Hagel, Gewitter, Sturzbäche: Das Allgäu hat es am Donnerstag heftig erwischt. Immer öfter scheinen extreme Wetterereignisse die Region zu treffen – zum Teil mit erheblichen Schäden. Ist das nur ein Eindruck oder ist es belegbar? Und wie können sich die Menschen schützen?
Die Prognose: „Die Zahl der Unwetter im Allgäu hat in den vergangenen Jahren vor allem im Sommer zugenommen und wird weiter zunehmen – hier ist deutschlandweit ein Hotspot gerade bei Gewittern“, sagt Joachim Schug, Chef-Meteorologe von Meteogroup. Welche Bereiche es besonders heftig treffe, sei jedoch Zufall. Aber durch die Lage am Alpenrand könnten sich die feuchten Wolken, die sich bei steigenden Temperaturen gebilden, stauen und in kurzer Zeit heftig abregnen. Durch den Klimawandel registrierten die Meteorologen seit 2000 immer mehr Hitzerekorde, die Unwetter begünstigen. „Das geht inzwischen schon im Juni los.“
Die Einsatzkräfte: Noch fühlen sich die Feuerwehren gut gewappnet für Extremwetter-Ereignisse, sagt der Oberallgäuer Kreisbrandrat Michael Seger. In den vergangenen Jahren seien vermehrt Schmutzwasserpumpen angeschafft worden und nahezu in jeder Gemeinde verfügbar. Besonders starke Pumpen sind in Sonthofen beim Technischen Hilfswerk sowie bei den Wehren in Durach und Oberstdorf stationiert. Und in Waltenhofen steht ein Spezialfahrzeug.
Unwetter im Allgäu: "Die Schäden werden zunehmen"
Schutzmaßnahmen: „Wir bewegen uns wettermäßig immer mehr Richtung Tropen und die Schäden werden zunehmen“, sagt Wetterforscher Schug. Darauf müssten sich Menschen und Kommunen einstellen. Jeder könne und müsse CO2 im Kleinen reduzieren, besonders Altenheime müssten für ihre Bewohner Vorsorge treffen und Kommunen beispielsweise die Kanalisation erweitern. Abflussrohre und Bäche sollten zudem schon im April oder Mai gereinigt werden, um so einen besseren Abfluss bei Starkregen im Sommer zu gewährleisten.

„Gerade in den Städten müssen mehr Bäume gepflanzt werden, die Schatten spenden, damit sich Plätze und Straßen nicht zu sehr aufheizen“, erläutert Schug. Er regt zudem ein besseres Warnsystem an, um Katastrophen wie im Ahrtal zu verhindern. Das könne zum Beispiel mit Sirenen geschehen. „Es müsste natürlich klare Signale geben und die Menschen müssten auch wissen, wie sie dann reagieren sollen.“
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Bei Hagel im Tunnel auf der Autobahn halten ist verboten
Richtiges Verhalten: Im Reinhartshofer Tunnel auf der A7 bei Füssen blieben am Donnerstag mehrere Fahrer mit ihren Autos stehen, um die Fahrzeuge vor dem Hagel zu schützen. „Das ist nicht erlaubt und gefährlich“, sagt Polizeisprecher Stabik. Doch wie sieht es aus, wenn die Fahrer auf Bundesstraßen oder Autobahnen bei Starkregen oder Hagel auf dem Randstreifen halten, weil die Sicht extrem schlecht ist und sie nicht weiterfahren wollen? Dabei könnte es sich laut Stabik um einen „rechtfertigenden Notstand“ handeln. Dieser erlaubt es unter Umständen, bei Gefahr für Leib und Leben eine eigentlich rechtswidrige Tat zu begehen. „Dabei kommt es aber stark auf den Einzelfall an“, sagt Stabik. Zunächst laute die Devise: langsam fahren. Ist aber das Anhalten die sinnvollste Lösung, werde man wohl auf ein Bußgeld verzichten. „Man sollte aber niemals auf dem Fahrstreifen stehen bleiben“, betont Stabik.

Aktuelle Schäden: Zwischen 16 und 19 Uhr zählte die Polizei am Donnerstag 25 Einsätze, alle in den südlichen Dienststellen in Kempten, Immenstadt, Sonthofen, Oberstdorf und Füssen. Menschen sind laut Stabik nicht zu Schaden gekommen. Ein Blitzeinschlag im Kemptener Stellwerk führte kurzfristig zu Behinderungen im Bahnverkehr. Obwohl Oberstdorf mit Starkregen und Murenabgängen besonders stark betroffen war, erinnerte am Freitag kaum noch etwas an die Wassermassen, die sich am Tag zuvor ihren Weg durch die Straßen des Oberallgäuer Ortes gebahnt hatten. Vereinzelt standen noch Sandsäcke vor den Häusern und einige Schutthaufen ließen vermuten, wie stark das Unwetter dort getobt hatte. „Doch es gab schon Schlimmeres“, sagte Thomas Huber von den Kommunalen Diensten Oberstdorf. Er kontrollierte vor der St. Maria Loretto-Kapelle die Abflussschächte auf Ablagerungen. Das sei gängig nach einem solchen Gewitter. Auch die Kapelle, in der vor kurzem noch Dreck, Schutt und Wasser gestanden hatten, strahlte schon wieder im alten Glanz.
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Wie entsteht Hagel?
Mal sind es nur Kügelchen, dann wieder Geschosse, die Glasscheiben zertrümmern können. Hagelschauer wie am Donnerstag im südlichen Allgäu sorgen immer wieder für Schäden. Doch wie entstehen die Eiskörner? Ihren Ursprung haben sie in sich auftürmenden Gewitterwolken, in denen warme Luft aufsteigt und sich dadurch abkühlt. Dabei bilden sich Tröpfchen, die zusammenwachsen und zu Eis gefrieren. Danach bewegt der Wind sie mehrmals auf und ab, wodurch sie weiteres Wasser aufnehmen. Schwächt sich der Wind ab oder werden die Körner zu schwer, fallen sie herunter – und können große Schäden verursachen. Allerdings treten sie sehr lokal auf, erläutert Joachim Schug, Chefmeteorologe der Meteogroup. „Hagelstriche sind nicht mal einen Kilometer breit, das macht Prognosen schwierig.“ Der Klimawandel sorge jedoch für häufigere Hagelschauer und größere Körner: „Weil die Luft wärmer ist, hat sie mehr Energie und das Risiko für mehr und größeren Hagel ist höher als vor 30 Jahren.“ (ene)
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