In zwei Lindauer Bächen, die in den Bodensee münden, wütet wohl doch nicht die Krebspest, die komplette Edel- und Steinkrebsbestände ausrotten kann. Doch selbst wenn die gefährliche Krankheit in den Bodensee gelangt wäre, hätte sie dort nichts mehr anrichten können. Denn die Populationen der heimischen Krebse sind dort längst vernichtet, sagt Dr. Oliver Born, Fischereifachberater im Bezirk Schwaben.
Krebspest breitet sich seit Ende September im Allgäu aus
Trotz Entwarnung in Lindau: Seit Ende September breitet sich im Allgäu die Krebspest aus. Born schätzt, dass die Todeszahlen in der Region bisher mindestens vier-, wenn nicht fünfstellig sind. Zuerst wurden infizierte Tiere im Moos- und Mühlbach in Lindenberg gefunden, dann traf es die Bestände im Alatsee bei Füssen. Bei den Kadavern aus dem Badesee hat ein Labor laut Wasserwirtschaftsamt Kempten (WWA) mittlerweile offiziell die tödliche Pilzinfektion nachgewiesen.
Labor-Ergebnis bestätigt Krebspest am Alatsee
Das Labor-Ergebnis für die toten Krebse aus Lindau liege erst gegen Ende der Woche vor, teilt das WWA mit. Doch Born kann schon jetzt begründen, warum die Tiere wahrscheinlich nicht an der Pestepidemie gestorben sind. „Einer meiner Mitarbeiter war vergangene Woche vor Ort und hat sich die Misere angesehen.“ Der Angestellte habe verendete Krebse zur Analyse mitgenommen.
Das Ergebnis: In Lindau starben keine heimischen Edel- oder Steinkrebse, sondern Signalkrebse. Die Art aus Nordamerika brachte die Krebspest, gegen die sie selbst größtenteils immun ist, erst nach Europa.
Signalkrebse in Lindau - doch keine Krebspest?
Ihr Vorkommen bestätigt laut Born, dass es in dem infiziert geglaubten Giebel- und Tobelbach in Lindau seit geraumer Zeit keine heimischen Krebse mehr gibt. Sobald die Signalkrebse einmal im Gewässer sind, hätten die heimischen Arten keine Chance mehr, sagt Born. Das Krebssterben in Lindau erklärt er sich so: „Die Signalkrebse sind vermutlich an toxischen Mitteln im Wasser wie zum Beispiel Insektiziden gestorben“, sagt der Experte.

Born hat auch eine Vermutung, warum die Krebspest im Allgäu ausgebrochen ist: „Es kann sein, dass Krebsbesitzer ihre Tiere aus dem Aquarium verbotenerweise in Gewässer ausgesetzt haben – wahrscheinlich Signalkrebse.“ Das sei schon einmal passiert.
"Krebse in infizierten Gewässern werden sterben"
Egal, woher die Krebspest nun kommt – die Lage ist laut Born dramatisch. „Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Populationen in den infizierten Gewässern sterben werden.“ Das Ausbreiten der Krankheit sei nicht aufzuhalten. Auch wenn Bäche und Seen gesperrt werden, fänden die resistenten Pilzsporen, die bis zu 14 Tage überleben, etwa über Wasservögel und Biber ihren Weg in weitere Flüsse oder Seen.
Edelkrebse erfüllen im Allgäu wichtige Funktion
Ein Gewässer ohne Edel- und Steinkrebse hat laut Born fatale Konsequenzen für das Ökosystem, denn die Tiere funktionieren „als eine Art Gesundheitspolizei“. Sie fressen etwa Fischkadaver und bremsen das Pflanzenwachstum aus. Das könnten Signalkrebse zwar auch, sagt der Experte. Diese Art neige aber zu einer Massenpopulation, die andere Wasserlebewesen bedroht. „An der unteren Iller gibt es mittlerweile zum Beispiel so viele Signalkrebse, dass seltene Fischarten gefährdet sein könnten.“
Es gibt laut Born nur einen Weg, um die heimischen Krebse zu erhalten: „Wir setzen dauerhaft neue Populationen in noch nicht infizierten Baggerseen aus – wie etwa in Irsee im Ostallgäu.“