Steckt auch mit 80 voller Fantasie, Humor und Tatendrang: Uwe Neuhaus.
Bild: Matthias Becker
Steckt auch mit 80 voller Fantasie, Humor und Tatendrang: Uwe Neuhaus.
Bild: Matthias Becker
Herr Neuhaus, alles Gute zum 80.
Neuhaus: Nicht nur: 30 Jahre Ehe, 50 Jahre Kunsthof, 80 Jahre ich!
Na denn: Dreifach Glückwunsch! Älter werden ist nichts für Feiglinge, sagt man. Stimmt das?
Neuhaus: Na ja, ich habe viel erlebt, und nicht alles war Honigschlecken. Ich bin aber dankbar, dass ich gesund bin, dass ich einen wachen Geist habe, dass ich da sein darf, und dass mir viele Menschen wohlwollend sind.
Ihr Rezept fürs Leben?
Neuhaus: Ich bin ein vorsichtiger Mensch und nie ohne Kletterseil die Wände hoch – bildlich gesprochen! Und ich bin Optimist. Mein Optimismus hat mich durchs Leben getragen. Das kann man sich nicht beibringen, ist eher eine Begabung und vielleicht auch eine Art Naivität.
Ihr Optimismus erstaunt, hatten Sie doch eine nicht ganz leichte Kindheit. Ihre Mutter war Schauspielerin an kleinen freien Bühnen. Ihren leiblichen Vater haben sie erst mit 16 getroffen. Sie haben viel Zeit in Kinder- und Erziehungsheimen verbracht und wuchsen bei Pflegeeltern auf.
Neuhaus: Ich bin ja im zerbombten München aufgewachsen. Meine Mutter und ich haben in einem Haus gewohnt, in dem alle möglichen Menschen zusammenlebten: Schauspieler, alte Adelige und die letzten Proleten. Im Hof haben sich dann alle getroffen. Ringsum, in den Ruinen, lieferten sich irgendwelche Banden Schlachten. Ich habe als kleiner Junge altes Holz für unseren Ofen oder Pfandflaschen gesammelt, bin ausgeraubt und auch mal verprügelt worden. An der Zerrissenheit, die ich als Kind erlebte, bin ich aber wohl auch gewachsen.
Sie wurden am 22. Januar 1942 geboren, zwei Tage nach der berüchtigten Wannseekonferenz, auf der die Nazis die Organisation des Holocausts diskutierten und mit fürchterlichen Konsequenzen auf den Weg brachten.
Neuhaus: Ja, zwei Tage vor meiner Geburt ist so etwas Schreckliches beschlossen worden. Ich ertrage es bis heute nicht, was da geschehen ist, wie viele Menschen da gestorben sind. Das berührt mich immer noch unendlich. Ich musste zwar nicht in die Hitler-Jugend und mit irgendwelchen Kindern und Jugendlichen Brücken verteidigen oder sprengen. Aber dieser Nazi-Ungeist war noch lange allgegenwärtig. Ich machte Mitte der 50er Jahre eine Lehre zum Schriftenmaler. Wenn ich unsauber arbeitete, deutete der Gesell auf die fehlerhafte Stelle und sagte. „Da ist noch ein Jud’!“ Schrecklich! Aber wenn ich jetzt mit 80 zurückschaue, muss ich auch sagen: Ich habe wirklich die Gnade des Lebens und des Friedens erlebt. Gut 75 Jahre lang. Da kann ich nur dankbar sein.
Aber viele scheinen nicht dankbar zu sein und demonstrieren aggressiv.
Neuhaus: Ja, diese Gewalt und diese Aggression sind mir fremd. Ich kann das nicht nachvollziehen. Verglichen mit den vielen anderen Ländern auf der Welt leben wir in Europa auf einer Insel der Demokratie. Das ist doch so was Kostbares! Das scheinen manche irgendwie vergessen zu haben. Demokratie, das wird jetzt wieder deutlich, ist immer auch in Gefahr. Man muss dafür ständig etwas tun – unbedingt. Das ist in meinem Herzen tief verankert.
Was treibt Sie als Maler an?
Neuhaus: Wenn ich ein Bild male, dann ist das für mich wie ein Abenteuer, und der Betrachter muss mein Abenteuer auch spüren. Dann hat ein Bild eine Faszination. Als Maler will ich immer etwas erzählen. Das war schon immer so. Ich komme aus dem Fantastisch-Realistischen und Akribischen, habe wie die alten Meister mit Ölfarben gemalt. Aber vom Inneren her hat es mich immer zur Avantgarde gezogen – auch wenn ich selber nicht so war. Avantgardisten haben mich zu Akademiezeiten als Kitsch-Maler beschimpft, weil ich so ein Träumer war. Aber ich war immer nach allen Seiten offen und das hat sich all die Jahre nicht geändert.
In Ihren Bildern geht es auffallend oft auch um den Tod.
Neuhaus: Ja, obwohl ich ein humoristischer Mensch bin, spielt der Tod, aber auch das Leben, symbolisch eine Rolle. Und, auch wenn ich nicht nekrophil veranlagt bin, liebe ich schon immer das Morbide.
Bei Herbert Achternbusch, der am 10. Januar im Alter von 82 gestorben ist, war das ähnlich.
Neuhaus: Ein toller Künstler und ein brutaler Egomane. Der war mal hier auf meinem Kunsthof, 1977, 1978 war das wohl. Sein Kameramann Jörg Schmidt-Reitwein ist ein Freund von mir und brachte ihn mit. Da hatte er gerade „Bierkampf“ gedreht. Und so etwas Ähnliches gab es dann auch abends in Altusried.
Inwiefern?
Neuhaus: Wir saßen im Café Daiser zusammen. Meine Mutter und Achternbusch diskutierten. Plötzlich stand er auf und schüttete ihr seine Halbe Bier über den Kopf. Meine Mutter bestellte daraufhin eine Halbe und kippte sie ihm langsam über den Kopf. Damit war die Sache aber erledigt. Hinterher mussten wir Achternbusch noch ins Krankenhaus bringen. Er hatte sich eine Torte aus der Vitrine geholt, auf den Marktplatz gelegt und zertanzt. Dann ist er noch von der Motorhaube eines Autos drauf gesprungen, rutschte aus und brach sich ein Bein.
Gibt es in diesem Jahr wieder eine Sommerausstellung auf dem Kunsthof?
Neuhaus: Ich denke schon, sofern Corona es zulässt. Themen wie Umwelt und Weltuntergang haben mich schon immer beschäftigt. Und es könnte sein, dass ich dazu eine Ausstellung aus verschiedenen Zeiten zusammenstelle. Es gibt ja diesen Satz „Es ist fünf vor Zwölf“. Ich würde das aber so formieren. „Es war schon immer 11.55 Uhr, als es Fünf vor Zwölf war.“
Infos zu Uwe Neuhaus und seinem Kunsthof in Oprechts bei Altusried: https://kunsthof-neuhaus.jimdofree.com/