Alle Gegenstände in der Ausstellung sind gebraucht und werden nach deren Ende wiederverwendet. Dafür hat das Studio Leeflang, das die Ausstellung gestaltet hat, ein Konzept erstellt.
Bild: Martina Diemand
Alle Gegenstände in der Ausstellung sind gebraucht und werden nach deren Ende wiederverwendet. Dafür hat das Studio Leeflang, das die Ausstellung gestaltet hat, ein Konzept erstellt.
Bild: Martina Diemand
Eine stickige Fabrikhalle mit zahllosen Nähtischen, an denen erschöpfte Arbeiterinnen sitzen. Dieses Bild kennt man inzwischen aus vielen Berichten über die Modeindustrie. „Fast Fashion“, schnelle Mode, wird dort für große Ketten wie Shein oder Zara hergestellt. Eine Gegenbewegung ist „Fair Fashion“, faire Mode. Diesen beiden Polen ist die neue Sonderausstellung „Fair Enough?“ („Fair Genug?“) im Kempten-Museum im Zumsteinhaus gewidmet. Das Ziel: An Mitmach-Stationen spielerisch über die Fakten aufklären und Anregungen für einen anderen Umgang mit Kleidung geben.
Die Ausstellung ist das Ergebnis einer einjährigen Projektarbeit des Museums mit den Weltläden Kempten, Sonthofen, Immenstadt, Oberstdorf, Füssen und Buchloe sowie den nachhaltigen Modefirmen „Dezent Clothing“ und „Allgäu goes Fair Fashion“ aus Kempten und Stadelmann Natur aus Wiggensbach. Den Impuls dazu gab Angela Sontheim, Museumsmitarbeiterin und Mitglied im Weltladen Kempten. Denn die Ausstellung ist der nächste Schritt in einer Reihe von Aktionen.
Bereits 2017 hingen in einigen Städten im Allgäu übergroße Hemden, um auf die Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie hinzuweisen, sagt Marianne Haneberg-Klein vom Weltladen Kempten. Auch der damalige Entwicklungsminister Gerd Müller beteiligte sich. 2019 legten die Weltläden Iller-Lech einen „Fair-Fahion-Guide“ auf – eine Broschüre, die 70 Geschäfte mit nachhaltiger oder Secondhand-Mode auflistet. (Lesen Sie auch: Bei Trend Reischmann in Kempten nachgefragt: Wie wird meine Kleidung hergestellt?)
Die Ausstellung im ersten Stock des Kempten-Museums knüpft daran an. Eines der Themen seien etwa die Müllberge, die die Modeindustrie produziert, erklärt Projektleiterin Carolin Keim. Neben einem Kleiderstapel, der bis zur Decke reicht, ist ein eindrückliches Pressefoto zu sehen: ein riesiger Kleider-Müllberg mitten in der Atacama-Wüste in Chile.
Museumsleiterin Dr. Christine Müller Horn betont jedoch, dass man das Thema nicht mit einem erhobenen Zeigefinger vermitteln möchte. Ziel sei, Lust zu machen, das Thema zu entdecken.
Auf einer Wäschespinne hängen beispielsweise mehrere T-Shirts – jedes mit einem anderen Textilsiegel bedruckt. Dazu wird erklärt, welches Siegel den Fokus auf welche Standards lege, sagt Keim. Beispielsweise spielt nicht bei allen eine faire Bezahlung eine Rolle. (Lesen Sie auch: Wie der Fair-Fashion-Shop in Kempten die Waren-Bestellung umgestalten will)
Die andere Hälfte der Wäschespinne ist mit verschiedenen Stoffen bestückt, die ebenfalls erläutert werden. „Man kann die Unterschiede spüren“, sagt Rosalie Nold vom Weltladen Füssen. Etwa von Seide und Kunstseide, von Viskose und Ecovero oder Tencel.
Ein Kleiderschrank hält ein Quiz bereit. Die Antworten finden Besucherinnen und Besucher als Stickerei auf den darin befindlichen Oberteilen. Zwei überdimensionale Kassenzettel dröseln die Kosten für ein faires und für ein konventionell hergestelltes Kleidungsstück auf. Ob das eine Möglichkeit im Alltag sein könnte, Menschen zum Umdenken zu bewegen?
Julia Leeflang vom gleichnamigen Studio, das die Ausstellung gestaltet hat, glaubt nicht daran: „Damit Menschen sich verändern, muss es weh tun.“ Nichtsdestotrotz wartet die Ausstellung mit Tipps auf, wie jeder und jede in Sachen Kleidung umweltbewusster und nachhaltiger handeln kann. (Lesen Sie auch: Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Haushalt: Saubere Wäsche mit Nüssen, Kastanien und Efeu)
Es gehe nicht darum, dass alle nur noch Fair Fashion kaufen sollen, sagt Keim. Auch Leihen sei eine Möglichkeit, oder darauf zu achten, wie man wäscht. Für Lehrer ist eine Fortbildung geplant. Und es gibt auch ein spezielles Quiz für Schulklassen. Erste Anfragen liegen schon vor.
Die Sonderausstellung „Fair Enough?“ ist bis 5. November im Kempten-Museum im Zumsteinhaus zu sehen.