Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Allgäuer Landwirt führt seit 60 Jahren Hof-Tagebuch: So waren der Milchpreis und das Wetter früher

War früher alles besser?

Allgäuer Landwirt führt seit 60 Jahren Hof-Tagebuch

    • |
    Bauer Fritz Kaiser aus Lachen im Unterallgäu führt seit fast 60 Jahren Tagebuch rund um den Hof der Familie.
    Bauer Fritz Kaiser aus Lachen im Unterallgäu führt seit fast 60 Jahren Tagebuch rund um den Hof der Familie. Foto: Tobias Schuhwerk

    Es sind kurze Sätze. Manchmal bestehen sie nur aus einem Wort. Fritz Kaiser, Landwirt auf einem Einödhof in Albishofen (Gemeinde Lachen im Unterallgäu), greift eines seiner 60 Tagebücher aus dem Regal in seinem Büro. Wahllos schlägt der 72-Jährige eine Seite auf und liest einen Eintrag vom 22. Oktober 1966 vor: „Lehrlingsschulung. Futterrübenernte. Stallarbeit.“ Dies drei Begriffe prägten jenen Tag im Leben des damaligen Schülers. Manche Eintragungen sind deutlich länger.

    Sie enthalten Angaben zu Wetter, Milchpreis, Kälber.Geburten, Erntemengen oder Stichpunkte zu Freizeitaktivitäten. „Ich schreibe seit fast 60 Jahren alles auf, was rund um Hof und Familie passiert“, sagt der verheiratete Vater von drei erwachsenen Söhnen und vierfache Großvater. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bauernproteste ist das doppelt spannend.

    Frage also an den Langzeitbeobachter und Hobby-Chronisten: War früher alles besser auf den Allgäuer Höfen?

    „Ja“, sagt Fritz Kaiser. Als er den Hof 1973 der Eltern übernahm, standen etwa 15 Milchkühe im Stall; heute sind es 50. „Die Landwirtschaft war in meiner Jugend planbar und kalkulierbar. Wenn man zum Beispiel einen neuen Stall gebaut hat, dann hat diese Investition für 20 bis 30 Jahre gereicht, also für eine Generation. Heute ist das anders: Ein Bauer muss ständig investieren, weil sich die Anforderungen rasant verändern.“

    Diese Investitionen tätigte ein Landwirt im Allgäu im Laufe von 40 Jahren

    Allein auf seinem Hof habe er in 40 Jahren etwa 500.000 Euro in Betrieb und Maschinen gesteckt. „Und das waren nur die notwendigsten Investitionen“, betont Kaiser. Ständig gebe es neue Vorschriften, aber auch effizientere Maschinen und Material. Dadurch habe sich auch das Berufsbild stark verändert: „Bauer zu sein bedeutet, heute in mehreren Berufen fit zu sein. Man ist quasi Bauexperte, Ökonom, Handwerker, Bodenkundler, Steuerfachmann und Tierhalter in einer Person.“

    (Lesen Sie auch: Welche Subventionen für die Landwirtschaft gibt es in Deutschland und Bayern?)

    Da beneide er die Jungen nicht, sagt Kaiser. Zudem müssten die meisten ohnehin neben der Landwirtschaft einen zweiten Beruf erlernen, um finanziell über die Runden zu kommen. „Bildung ist immer wichtiger geworden“, sagt Kaiser, der sich 30 Jahre lang ehrenamtlich im Meisterprüfungsausschuss engagierte. Seine drei Söhne haben alle Abitur gemacht. Sein zweit ältester Sohn Ulrich, der den Hof längst übernommen hat, arbeitet zusätzlich als Agrartechniker bei einem Zuchtverband.

    Milchpreis im Allgäu: So viel wurde einem Bauer für einen Liter Milch früher vor 60 Jahren gezahlt

    Auch die Entwicklung beim Milchpreis macht Kaiser Senior zu schaffen. Immerhin 35 Pfennig pro Liter habe der vor knapp 60 Jahren beim Beginn seiner Aufzeichnungen auf dem elterlichen Hof betragen. Heute liegt er bei knapp 50 Cent. Ist zwar auf dem Papier mehr. Aber unterm Strich bleibt dem Bauern weniger. „Die Kosten sind ja in fast allen Bereichen viel höher als früher“, sagt Kaiser. „Nehmen wir eine Handwerkerstunde. Die hätte früher zehn bis 20 D-Mark gekostet. Heute sind es 50 bis 60 Euro.“

    (Lesen Sie auch: Allgäuer Handwerkskammer-Chef: "Einen Handwerkeraufstand wird es nicht geben")

    Zur Wahrheit gehöre zwar auch, dass Bauern deutlich mehr staatliche Fördergelder erhalten. „Doch was subventioniert wird, ändert sich immer wieder. Das belastet die Landwirte und sorgt für noch mehr Bürokratie“, sagt Kaiser. Sein klares Urteil: „Besser wäre es, wenn die Preise für Milch und Fleisch fair und angemessen bezahlt würden.“

    Landwirt im Allgäu führt seit 60 Jahren Tagebuch: So hat sich das Wetter verändert

    Auch die Veränderung der Witterung beobachtet Kaiser mit Sorge. Die mittlere Jahrestemperatur habe sich in Lachen laut seiner Aufzeichnung um etwa ein Grad auf 7,5 Grad angehoben. „Die Trockenperioden im Sommer werden länger. Das bedeutet, dass es häufiger Phasen von drei bis vier Wochen gibt, in denen auf den Weiden weniger Gras für die Kühe bereit steht - und man zufüttern muss.“

    Allgäuer Landwirt schreibt seit Jahrzenten in sein Tagebuch: Das ist seine Motivation

    Die jährliche Niederschlagsmenge sei aber bei etwa 1000 Litern pro Quadratmetern ungefähr gleich geblieben. „Das ist eine gute Nachricht“, sagt Kaiser, dessen Rinder bis zu acht Monate auf der Weide stehen. Seine Tagebuch-Einträge verfasst er jeden Abend. Sie sind ein Ritual für ihn. Ermutigt haben ihn dazu in jungen Jahren seine Ausbilder. „Es geht darum, den Überblick zu bewahren, seine Schlüsse zu ziehen und den nachfolgenden Hof-Generationen Wissen und Informationen weiterzugeben.“

    (Lesen Sie auch: Das erlebt ein Allgäuer Alphirte so alles im Sommer)

    Nur an einigen wenigen Tagen hat Kaiser nicht selbst in seine Bücher geschrieben. Zum Beispiel, wenn er als Sänger mit dem Männerchor Herbishofen oder dem Allgäuer Bauernchor einen Ausflug mit Übernachtung machte. Oder wenn ihn Fach-Lehrfahrten nach Russland, Italien oder Irland führten. Dann übergab er das Tagebuch seiner heute 93-jährigen Mutter, die dafür sorgte, dass auch in seiner Abwesenheit die Ereignisse auf dem Kaiser-Hof handschriftlich dokumentiert wurden. Tag für Tag.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden