Quietschend und knarrend öffnet sich die Tür. Dahinter liegt im Halbdunkel ein großer Lagerraum irgendwo im Allgäu. Eine dicke Staubschicht dämpft die ersten Schritte, die Mike in den Raum hinein geht.Die Luft riecht abgestanden und modrig, dem jungen Mann ist das aber egal. Sein Blick liegt auf einem alten hölzernen Stuhl, der in der Ecke steht und mit Spinnweben überzogen ist. Vielleicht war er einmal hübsch, aber seine besten Zeiten hat er hinter sich. Mike, der seinen echten Namen nicht preisgeben möchte, stört das nicht. Er hat gefunden, was er gesucht hat.
Die Jagd nach Lost Places: Entdecken, nicht zerstören
Denn Mike ist ein "Lost-Place-Jäger". Seine Leidenschaft gilt verlorenen und verlassenen Orten. Doch: Sein Hobby bringt ihn manchmal an die Grenzen der Legalität. Die Frage, ob die Erkundung von Lost Places legal ist, ist komplex. Die Regelungen variieren je nach Standort. Oft sind die verfallenen Häuser und Gemäuer im Privatbesitz. In diesem Fall ist das unerlaubte Betreten der Grundstücke verboten und kann als Hausfriedensbruch gelten. Wer sich nicht sicher ist, sollte sich vor seinem Lost-Place-Ausflug informieren.
Dabei möchte der 25-Jährige weder etwas verändern noch zerstören - sondern lediglich wieder entdecken, was in Vergessenheit geriet. "Mir sind solche alten Orte wichtig. Ihre Vergangenheit ist total spannend. Ich bin da einfach nostalgisch", sagt er. Auch den alten Stuhl berührt er nicht - die Spinnweben, die das Möbelstück überziehen, sollen bleiben.
Viel mehr als den Stuhl, etwas Bauschutt und einige Graffitis an den Wänden hat der Raum nicht zu bieten. Für Mike ist das nicht weiter schlimm. "Manchmal findet man mehr, manchmal weniger", sagt er. Um "Mehr" zu finden, ist der 25-jährige Allgäuer teils schon weit gereist. Zum Beispiel nach Österreich und Tschechien. Doch auch hier in der Region hat er schon Erkundungstouren unternommen. Denn im Allgäu gibt es einige Orte, die "Lost-Place-Jäger" geradezu magisch anziehen.
Lost Places im Allgäu
Auch im Allgäu gibt es Lost Places, die von historischer, mystischer oder sogar unheimlicher Atmosphäre nur so triefen. Eine Auswahl haben wir euch hier zusammengefasst:
Die Burgruine Falkenstein in Pfronten
Dazu gehört im Allgäu die Burgruine Falkenstein in Pfronten. Das alte Burggemäuer ist per se kein klassischer Lost Place. Dennoch ist sie perfekt für Abenteurer und Geschichtsinteressierte. Die Ruine war König Ludwigs letzter Traum und ist mit 1.277 Metern Höhe Deutschlands höchstgelegene Burgruine. Der König wollte hier sein spektakulärstes Schloss errichten. In einem kleinen Museum, das unterhalb der Ruine eingerichtet wurde, erfährt man alles über die Pläne von König Ludwig II..
Lost Place in Obergünzburg: Die alte Säge
Nicht nur große Städte, sondern auch kleinere Orte bieten Lost-Place-Potential. In Obergünzburg gibt es ein altes Sägewerk, das bereits seit 2013 still steht. Seitdem liegt die Säge im Dornröschenschlaf da. Ein besonderes Ambiente hat der Ort dennoch, wie Bilder zeigen. Wir haben hier für Sie exklusive Fotos aus der alten Säge.
Geschichte zum Anfassen: Die Burgruine Eisenberg
Spannende Erker, verfallene Wehrgänge und sogar Kanoneneinschusslöcher - das bietet die Burgruine Eisenberg. Wer Geschichte liebt, wird sich hier wohl fühlen. Mitten im Mittelalter, im Jahr 1315 auf dem Isenberch erbaut, strotzt das alte Gemäuer nur so vor Historie. Schon im Bauernkrieg war die Burg 1525 Schauplatz einer Schlacht. Ein Jahrhundert später, im Dreißigjährigen Krieg, wurde die Burg dann vom Vorrücken des schwedischen Heeres gefährdet. Kurzerhand beschloss die Regierung, die Burg zu räumen und in Brand zu stecken, damit sie den Schweden nicht in die Hände fällt. Da die Schweden kurz darauf ihre Marschrichtung änderten, war die Opferung der Wehranlagen jedoch zwecklos. Seitdem ist die Burg eine unbewohnte Ruine, die aber immer noch Interessierte anlockt.
Das Ruinen-Juwel: Burg Hohenfreyberg
Das gleiche Schicksal wie Eisenberg widerfuhr auch der Burg Hohenfreyberg. Auch sie wurde in Brand gesteckt, damit sie nicht von den Angreifern genutzt werden kann. Dennoch ist die ziemlich große Ruine bis heute ein beeindruckendes Zeugnis vergangener Zeiten. Tipp: Zahlreiche Fundstücke aus der Burg Hohenfreyberg werden im Burgenmuseum des Örtchens Eisenberg-Zell ausgestellt.
Das Trümmergelände der alten Sprengstofffabrik in Kaufbeuren
Auch in Kaufbeuren kommen Lost-Place-Fans auf ihre Kosten. Im Stadtteil Neugablonz stand im Zweiten Weltkrieg eine Fabrik in der Sprengstoff und Munition hergestellt wurden. Nach Kriegsende sprengten britische Soldaten das Fabrikgelände. Nur ein kleiner Teil blieb stehen. Das Trümmergelände. Ein Teil des Geländes wurde mittlerweile zu einem Abenteuerspielplatz ausgebaut. Doch ein anderer, teils eingezäunter Teil steht bis heute so da, wie er verlassen wurde. Auch eine Turbinenhalle steht noch. Hier werden von Zeit zu Zeit auch Gruselveranstaltungen durchgeführt.
Die sagenumwobene Burg Alt-Trauchburg
Gruseln kann man sich auch in der Ruine der Burg Alt-Trauchburg bei Isny im Allgäu. Neben einer eindrucksvollen Aussicht bietet diese Burgruine auch eine geheimnisvolle Atmosphäre. Um die Burg, die über dem Weitnauer Gemeindeteil Kleinweiler im Landkreis Oberallgäu liegt, ranken sich unheimliche Sagen: Angeblich soll eine Heidenfrau in uralten Tagen diese Burg erbaut und die Bauern der Umgebung zu harter Fronarbeit gezwungen habe. Seit dieser Zeit soll ein Fluch auf dieser Zwingburg liegen. Auch eine Sagengestalt ist Teil der Gerüchte um die Burg: der “Trochar". Er soll der ehebrecherisch gezeugte Sohn der Heidin gewesen sein, die das Schreckensregiment auf der Burg führte. Er sollte mehrmals zum christlichen Glauben bekehrt werden, weil er Dämonen heraufbeschworen haben soll. Doch die Priester, die versuchten ihn zu bekehren, soll der "Trochar" erwürgt oder im Zweikampf getötet haben.
Das Brauereigelände in Kaufbeuren
Ebenfalls in Kaufbeuren befindet sich das verlassene alte Brauereigelände. Hier brannte vor zwei Jahren ein historisches, unbewohntes Gebäude der Brauerei nieder. Doch schon vorher lagen Teile des Areals vergessen da. Im Untergrund erstreckt sich zudem ein Geflecht aus ungenutzten Lagerräumen und einem Eiskeller. Da das Gebäude aber nach dem Brand als einsturzgefährdet eingestuft wurde und sich im Privatbesitz befindet, sollte es nicht betreten werden.
Das Hallenbad Limare in Lindau zieht Vandalen an
Ähnlich verhält es sich mit einem Schwimmbad in Lindau. Das Hallenbad Limare ist seit Jahren verwaist und steht leer. Dennoch zieht es immer wieder illegale Besucher an. "Leerstehende Gebäude üben oft einen gewissen Reiz aus", erklärt die Lindauer Polizei. Leider gebe es im Limare immer wieder Vandalen, die Fenster einwerfen, Türen aufbrechen, oder andere Schäden verursachen. Dennoch ist es im Internet als Lost Place verzeichnet.
"Lost-Place-Jäger": Zerstören ist undenkbar
Mit so etwas will "Lost-Place-Jäger" Mike nichts zu tun haben. Für ihn ist es undenkbar Einrichtungsgegenstände oder andere Dinge, auf die er bei seinen Touren stößt, zu zerstören. Für ihn steht allein der Entdeckergeist im Vordergrund, wie er unserer Redaktion gegenüber erklärte: "Ich bin über alles froh was ich finde. Geschirr, Münzen, Kleidung, alte Urkunden oder Dokumente. Ich schaue mir das gerne an, aber ich lasse es liegen und ich mache nie etwas kaputt, auch nicht um rein zu kommen", beschreibt Mike. Das sei seiner Aussage zufolge bei den meisten "Lost-Place-Jägern" der Fall.