Fütterung des Jungvogels: Mal kam Mutter Amsel in den Wintergarten zum Käfig geflogen, mal war Vater Amsel dort, um dem schreienden „Ludwig“ einen Wurm in den Schnabel zu stopfen.
Bild: Klier
Fütterung des Jungvogels: Mal kam Mutter Amsel in den Wintergarten zum Käfig geflogen, mal war Vater Amsel dort, um dem schreienden „Ludwig“ einen Wurm in den Schnabel zu stopfen.
Bild: Klier
„Das war richtig dramatisch“, erzählt Simone Demuth. Ihr Hund war aus dem Garten in Neugablonz ausgebüxt und bellte vor einer Garage. Dort entdeckte die Halterin einen Jungvogel, der ängstlich fiepste – vor ihm der Hund und drumherum mehrere Katzen. Demuth rettete den Vogel und brachte ihn zu Nachbarn – dort wurde er von Menschen und Elternvögeln wieder aufgepäppelt. „Das ist schon etwas Besonderes, wie die Eltern dort den Jungvogel gefüttert haben“, sagt Tierärztin Andrea Restle.
Denn die Nachbarn, Familie Klier, erklärten sich bereit, den Jungvogel aufzunehmen, bis er flügge geworden ist. Offenbar war er aus einem Nest in ihrem Garten gefallen. Dafür stellten sie einen oben geöffneten Käfig in den Wintergarten – und ließen „Ludwig“, wie ihn die Hausherrin genannt hatte, fiepsen.
Einerseits fütterten sie ihn mit gehacktem und zuvor gekochtem Eigelb, das dem Piepmatz mit einer Spritze in den bereitwillig geöffneten Schlund geschoben wurden. Andererseits kamen durch die Rufe von „Ludwig“ auch die Elternvögel – und flogen in den nächsten Tagen Würmer, Käfer und andere Insekten an, um ihren Nimmersatt zu füttern.
Dabei kamen sie nicht nur in den Wintergarten geflogen, sondern auch zusätzlich in den Käfig: „Das zeigt, dass Amseln Kulturfolger sind. Sie sind an Menschen gewöhnt und passen sich neuen Situationen an“, meint Tierärztin Restle.
Das gelte aber auch für andere Tiere am Neugablonzer Bannwald und den anliegenden Straßen: Nachts bellen Füchse und schreien Marder, tagsüber kreisen Krähen einer Kolonie, und manchmal schlage ein Habicht mal eine Taube, berichtet Restles Freund Lars Mühlmann. „Dazu kommen noch viele Hauskatzen.“ Deshalb meinte die Tierärztin auch, dass es die Familie Klier mit dem Füttern versuchen sollte, empfahl die Eigelbkur und stellte den Käfig zur Verfügung.
Jungvögel fallen nicht selten aus dem Nest. „Flügge Vögel werden dann bis zum Wegfliegen von ihren Eltern gefüttert“, sagt Restle. Im konkreten Fall „Ludwig“ seinem Schicksal zu überlassen, wäre wohl nicht gut gegangen: „Die Natur ist gnadenlos.“ Dabei sei es unproblematisch, das Junge anzufassen – das sei eher bei richtigen Wildvögeln oder Kitzen ein Problem.
Lesen Sie auch: Warum sich Schülerinnen in Kaufbeuren um Bienen, Ponys und Ziegen kümmern
Zum Aufpäppeln eigne sich dann gekochtes Eigelb, das mit Wasser vermischt und per Pipette oder Spritze dem Jungvogel in den Schnabel gegeben wird. Kleinere Insekten seien auch möglich: „Die muss man auch nicht fangen, es gibt sie in Zoogeschäften oder auch Gartenbaumärkten“, sagt Mühlmann. Und Restle fügt an: „Keine zerschnibbelten Regenwürmer geben, die sind für Jungvögel zu schwer verdaulich. Denn die Elternvögel verdauen die vor.“
Wenn dann noch wie in Neugablonz, insgesamt sechs Menschen und die Eltern den Jungvogel gemeinsam füttern, kann dieser heil durchkommen – Junge, die aus dem Nest fallen, können zehn bis 14 Tage noch auf dem Boden leben, ehe sie abfliegen, bestätigt auch Birgit Hinne, die Vögeln in Not hilft. Aber während die leiblichen Eltern ihren Nachwuchs sowieso betreuen, müssen Zieh-Eltern geduldig sein: „Die Helfer müssen Zeit haben“, betont Mühlmann. Denn Jungvögel sollten alle zwei Stunden gefüttert werden. Und der Schreihals muss auch beschützt werden: Nachts war zwar der Wintergarten geschlossen, aber tagsüber streunten auch Katzen im Garten der Kliers umher.
Ob es ein Happy End für „Ludwig“ gab, ist nicht ganz klar: „Eines Vormittags war er einfach weg“, erzählt Demuth. Aber das Elternpaar fliegt inzwischen entspannt in dem Garten umher.
Lesen Sie auch: Tipps für Tierfreunde im Allgäu: Das müssen Sie ausprobieren