In einer Zelle der Kemptener Justizvollzugsanstalt kam es zu einem Zwischenfall zwischen Insassen.
Bild: Matthias Becker (Archiv)
In einer Zelle der Kemptener Justizvollzugsanstalt kam es zu einem Zwischenfall zwischen Insassen.
Bild: Matthias Becker (Archiv)
Er hat seinem Zellengenossen einen Plastikstuhl gegen den Kopf geschlagen, weil dieser den Fernseher nicht ausschalten wollte: Ein knapp 50-Jähriger wurde nun vom Amtsgericht Kempten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er muss zusätzliche sechs Monate im Gefängnis bleiben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Höher wäre die Strafe ausgefallen, hätte ein Sachverständiger dem Angeklagten nicht eine erheblich geminderte Steuerungsfähigkeit attestiert. Er leide unter paranoider Schizophrenie. In einem Gespräch habe er angegeben, die Stimme Gottes zu hören, er habe Auseinandersetzungen mit dem Teufel und werde von anderen Menschen gesteuert. Während seiner Kindheit in Vorderasien habe er im Krieg Menschen sterben sehen, die Bilder verfolgten ihn noch heute. Aktuell sitze er vor allem wegen Diebstahls. Über den Tatabend habe der Angeklagte gesagt, er habe etwas Teuflisches gesehen, sein Zellengenosse habe seine Nerven festgehalten. An die Tat selbst erinnere er sich nicht.
Es war wohl gegen 22.45 Uhr, als der Angeklagte in seiner Zelle in der JVA Kempten schlafen wollte. Sein Zellengenosse stellte den Fernseher an – leise, wie dieser nun vor Gericht als Zeuge aussagte. Der Angeklagte – „wir hatten immer ein gutes Verhältnis, haben täglich Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt“ – sei daraufhin auf ihn zugekommen und habe gesagt: „Not possible, not possible, officer!“ Beide seien sich gegenübergestanden, dann habe der knapp 50-Jährige einen Plastikstuhl genommen und ihm auf den Kopf geschlagen. Bis zum Eintreffen der Vollzugsbeamten seien sich beide schweigend gegenübergestanden, sagte der Zellengenosse vor dem Amtsgericht. „Wir waren beide perplex.“
Er selbst habe kein Interesse daran, dass der knapp 50-Jährige bestraft wird. „Das ist nur wegen seiner Krankheit passiert“, ist er sich sicher. Er selbst habe nur eine Platzwunde davongetragen.
Der Staatsanwalt jedoch forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Dem Angeklagten war das sichtlich zu viel: Er stand auf, murmelte vor sich hin, er wolle in sein Heimatland, begann heftig zu zittern. Die Polizistinnen legten ihm daraufhin Handschellen an, zusätzliches Sicherheitspersonal kam in den Saal – wurde aber nicht tätig.
Nach kurzer Pause ging es weiter, der Verteidiger forderte sechs Monate, die auf Bewährung ausgesetzt werden sollen: „Er versteht auch so, dass er das nicht mehr machen darf.“ Das Gericht verurteilte den Angeklagten schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung: „Eine positive Sozialprognose für eine Bewährung sehe ich nicht: Wenn er in Haft nicht straffrei bleibt, dann draußen wohl auch nicht.“