt, innere Gelassenheit und Trost. Da ist immer jemand, an den ich mich wenden kann“, sagt Brehm, „jemand, der zuhört und gibt.“ Er selbst möchte zurückgeben, deshalb ist er Vorsitzender des Vereins der Freunde der Benediktinerabtei Ottobeuren. Deren nächstes Ziel ist es, ein Klostermuseum mit kinder- und jugendpädagogischem Schwerpunkt zu eröffnen. Gemeinsam mit dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Josef Miller aus Memmingen arbeitet Brehm schon lange daran, 2022 soll das Museum eröffnet werden: „Die Finanzierung der zwei Millionen Euro, die wir dafür brauchen, ist gesichert“, sagt er lächelnd und lehnt sich zufrieden zurück.

    Eine andere große Leidenschaft des Franken, der 1. FC Nürnberg, müht sich gerade in der zweiten Liga ab. Er sei schon als Fünfjähriger mit seinem Vater und einem selbst bemalten Bettlaken ins Stadion gegangen, sagt Brehm achselzuckend: „Ich habe alle Höhen und Tiefen erlebt, der Club ist wie das richtige Leben – eine Mischung zwischen Hochgefühl und Demut.“

    Dem Club und der Medienbranche blieb er treu: "Jeder Tag ist ein Erlebnis"

    Dem Club ist er also treu geblieben, der Medienbranche ebenfalls: „Jeder Tag ist ein Erlebnis, weil jeden Tag ein Unikat entsteht. Man weiß morgens nie, wie die Produkte des nächsten Tages aussehen. Und wir arbeiten in einer spannenden Mischung aus Industrie- und Dienstleistungsbetrieb, das fasziniert mich.“ Fasziniert hat ihn stets auch die Technik der Medienproduktion; Brehm hat die große Zeitungsrotation, die 2012 in Betrieb genommen wurde, mitentwickelt – und Besuchern aus anderen Verlagen detailliert die Vorzüge der neuen Maschine erläutert. Der Geschäftsführer denkt und führt gern bis ins Detail, behält dabei aber auch das große Ganze im Blick: „Wie müssen wir unser Unternehmen strategisch aufstellen?“, diese Frage war für ihn handlungsleitend.

    Zum Jahreswechsel verlässt der Mann mit dem Autokennzeichen KE - AZ 1 die Allgäuer Zeitung, er ist im März 65 geworden. 27 Jahre lang war er die Nummer eins der Firma, die er maßgeblich geprägt hat. „Siebenundzwanzigeinhalb Jahre, Herr Hagemeier!“ würde er an dieser Stelle sicher korrigierend einwerfen, säßen wir bei einem Espresso am großen, weiß lackierten Besprechungstisch seines Büros, an den Wänden und in der Vitrine umgeben von Erinnerungen an ein erfolgreiches berufliches Wirken. Die Allgäuer Zeitung ist seine berufliche Heimat geworden – und wird eine seiner Wurzeln bleiben.

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    Die Allgäuer Zeitung: 90.000 Exemplare, 90 Auszubildende in 18 Berufen

    • Die Allgäuer Zeitung ist vor wenigen Wochen 75 Jahre alt geworden. Eigentümer des Verlags sind die Presse-Druck- und Verlags-GmbH Augsburg sowie das Fürstliche Haus von Waldburg zu Zeil. Die verkaufte Auflage liegt bei 90.000 Exemplaren, darunter sind 12 000 ePaper.
    • Die Mediengruppe Allgäuer Zeitung bildet in 18 Berufen junge Menschen aus – dazu zählen Mediengestalter, Redakteure, Kaufleute, Fachinformatiker, DHBW-Studenten und verschiedene technische Berufe wie Fachinformatiker und Betriebselektriker.
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