All das, was Oliver Goldbach in den vergangenen Wochen erlebt hat, verdichtet sich in dem einen Satz: „Ich stehe wieder voll im Leben.“ Wildfremde Menschen interessieren sich für seine Geschichte und schreiben ihm Briefe. Für Journalisten ist er zu einem gefragten Interviewpartner geworden. Bei einem sogenannten Heilversuch an der Erlanger Uniklinik hatte der schwer an Long-Covid erkrankte Ostallgäuer ein noch nicht zugelassenes Medikament bekommen. „Jetzt bin ich wieder bei 95 Prozent“, schwärmt der 51-Jährige. Die Wirksamkeit des Medikaments wird nun bei einer klinischen Studie getestet.
Nach einer Corona-Erkrankung hatte der Vertriebsmanager aus Aitrang unter anderem an Gedächtnisstörungen gelitten, konnte kaum noch Treppen steigen und zitterte massiv an Hand und Arm. An der Erlanger Uniklinik bekam er als weltweit zweiter Patient eine Infusion mit dem Medikament BC 007. Danach hätten sich seine Beschwerden sehr schnell gebessert, sagt der Ostallgäuer. Nach einer Covid-Erkrankung seien sogenannnte Autoantikörper im Blut, die Körperstrukturen schädigen und die Durchblutung beeinträchtigen können, sagt die Ärztin Dr. Bettina Hohberger von der Erlanger Uniklinik. Das Medikament BC 007 könne offenbar diese schädlichen Autoantikörper neutralisieren. Dabei handle es sich um Eiweißstoffe, die den eigenen Körper angreifen.
Long-Covid-Patient Oliver Goldbach: Rückkehr in den Job nach 16 Monaten
Goldbach ist heute wieder mit Skirollern unterwegs, setzt sich aufs Motorrad und spricht von einer neuen Sicht auf das Leben: „ Ich bin dankbar für jeden schönen Tag und jedes schöne Erlebnis. Es ist nicht alles selbstverständlich.“ Nach einer langen Zwangspause kehrte er auch in den Beruf zurück: „Mein Chef hat sich riesig gefreut, mich nach 16 Monaten wieder zu sehen.“ Goldbach arbeitet bei dem Unternehmen Aucotec mit Sitz in Hannover, das Industrie-Software herstellt: „Dort habe ich nun sogar noch mehr Verantwortung bekommen.“
Die Geschichte des Oliver Goldbach ist auch zu einem Medienereignis geworden. Journalisten erzählt er immer wieder, wie sich sein Leben nach der Infusion mit BC 007 verändert habe: „Ich möchte anderen Mut machen.“ Und dann seien da die Briefe von Menschen, die ihm gratulieren und weiterhin viel Glück wünschen. Aber nicht nur das: „Darunter sind auch Patienten, die mich fragen, wie sie durchhalten können, bis ein Medikament verfügbar ist“, erzählt der Ostallgäuer. (Lesen Sie auch: Impfdurchbruch nach dem Urlaub: Ostallgäuer Familie ist geschockt)
Klinische Studie um die Wirksamkeit von BC 007 zu testen
An diesem Thema arbeitet die Erlanger Uniklinik. Der sogenannte Heilversuch mit wenigen Patienten, an dem Goldbach teilgenomme hatte, ist inzwischen zwar abgeschlossen. Doch nun wird es eine klinische Studie geben, um die Wirksamkeit von BC 007 zu testen. Das Bundesforschungsministerium habe einen Förderantrag in Höhe von 1,2 Millionen Euro bewilligt, sagt die Erlanger Medizinerin Dr. Bettina Hohberger. Für die Studie gebe es über 2000 Interessenten: „Sie kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Österreich, der Schweiz, England, Belgien und Frankreich.“
Details der Studie sind laut Hohberger noch nicht klar. So stehe nicht fest, wann sie startet und wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei sein werden. Auch falls diese Studie ergibt, dass BC 007 wirksam ist, wird es noch nicht zugelassen. Dann werde es an mehreren Kliniken und mit dementsprechend höheren Patientenzahlen einer weiteren Prüfung unterzogen, sagt Hohberger.
Goldbach erzählt derweil von neuen Freundschaftten, die er seit der Veröffentlichung seiner Geschichte geschlossen habe: „Eine Gruppe aus meinem Wohnort Aitrang hat mich angesprochen und eingeladen, bei einer 450 Kilometer langen Tour mit dem E-Bike dabei zu sein. Darauf freue ich mich jetzt.“