Wenn bei „Artus!“ die Ritter gegeneinander kämpfen und die Klingen kreuzen, geht es naturgemäß auf der Altusrieder Freilichtbühne markig und laut zu. Doch dieses Mal ist alles noch ein wenig imposanter und fesselnder. Denn unter Leitung von Gertrud Hiemer-Haslach sorgt ein 22-köpfiges Orchester für einen beeindruckenden Soundtrack – nicht nur bei der finalen, furiosen Schlacht, sondern gerade auch bei kleineren, intimen Szenen. „Die Musik soll die Szenen unterstützen, soll Emotionen beim Zuschauer hervorrufen“, sagt Hiemer-Haslach. Das tut sie dieses Mal besonders gut.
Komponist Cornelius Borgolte wollte keine mittelalterliche Musik ins Zentrum rücken. Das werde schnell langweilig und erzeuge nur wenig Spannung, findet der 52-Jährige. So hat er sich beim Komponieren an Filmmusik orientiert. Und das war auch für Gertrud Hiemer-Haslach eine neue Erfahrung. „Er hat viele Szenen auskomponiert, und das hat eine besondere Qualität“, sagt die Dirigentin. So etwas habe es beim Altusrieder Freilichtspiel noch nicht gegeben. „Es war eine Herausforderung für uns“, sagt die 45-jährige Dirigentin, die im Allgäu vor allem als Sopranistin bekannt ist und an der Realschule in Leutkirch Deutsch und Musik unterrichtet. 2004 stand sie erstmals auf der Freilichtbühne, als Ottilie im Operettenklassiker „Im Weißen Rössl“. Viele Jahre lang leitete sie den Altusrieder U50-Chor. 2013, im Stück „Don Quijote“, übernahm sie erstmals bei einem großen Freilichtspiel ihrer Heimatgemeinde die musikalische Leitung.
55 Einsätze hat sie mit ihrem Projektorchester bei „Artus!“ – 20 mehr als 2016 bei „Robin Hood“. Hellwach gilt es für die Dirigentin bei jeder Vorstellung zu sein. Denn sie muss nicht nur das Orchester zusammenhalten, sondern auch für die richtige Abstimmung mit dem mitunter turbulenten Bühnengeschehen sorgen. Ohne Kopfhörer geht nichts. Denn Hiemer-Haslach, die im Orchestergraben auf einem kleinen Monitor das Bühnengeschehen verfolgt, dirigiert nach Stichworten der Schauspieler. Eine Ausnahme ist eine Schlüsselszene im ersten Teil, als der junge Artus das Schwert Excalibur aus dem Stein zieht, und die Musik diese Aktion begleitet. Hier blickt sie über ihre Schulter direkt nach draußen.
Im 22-köpfigen Artus-Orchester finden sich alle möglichen Instrumente wieder: Blech-, Holz- und Saiteninstrumente sowie Percussion. Mithilfe einer 200-Kilogramm schweren, mit Mikrofonen bestückten Stahlplatte werden zudem wuchtige und schaurige Effekte für die Kampfszenen generiert.
Viele Instrumente haben Solo-Einsätze, so die Klarinette, Querflöte, Posaune, Trompete, Harfe und die kleine Trommel. Und eine akustische Gitarre begleitet die Ausführungen eines Kinder-Duos, das das vielschichtige historische Geschehen aus heutiger Sicht erklärt und kommentiert. Auf der Bühne kommen zudem vier Luren (nachgebaute römische Kriegstrompeten) zum Einsatz, gespielt von Altusrieder Alphornbläsern.
Angesichts der 28 Aufführungen sind viele Instrumente doppelt oder dreifach besetzt. Hiemer-Haslach kann aus einem semi-professionellen Pool von gut 50 Musikern schöpfen. Sie kommen aus dem Ober-, Unter- und Westallgäu und aus Oberschwaben, einige auch aus den Blaskapellen der Gemeinde Altusried. Sie alle spielen (wie die anderen Mitwirkenden) für eine symbolische Gage von zwei Euro – also „für Gottes Lohn“, wie Hiemer-Haslach sagt. Viele Musiker reize die spezielle Herausforderung der Theatermusik, die eng mit dem Bühnengeschehen verzahnt ist. „Cornelius Borgolte hat uns die Musik auf den Leib geschrieben“, sagt die Dirigentin. Der Komponist setze konsequent auf handgemachte Musik: Jeder Ton oder Klang wird live erzeugt und einzeln abgenommen. Fast die Hälfte der 90 Kanäle des Mischpults belegt das Orchester. Auf der Bühne sind 40 Headsets im Einsatz, die die Schauspieler und Sänger auch durchwechseln.
Neben dem Orchester betreut Hiemer-Haslach den gemischten Chor und den 14-köpfigen Avalon-Frauen-Chor, der anspruchsvolle keltische Lieder singt. Die Sänger hören den Orchesterklang über Headsets. Für ihre Einsätze schauen sie auf einen großen Monitor über der Zuschauertribüne, auf dem die Dirigentin in Aktion zu sehen ist. „Der Beamer darf nie ausfallen“, sagt Hiemer-Haslach.
60 Musiker finden im neuen, 650000 Euro teuren Orchestergraben auf vier Stufen Platz. Fördermittel gab es dafür aus dem Kulturfonds Bayern, vom Landkreis Oberallgäu, dem Bezirk Schwaben und der bayerischen Landesstiftung. Im früheren viel zu kleinen, schlecht belüfteten Raum hatten sich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit die Saiteninstrumente verstimmt; andere große Instrumente wie Pauken- oder Röhrenglocken hatten keinen Platz und mussten in die angrenzenden Künstlergarderoben ausweichen. Eine so komplexe, facettenreiche Bühnenmusik, wie sie Cornelius Borgolte für „Artus!“ komponierte, live und auf den Punkt zu bringen, wäre unter diesen Umständen wohl nicht möglich gewesen.