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Linkerskopf, Bärgunttal, Nesselwängler Scharte: Wie sind Lawinenabgänge trotz Warnstufe 1 möglich?

Lawinengefahr im Allgäu

Lawinenabgänge trotz Warnstufe 1 am Sonntag: Wie ist das möglich?

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    Der Linkerskopf links an einem Traumtag (Archivbild). Rechts: In dieser Lawine starb am Sonntag ein Tourengeher bei der Abfahrt vom Linkerskopf unterhalb der Enzianhütte.
    Der Linkerskopf links an einem Traumtag (Archivbild). Rechts: In dieser Lawine starb am Sonntag ein Tourengeher bei der Abfahrt vom Linkerskopf unterhalb der Enzianhütte. Foto: Michaela Korn / Bergwacht Oberstdorf

    Das Bilderbuchwetter trog. Der Sonntag wurde in der Region zu einem schwarzen Tag für Wintersportler im freien Gelände. Am Linkerskopf im Rappenalptal starb ein 27-Jähriger Oberallgäuer in einer Schneebrettlawine. An den Geierköpfen in den Ammergauer Alpen riss eine Lawine einen Eiskletterer in den Tod. Beobachter meldeten weitere Abgänge, die Dunkelziffer ist hoch. Dabei galt verbreitet die Warnstufe 1 - also geringe Lawinengefahr.

    Lawinenabgänge am Sonntag: Wind sorgt in der Nacht für heiklen Triebschnee

    "In diesem Maße überraschend", gibt Thomas Feistl zu. Der Leiter des Bayerischen Lawinenwarndienstes meint damit vor allem den aufkommenden Wind in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Auf dem Fellhorn blies er in der Spitze mit rund 40 Stundenkilometern. Dadurch verdichtete sich der lockere und trockene Schnee und lagerte sich an vielen Stellen auf dem Oberflächenreif als Triebschnee ab. Dieser war als Schneebretter lokal leicht auslösbar.

    Alle Warndienste in der Region - also Bayern, Tirol und Vorarlberg - hatten unterhalb der Waldgrenze für Sonntag die Warnstufe 1 ausgegeben. Lediglich Tirol setzte in höheren Lagen Stufe 2 an. Waren die Dienste leichtfertig?

    Nach der Ausgabe der Lawinenvorhersage am Samstag um 17 Uhr habe sich die Lage "in kürzester Zeit verschärft", gibt Feistl zu bedenken. Der Wind habe kleinräumig zu Gefahrenstellen geführt, die Gesamtsituation veränderte sich aber kaum. Deshalb veränderten die Warndienste die ausgegebenen Warnstufen auch nicht. „Diese werden nach einem standartisierten Verfahren festgelegt", sagt Christoph Mitterer vom Tiroler Warndienst. Dort blieb man nach der windigen Nacht bei den Stufen 1 und 2. Die meisten der 21 in Tirol gemeldeten Lawinenabgänge seien am Sonntag klein geblieben, sagt Mitterer.

    Lawinenwarndienst-Chef: "Man sollte auch durchlesen, was im Text steht"

    Die Lawinenwarner hatten aber in ihren Texten in den Tagen zuvor auf die Triebschneegefahr aufmerksam gemacht. Und das obwohl sich die Lage in der Trockenperiode bis zum Samstag immer weiter verbesserte. "Ein Einzelner könne den Triebschnee als Lawine auslösen, stand da zu lesen", sagt Feistl. Doch leider würden die Erläuterungen von einigen Tourengehern ignoriert: "Ganz oben sieht man die Gefahrenstufe als Farbe, man sollte aber auch durchlesen, was im Text steht".

    Bergwacht und Polizeihubschrauber nach dem Lawinenabgang am Linkerskopf im Einsatz.
    Bergwacht und Polizeihubschrauber nach dem Lawinenabgang am Linkerskopf im Einsatz. Foto: Ralf Lienert

    Eigenverantwortung sei da "ein ganz großes Stichwort", so der Warndienst-Chef weiter. Denn Skitourengänger sollten immer checken, ob denn die Lage vor Ort genau der Lawinenvorhersage entspreche. Und dann im Zweifelsfall reagieren - sprich ausweichen oder abbrechen. Zudem helfe ein Blick auf die Wetterstationen der Umgebung. Denn die Windstärke in der Nacht auf Sonntag habe im oberen Bereich der Prognosen gelegen. "Die Zahl der Lawinenabgänge hat aber auch damit zu tun, dass am Wochenende bei strahlendem Sonnenschein viele Tourengänger unterwegs waren", sagt Feistl.

    Linkerskopf: Heikle Querung unterhalb der Enzianhütte

    Beim tödlichen Lawinenunglück am Linkerskopf kommt noch dazu, dass es sich laut Kristian Rath um eine Extremtour handelt. Rath ist Lawinenbeobachter und hat den Skitourenführer Allgäuer Alpen herausgegeben. "Der Linkerskopf ist aufgrund seiner Lage dem Wind voll ausgesetzt", sagt der Skitourenexperte. Lawinentechnisch heikel sei vor allem die Querung unterhalb der Enzianhütte. "Wird über das Plateau bei der Enzianhütte Pulverschnee über die Felsen hinab geweht, dann bilden sich im Bereich der Querung störanfällige Triebschneeansammlungen", warnt Rath.

    Die Polizei hat ihre Ermittlungen zum Fall am Linkerskopf mittlerweile abgeschlossen. Sie gehe nicht von einem Fremdverschulden aus, sagt Polizeisprecher Holger Stabik.

    "Auf anspruchsvollen Skitouren kann immer etwas passieren", bestätigt Thomas Feistl. Auch bei Warnstufe 1. Dass die Gefahr aber nicht immer oben auf dem Berg lauert, zeigte sich am Sonntag auch im Kleinwalsertal. Eine Lawine verschüttete nahe der Bärgunthütte den Panoramaweg.

    Der trockene Schnee, der in der Kombination mit Wind für die Lawinenabgänge gesorgt hat, könnte noch weitere Probleme bringen. "Wenn es jetzt nicht regnet oder warm wird, dann bekommen wir bei weiteren Schneefällen ein massives Altschneeproblem", prophezeit Feistl. Mit dem Durchzug der Front am Montag gilt aktuell in den Allgäuer Alpen oberhalb der Waldgrenze Warnstufe 3.

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