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Künstler Diether Kunerth: Eine Biografie in Bildern

JKunerth-Museum

Künstler Diether Kunerth: Eine Biografie in Bildern

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    Wollte anlässlich seines 80. Geburtstags das nach ihm benannte Kunsthaus in Ottobeuren ganz allein bespielen: Künstler Diether Kunerth, inzwischen 81.
    Wollte anlässlich seines 80. Geburtstags das nach ihm benannte Kunsthaus in Ottobeuren ganz allein bespielen: Künstler Diether Kunerth, inzwischen 81. Foto: Matthias Becker

    Würde er eine Biografie schreiben, sie würde wohl mühelos 1000 Seiten füllen. Doch Diether Kunerth ist Künstler, seine Geschichten entstehen im Aufeinandertreffen von Form, Farbe und Material: Nicht Worte, sondern mehr als 200 Selbstbildnisse – Gemälde sowie einzelne Skulpturen und Plastiken – erzählen aus seinem nun 81-jährigen Leben. Von Träumen, Ängsten, Begegnungen und Abschieden, Reiseerfahrungen und dem Altern. All das blickt dem Betrachter in der neuen Soloausstellung im Ottobeurer Kunerth-Museum mehr als 200-mal entgegen aus einem Gesicht, das immer dasselbe ist – und stets ein anderes.

    Mit seinen Werken durchwandert Kunerth Lebensphasen – vom Buben in Lederhosen über den jungen Kerl in Blue Jeans bis zum alten Mann. „Veränderte Lebensabschnitte“ nehmen in einem Gemälde von 2020 Gestalt an: zunächst in der Jugend optimistisch aufsteigend, dann gebeugt, liegend – und mittendrin als Schreckgesicht der Tod. Diese Darstellung wirkt wie ein Gedankenbild des Mannes, der darunter im Profil zu sehen ist. „Die Selbstbildnisse“, sagt Kunerth, „sind eine Chance, mich in der Veränderung zu beobachten.“

    Die Werke wachsen - und am Ende steht man vor einem Geheimnis, sagt Diether Kunerth

    Genau das wollte Kunerth, der sich nach dem Studium der Bildhauerei in München gegen den großstädtischen Kunstbetrieb entschied: frei sein, sich wechselnden Lebenserfahrungen zu stellen. Genau so, sagt er, entstünden seine Werke: „Sie sind gewachsen, und am Ende steht man vor einem Geheimnis.“ Dem Moment hingegeben, das entspannte Gesicht dem Himmel zugewandt – so zeigt ihn das großformatige „Selbstbildnis am Meer“ von 1986.

    Der Einsatz von Farbe verleiht den Gemälden ein Leuchten und eine suggestive Kraft

    Welch kreative Kraft der Künstler aus dieser Offenheit zieht, deutet schon die bloße Zahl der ausgestellten Werke an – doch unübersehbar zeigt es sich in den vielschichtigen Ausdrucksformen. Fast streng würden die kubistischen, weitgehend auf Flächen reduzierten Werke aus den 1980er Jahren wirken – wäre da nicht der für Kunerth charakteristische Einsatz von Farbe, der den Gemälden ein Leuchten und eine suggestive Kraft verleiht. Einfachheit und Klarheit sind Konstanten – später findet der Maler dafür eine weiche, intuitive Sprache. Wie ein Kaleidoskop wirken die Selbstbildnisse im Wandel von den 1960er Jahren bis in die jüngste Gegenwart, aus der viele Exponate stammen: Holz, Glasscheiben oder Puzzles dienen als Untergrund – dicht an dicht gesellen sich Portraits in Acryl und Aquarell zu Linolschnitten, Tuschezeichnungen, Skulpturen und Collagen, die Malerei und Fotografie zusammenführen.

    Vernetzung: Dieser Gedanke ist für Kunerth zentral, auch wenn er sich selbst stets als Einzelgänger erlebte. Ihm liegt daran, dass in seinen Werken Elemente gleichberechtigt zur Geltung kommen. So bleibt er Teil des Ganzen, fügt die eigene Gestalt durch Farbgebung und Pinselduktus der Landschaft oder dem Geschehen ein.

    Künstler Kunerth ist in Sorge um die Zukunft der Erde

    Die leuchtend warmen Töne von Rot, Orange und Purpur der „Untergehenden Sonne“ von 2020 spiegeln sich auf dem Gesicht, schaffen Intimität. In anderen Werken thematisiert Kunerth seine Sorge um die Zukunft der Erde, das Vegetarier-Sein und seine Verbundenheit mit Tier und Natur. Nicht immer steht er dabei – wie beim „Selbstbildnis im vegetativen Kreis“ – im Zentrum, teils muss man ihn als Randfigur in üppigen Landschaften ausfindig machen.

    Leben heißt bei Kunerth auch Reisen. Orte und Kulturen in aller Welt kennenzulernen nimmt als wertvolle Erfahrung großen Raum bei seiner Biografie in Bildern ein. Die spart auch gefährliche Momente nicht aus. Als er etwa während der Zypern-Konflikts (1974) auf Reisen war, übernachtete Kunerth einmal auf freiem Feld – und sah sich plötzlich einem Panzer gegenüber.

    Doch die Ausstellung zeigt auch Dinge wie sein Geburtshaus, die traumatische Kindheitserfahrung der Vertreibung aus dem Sudentenland, die Familie: ein Leben in Bildern, das hier mit Wucht konzentriert ist. Um das wirken zu lassen, empfiehlt es sich, viel Zeit oder einen zweiten Besuch einzuplanen.

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