Rund um die hohen Kirchenfeste sind geistliche Konzerte mit barockem oder klassisch-romantischem Programm in der Regel eine sichere Sache, um Kirchen und Säle zu füllen. Etwas abseits der gewohnten Wege bewegte sich da die jüngste Aufführung in der Kaufbeurer Dreifaltigkeitskirche. Ganz nah am 120. Geburtstag von Duke Ellington war dort ein kombiniertes Arrangement seiner 1965, 1968 und 1973 entstandenen „Sacred Concerts“ aus der Feder von John Hoybuye zu hören, ergänzt durch drei Ellington-Standards für Bigband. Die Kirche komplett zu füllen, vermochte dieses unkonventionelle Programm freilich nicht. Aber es blieben erfreulich wenige Plätze leer, und die Anwesenden erwiesen sich als sachkundiges und begeisterungsfähiges Publikum.
Ausführende waren die Kaufbeurer Chöre Tourdion und The Blue Notes sowie die Bigband Horns Up unter der Leitung von Tiny Schmauch. Den Sopran-Solopart übernahm geschmeidig, mit Charme und vom Timbre her sehr „weiß“, aber mit perfektem Scat-Gesang Anke Roßocha. Eine sehr interessante Facette fügte außerdem die Stepptänzerin Mona Da Gaia hinzu – durchaus passend und einer möglichen Besetzungs-Vorgabe Ellingtons folgend. Denn schließlich geht es in einzelnen Nummern etwa um den Tanz König Davids. Für zusätzliche Nervosität vor der Aufführung sorgte die kurzfristige Absage des Gesamtleiters Martin Klein aus privaten Gründen. Traugott Mayr als Kirchenmusiker der Dreifaltigkeitskirche übernahm sehr kurzfristig und beeindruckend sicher und solide das Dirigat. Zunächst gehörte die Bühne Horns Up allein. Quasi als Vorgruppe brachten die Musiker den Gassenhauer „Caravan“, „Take the A-Train“ sowie das „Concerto for Cootie“ zu Gehör brachten. Bei letzterem Stück brillierte als Trompeten-Solist Theo Gessl mit perfekter Technik und einem vielleicht fast zu blitzeblank polierten Sound. Bei weiteren, kleineren Instrumental-Soli gefielen außerdem Stefan Pentenrieder (Trompete), Lothar Ringmayr (Alt-Saxofon), Florian Mayer (Tenor-Saxofon, Klarinette) sowie Sandor Somogyi (Posaune). Doch zum Kernstück des Abends: Dem Destillat aus drei legendären Ellington-Konzerten, mit denen der Gentleman des Bigband-Sounds schwarze, bluesige Farben des Jazz und die „weiße“ Klassik, mit der er bestens vertraut war, mitreißend zu einer Art Jazz-Sinfonik verbunden hat. Gleichzeitig erwies er damit der geistlichen Musik seine sehr individuelle Referenz. Für die Musiker, vor allem die Choristen, bedeutete das, zahlreiche übermäßige, jazzig gefärbte Intervalle zu treffen und eine insgesamt unsangliche und damit anspruchsvolle Melodieführung zu beherrschen. Eine Aufgabe, die die Sänger von Tourdion und The Blue Notes – vor allem auch noch unter einem anderen Dirigenten als in der Probenphase – beeindruckend gut lösten. Das galt besonders für das Zentrum dieses „Sacred Concerts“, die siebenteilige „Freedom-Suite“, die den Begriff der Freiheit musikalisch mit einem Höchstmaß an atmosphärisch-emotionalen Facetten ausleuchtet. Die Musiker folgten hier Ellingtons Intentionen hoch konzentriert und feinsinnig – mal gospelartig-innig und dicht, mal scharf, fast schneidend gezeichnet, mal heiter-swingend mit viel Wärme, mal mit Glanz und prickelndem Temperament.
Sehr speziell war auch der Auftritt von Mona Da Gaia, für die sich die Bigband und die Sänger bewusst dynamisch zurücknehmen mussten, um die reizvollen Percussion-Effekte des Stepptanzes nicht zuzudecken. Klar, dass die Schlussnummer, das sehr österlich-jubelnde Gute-Laune-Finale „Praise God and Dance“ nochmal komplett als Zugabe wiederholt wurde. Ein wunderbarer Abschluss eines sicherlich herausragenden und nicht alltäglichen Konzerts im diesjährigen Kaufbeurer Kulturkalender.