Eleganter Abgesang auf Europa
Ilja Leonard Pfeijffers Roman ist Unterhaltung mit Tiefgang
Von Klaus-Peter Mayr
Nach dem Liebesaus mit der Italienierin Clio mietet sich ein älterer Herr im Grand Hotel Europa ein. Ein Gebäude, das seine beste Zeit hinter sich hat. Ein Sinnbild für Europa. Der ältere Herr ist der Autor selbst, der niederländische Schriftsteller und Dichter Ilja Leonard Pfeijffer .Er inszeniert in „Grand Hotel Europa“ einen stilvollen Abgesang auf einen Kontinent, eine abenteuerliche Liebesgeschichte samt Italo-Roadmovie, einen Kunstkrimi um ein verschollenes Bild und die Frage, ob Europa zur Touristenattraktion verkommt. Universell gebildet verknüpft der Autor Gegenwart mit Vergangenheit und regt zum Sinnieren über die Zukunft an. Das ist elegante Unterhaltung mit Tiefgang, raffiniert konstruiert, (selbst)ironisch und schelmisch geschrieben.
Ilja Leonard Pfeijffer: Grand Hotel Europa. Piper-Verlag; 560 Seiten, 23,50 Euro gebunden, 16 Euro als Taschenbuch.
Literarisches für die Ohren
Ein Hörbuch für Menschen, denen die Zeit fehlt
Von Aimée Jajes
Eine kuschelige Decke, ein warmer Tee und ein gutes Buch – viel mehr braucht es nicht, wenn es draußen kalt ist. Ich liebe es zu lesen, in fremde Welten einzutauchen und das Leben fiktiver Personen zu begleiten. Doch manchmal fehlt mir einfach die Zeit dazu. Oder die Muße. Was ich für mich im vergangenen Jahr entdeckt habe, um trotzdem Literatur genießen zu können: Hörbücher. Die kann ich beim Autofahren einschalten, beim Kochen, beim Joggen. Ich kann mitfiebern und habe die Hände trotzdem frei. Deswegen mein Tipp als Weihnachtsgeschenk an Menschen, die gern lesen, denen aber manchmal die Zeit fehlt oder die viel unterwegs sind: Warum nicht mal ein Hörbuch verschenken? Oder einen Gutschein für ein Hörbuch-Abo? Das gibt es mittlerweile bei verschiedenen Anbietern. Eine gute Alternative zum Lesen. Nämlich dann, wenn die Zeit für Decke und Tee nicht reicht.
Die Beatles mal jazzig
Pianist Brad Mehldau gibt Songs neuen Pep.
Von Rainer Schmid
„Yesterday“ ist nicht dabei. Auch das „Yellow Submarine“ taucht nicht auf. Zehn eher unbekannte Songs sind es, die Jazzpianist Brad Mehldau – ja, er war beim Classix-Festival 2021 in Kempten – auf seiner Beatles-Platte ausgräbt. Besonders lebendig spielt und improvisiert er den Titelsong „Your Mother Should Know“ – munter im Ragtime und Swing der 1930er Jahre. Denn Mehldau ist sogar sicher, dass Beatles-Songs quer durch Generationen-Grenzen laufen, dass sie immer wieder neu entdeckt werden. Rhythmisch rollt sein Boogie bei „I Saw Her Standing There“. Zur lauschigen Ballade schwingt sich „Here, There And Everywhere“ auf. Ein Jazz-Wälzerchen wiegt das „Baby’s In Black“. Musik zum Zuhören – aber genauso geeignet zur leisen Unterhaltungs-Untermalung.
Brad Mehldau plays The Beatles, 2023; als CD, LP, Download und per Streaming erhältlich.
Die Geschichte eines Lebens
Robert Seethaler erzählt von Bergmenschen.
Von Michael Mang
„Ein ganzes Leben“ erzählt Robert Seethaler auf nur 150 Seiten. Der Roman – inzwischen von Hans Steinbichler überzeugend verfilmt – ist auch zehn Jahre nach Erscheinen noch lesenswert. Der Autor erzählt die bewegende Geschichte des Andreas Egger, der als Kind nach dem Tod der Mutter in das Gebirgstal kommt, in dem er sterben wird. Nach einer schweren, entbehrungsreichen Kindheit schließt er sich als junger Mann einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut. Der Fortschritt bringt Elektrizität und Tourismus, aber auch Lärm und Zerstörung .Seethaler beschreibt das harte, raue Leben mit einer reduzierten, aber präzisen Sprache, die zu dem wortkargen Einzelgänger passt. Egger trotzt stoisch Schicksalsschlägen und findet die große Liebe, die ihm den Pfad aus der Einsamkeit weist. Doch eine Lawine begräbt diesen Ausweg unter sich.
Robert Seethaler: Ein ganzes Leben. Goldmann; 150 Seiten, 13 Euro.
Richtungswechsel
Marc-Uwe Kling kann auch Thriller
Von Simone Härtle
Ernste Themen humoristisch verpackt: Dafür ist Marc-Uwe Kling bekannt. Mit seinen lustigen, aber auch gesellschaftskritischen Känguru-Geschichten, hat er schon vor Jahren den Durchbruch geschafft. Mit dem Roman „Views“ beweist er, dass er auch anders kann. In seinem packenden Thriller, der aus Sicht einer Polizistin erzählt wird, die nach einem verschwunden Mädchen sucht, blitzt sein Humor nur hin und wieder kurz durch. Hauptsächlich geht es brutal zu. Denn wenige Tage nach dem Verschwinden des Mädchens taucht ein Video im Netz auf, wie die Jugendliche vergewaltigt wird. Es wird hunderttausendfach geklickt. Die Suche nach den Tätern läuft, gleichzeitig erfährt die rechtsradikale Gruppe „Aktiver Heimatschutz“ viel Zuspruch. Und dann folgt ein Plot-Twist, ein inhaltlicher Richtungswechsel, der es in sich hat.
Marc-Uwe Kling: „Views“. Ullstein-Verlag; 272 Seiten, 20 Euro.
Wärmend wie Kaminfeuer
Frauen-Trio „Morley“ serviert Ohrwürmer
Von Markus Noichl
Von verrucht bis sphärisch haben sie viele Farben in ihren Stimmen zu bieten: die drei Frauen von „Morley“. Die in Kempten aufgewachsene Lydia Schiller, heute in Köln lebend, schreibt mit Melissa Muther und Rosa Kremp sinnliche Songs irgendwo zwischen Jazz und Folk, die auf der CD „homeward (heimwärts)“ vorgestellt werden .Meist mit Gitarre und Bass zart untermalt, manchmal ist auch Percussion dabei, andere Saiten wie Mandoline und Banjo, oder ein De-luxe-Arrangement mit Streichern. Die englisch-sprachigen Songs, so niveauvoll und intelligent sie daherkommen, haben alle das Zeug zu Ohrwürmern. Dass Stimmen gleichzeitig so kunstvoll und natürlich klingen, ist Seltenheit und Geschenk. Eine CD mit Licht, Kraft, Heiterkeit und viel Wärme. Wie ein Kaminfeuer.
Das Album „homeward“ von Morley ist erhältlich als CD (15 Euro) oder als LP (25 Euro) über die Webseite www.morley-music.com
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