Die Brass Band Unterallgäu darf beim „Symphonischen Hoagascht“ des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) mitmachen. Von den 100 Bewerbern kamen – wie berichtet – nur noch drei weitere Ensembles zum Zug, darunter das Jugendblasorchester Marktoberdorf. Alle vier Kapellen gestalten zusammen mit dem BR-Symphonieorchester unter Leitung des Dirigenten Sir Simon Rattle ein Konzert am 7. Juli 2024 im Showpalast in München und bringen dabei das für sie komponierte Stück „Phon“ von Lorenz Dangel zur Uraufführung. Er erhielt kürzlich den Deutschen Filmpreis für die beste Musik zum Film „Sterben“ über einen Dirigenten und seine Beziehung zu seinen Eltern.
Das Werk von Lorenz Dangel klingt rätselhaft
Nun ist der 47-jährige Komponist aus Berlin extra nach Erkheim gereist, um mit der jungen, 32-köpfigen Brass Band, die nur aus Blechbläsern besteht, zu proben. Wegen des Hochwassers im Unterallgäu hatte das Treffen zunächst verschoben werden müssen. Doch jetzt stand Dangel am Pult des Musikheims und wies die Musiker und Musikerinnen in die Geheimnisse seiner Partitur ein.
Das schien auch notwendig zu sein, denn über lange Strecken hinweg klingt das Werk rätselhaft. Da müssen die Musikerinnen und Musiker mit den Fingerkuppen auf ihre Instrumente klopfen oder tonlos in die Mundstücke blasen. Es haucht und zischt, dazwischen sind Schmatzgeräusche zu hören, die von Enten herrühren könnten. Nicht jede Instrumentalistin hat sofort den Dreh raus. „Gib deinem Mundstück ein Bussi“, ruft eine Musikantin der anderen zu. „Dann entsteht das Schmatzen!“
Das sinfonische Stück verwandelt sich am Ende in eine Polka
Lorenz Dangel, der auch schon mit dem 90-köpfigen Jugendblasorchester Marktoberdorf probte, spricht immer wieder über die Haltungen, die seine Musik ausmachen. „Es geht um den Gestus, die Noten sind mir egal“, sagt er augenzwinkernd an einigen Stellen, an denen Melodie und Harmonie aufgelöst scheinen. Bei klangvolleren Passagen fordert er eine höfliche Haltung oder eine „hyperromantische Geste“. Nach dem Zerfall der konventionellen musikalischen Ordnung wandelt sich die Geräuschmusik im Lauf der Zeit zu einer Polka.
Es gibt noch weitere Herausforderungen. Die Brass Band Unterallgäu spielt einzelne Teile, die sich mit den anderen Ensembles verzahnen und erst dann ein Ganzes ergeben. Der Gesamtklang mit den anderen Orchestern kann also nur in München geprobt werden. Doch die überwiegend jungen Leute, die Musik als Hobby neben ihrem Beruf betreiben, zeigen die Qualität, die notwendig ist, diese Anforderungen zu meistern. Hochkonzentriert nehmen sie die Anweisungen von Lorenz Dangel auf und machen Notizen in ihren Noten.
Der 1977 in Würzburg geborene Komponist hat für die vier Blaskapellen des Hoagaschts jeweils einen Teil geschrieben. Darin kann jedes sein spezielles Können präsentieren. Im Gegensatz zu der fiktiven Figur des besessenen, aufbrausenden Komponisten im Film „Sterben“, wirkt Dangel bei der Probe in Erkheim entspannt und freundlich. Auch seine Musik ist nicht so ernst und existenziell wie jene, die er für den Spielfilm geschrieben hat.
Seine Komposition „Phon“ ist experimentell und hat Witz. „Ich finde es interessant, in verschiedenen Genres und Gattungen wie Film, Ballettmusik oder konzertante Musik zu komponieren“, sagt Dangel. „Ich bin neugierig und habe keine Lust, mein Leben lang in einer Stilistik zu schreiben.“
Star-Dirigent Simon Rattle leitet das Konzert. Er möchte traditionelle Blasmusik mit klassischer Sinfonik verbinden
Das Hoagascht-Projekt mit Dirigent Simon Rattle möchte klassische Symphonik mit traditioneller Blasmusik verbinden sowie Laien und Profis zusammenbringen. Im Abschlusskonzert erklingen auch die „Grande symphonie funèbre et triomphale“ von Hector Berlioz und traditionelle Blasmusik. Für das Konzert im Münchner Showpalast am Sonntag, 7. Juli 2024, um 17 Uhr, bei dem neben der Brass Band Unterallgäu und dem Jugendblasorchester Marktoberdorf auch die Ulrichsbläser Büchlberg (Niederbayern) und die Blaskapelle Möckenlohe (bei Eichstätt) auftreten, gibt es nur noch Restkarten (bei MünchenTicket).
Es wird jedoch live in der ARD-Mediathek übertragen; das BR Fernsehen zeigt den Mitschnitt am selben Abend ab 20.15 Uhr. Felix Hentschel begleitet das Projekt mit einer Langzeit-Dokumentation, die am 21. Juli 2024 um 21.45 Uhr ausgestrahlt werden soll.