Zehn Musikerinnen und Musiker, die virtuose Bögen zwischen Volksmusik, Klassik und Modernem schlagen: Franui bei ihrem Auftritt im Kaufbeurer Stadtsaal.
Bild: Mathias Wild
Zehn Musikerinnen und Musiker, die virtuose Bögen zwischen Volksmusik, Klassik und Modernem schlagen: Franui bei ihrem Auftritt im Kaufbeurer Stadtsaal.
Bild: Mathias Wild
Manchmal geht es im Leben schon komisch zu. Da war das Osttiroler Kammerensemble Franui seit Jahren für das Kulturring-Neujahrskonzert gebucht und konnte wegen der Corona-Beschränkungen nicht kommen. Und dann spielen die Musikerinnen und Musiker innerhalb eines Monats gleich zweimal in Kaufbeuren. Nachdem die Gruppe Anfang Dezember die Beerdigung von Hans Magnus Enzensberger auf dem Alten Städtischen Friedhof gestaltet hatte, sorgte sie nun beim von langer Hand geplanten Auftritt im ausverkauften Stadtsaal für ein nachhaltiges musikalisches Erlebnis.
Kurz vor dem Ende des Programms erinnerte der Franui-Leiter und Moderator Andreas Schett an die Beisetzung des Künstler-Freundes, begrüßte Enzensbergers Witwe Katharina im Publikum und stimmte mit seiner „Musicbanda“ Franz Schuberts Lied „Abschied (Über die Berge)“ an. Das war aber das einzige Mal an diesem Abend, dass sich zu den feinen Klängen und Gesängen so etwas wie ernstes Pathos gesellte. Denn normalerweise sprühen die Stücke von Franui nur so vor Kreativität, Gestaltungs- und Lebensfreude. Das gilt sogar für die Trauermärsche, mit denen die inzwischen international renommierte Gruppe ihr brillantes Arrangieren und Musizieren zwischen Volksmusik, Klassik und Modernem begonnen hat. Trauermärsche seien für die Suche nach authentischer Volksmusik ideal geeignet, „weil sie für touristische Zwecke nicht zu gebrauchen sind“, erläuterte Schett. Zudem mutiere ein Trauermarsch, der viermal so schnell gespielt wird, zu einer Polka.
Unter diesem Motto verblüfften die exzellenten Musiker das ganze Konzert über mit gewagtem, komplexen und doch leichtfüßig vermitteltem Crossover. Etwa schon zum Auftakt ging es in „Creampuffs from Vienna“ vom schlürfenden Marschschritt bis hin zum druckvollen Balkan-Sound. Ganz nebenbei stellten sich die Musiker auch noch in Jazz-Manier solistisch vor, und am Ende erfuhren die Zuhörer, dass sie gerade Motive aus nicht weniger als 17 „Deutschen Tänzen“ von Joseph Haydn gehört hatten. Es folgte ein Jodler aus der Ostschweiz, der in seiner „Eisenstädter Fassung“ natürlich auch mit Haydn-Zutaten verfeinert wurde. Doch damit nicht genug: In schönster Harmonie von Instrumentalklang und ergreifendem Gesang schloss sich Johannes Brahms’ Lied „Es steht ein Lind’“ an und schließlich ein dissonantes Nachspiel, das nach Neuer Musik klang. Doch Letzteres erwies sich als Ergebnis einer Feldstudie, bei der Komponist Béla Bartók die Volksmusik der ungarischen Puszta erforschte.
Mit genial verquickten Kompositionen von Bartók und Anton Bruckner wurde später dann eine klingende Brücke „zwischen Puszta und Pustertal“ gespannt. Bruckners „Tantum ergo“ schallte plötzlich in locker-leichtem Bigband-Stil durch den Stadtsaal, aber auch die dem Komponisten eigene Wucht und Dramatik vermittelten die Musiker mit immenser Virtuosität und Flexibilität – bis hin zu den quer durch das Ensemble verteilten Schlagwerk-Instrumenten. Mozarts Menuett aus der Oper „Don Giovanni“ verwoben Franui mit ursprünglichen alpenländischen Melodien. Und – man hätte es ahnen können: Die Klangsprachen liegen gar nicht so weit auseinander. Eine Eigenkomposition ist dagegen das „Volkslied mit Flugzeug“, das durch seine historische Anmutung und den Text des zeitgenössischen Dichters Franz Hohler auf seine ganz eigene Art für Verblüffung sorgte.
Für den tosenden Applaus des Publikums gab es zum einen das obligatorisch-trockene „Joo – donkschön“ von Moderator Schett, zum anderen zwei Zugaben: Ein Schubert-Lied mit Freejazz-Intermezzo und – wie sollte es anders sein – den „schönsten Trauermarsch“ von Franui: „Loast’n obi, den Fallott!“