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Luis Stitzinger: Extrem-Bergsteiger aus dem Allgäu im Himalaya vermisst - Kollege schätzt Lage ein

Was ein Allgäuer Weggefährte sagt

Suche nach vermisstem Allgäuer Extrem-Bergsteiger: "Es braucht ein ganz, ganz großes Wunder"

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    Seit fünf Tagen wird der Allgäuer Bergsteiger Luis Stitzinger (links) am Kangchendzönga im Himalaya vermisst. Der Marktoberdorfer Bergsteiger-Kollege Rainer Pircher schätzt die Lage ein.
    Seit fünf Tagen wird der Allgäuer Bergsteiger Luis Stitzinger (links) am Kangchendzönga im Himalaya vermisst. Der Marktoberdorfer Bergsteiger-Kollege Rainer Pircher schätzt die Lage ein. Foto: IMAGO / Wirestock; Ralf Lienert (Archiv), Felix Blersch (Archiv)

    Update, 30. Mai 19 Uhr: Stitzinger wurde am Dienstag tot aufgefunden. Ein Team aus Sherpas hat den Allgäuer Bergsteiger auf 8400 Metern geborgen. Mehr Infos dazu hier.

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    "Es braucht ein ganz, ganz großes Wunder." So schätzt der Allgäuer Extrem-Bergsteiger Rainer Pircher die Lage rund um die Suche nach dem im Himalaya vermissten Allgäuer Bergsteiger-Kollegen Luis Stitzinger ein. Denn das große Problem sei, dass Stitzinger - einer der erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteiger - bereits seit Donnerstagabend als verschollen gilt.

    Der in Füssen geborene Bergsportler hatte am Donnerstag laut Medienberichten den Kangchendzönga, den mit 8586 Metern dritthöchsten Berg der Welt, bestiegen und wollte ihn mit Skiern abfahren. Doch seine Spur verliert sich während des Abstiegs vom Gipfel, wie Süddeutsche Zeitung und der Szene-Blog Abenteuer Berg berichten.

    Der in Marktoberdorf wohnhafte Pircher ist selbst erfahrener Bergsteiger und -führer und hat bereits mehrere 8000er bestiegen. Darunter auch den berüchtigten Nanga Parbat (8125m, neunthöchster Berg der Welt). Sowohl er als auch Luis Stitzinger führten 2008 je eine Gruppe auf den Gipfel. "Luis und ich schlossen uns mit unseren Gruppen zusammen", erinnert sich Pircher. Den Gipfel erreichten Stitzinger und er damals erst gegen 18 Uhr und waren gegen 23.30 Uhr wieder zurück im Lager. "Eigentlich viel zu spät", sagt Pircher. Doch damals war alles gut gegangen.

    Vermisster Bergsteiger Luis Stitzinger im Himalaya: "Gipfelankunft um 17 Uhr schon recht spät"

    Diesmal ist Stitzinger am Kangchendzönga wohl in Schwierigkeiten geraten. Seiner Ehefrau zufolge, der Bergsteigerin Alix von Melle, erreichte der 54-Jährige den Gipfel am Donnerstag gegen 17 Uhr. Letztmals habe der Allgäuer gegen 21 Uhr Kontakt zum Basislager gehabt. Wahrscheinlich habe er sehr schwere Verhältnisse gehabt, sagt Pircher. Prinzipiell sei die Ankunft um 17 Uhr am Gipfel schon sehr spät. Pircher habe mit seinen Gruppen, die er bereits auf 8000er führte, immer eine Umkehrzeit ausgemacht. "Beispielsweise haben wir gesagt, wer um 15 Uhr noch nicht oben ist, dreht um."

    Denn sobald die Sonne weg ist, werde es in diesen Höhen nochmals deutlich kälter als ohnehin schon und die Sicht werde äußerst schlecht. "Nachts hat es dort oft minus 25 oder minus 30 Grad", sagt Pircher. Auch wenn Stitzinger unverletzt sei, sei allein schon die Höhe, in der er sich mutmaßlich befindet, ein Grund, der wenig Hoffnung macht. "Fünf Tage in dieser Höhe auszuhalten, ist ganz schwierig", sagt Pircher. Komme dann noch eine Verletzung wie ein Beinbruch hinzu, werde es noch viel schwieriger.

    Zwar ist am Sonntag ein Suchtrupp am Kangchendzönga aufgebrochen, doch Pircher weiß, dass die Suche nicht leicht ist. Normalerweise fahre Stitzinger mit seinen Skiern woanders hinab, als er hinaufging. Doch Pircher geht davon aus, dass er nun ob der schwierigen Bedingungen die Aufstiegsspur als Orientierung zum Abstieg nutzte. So könne die Suche etwas eingegrenzt werden.

    Warum Stitzinger wohl allein und ohne Sauerstoffflasche am Kangchendzönga unterwegs war

    Stitzinger war angeblich meist allein unterwegs und auch ohne Sauerstoffflasche. Doch beides sei laut Pircher nicht ungewöhnlich. "Der Sauerstoff hätte für die ganze Tour wahrscheinlich eh nicht gereicht", sagt der Marktoberdorfer Bergsteiger. Und wenn die Flasche plötzlich leer gegangen wäre, wäre das für Stitzinger noch viel mehr zum Problem geworden. Denn mit künstlicher Sauerstoffzufuhr werde dem Körper vorgegaukelt, in viel niedrigerer Höhe zu sein, wo mehr Sauerstoff vorhanden ist. Bricht die Versorgung plötzlich ab, werde der Körper überrascht und bekomme große Probleme, weiß Pircher.

    Zudem sei die Entscheidung, auf eine Sauerstoffflasche zu verzichten, eine ethische Frage. Das gehe im Grunde gegen die Bergsteigerehre. Man wolle "ohne technischen Support" den Aufstieg schaffen. "Mit einer Sauerstoffflasche einen 8000er zu besteigen, ist, wie wenn man die Tour de France mit einem E-Bike fährt", sagt Pircher. Er sei sich sicher, dass Stitzinger bis auf die Besteigung des Mount Everests alle 8000er ohne Sauerstoff bestiegen habe. Pircher selbst habe auch stets darauf verzichtet. (Lesen Sie auch: Mount Everest im Fokus: Top-Bergsteiger-Paar über Licht und Schatten am höchsten Berg der Welt)

    Vermisster Bergsteiger aus dem Allgäu wird als "vorsichtig" und "Profi" beschrieben

    Der vermisste Bergsteiger wird von Kollegen als umsichtig auf seinen Touren beschrieben. "Er ist in den Kreisen als sympathischer und freundlicher Bergexperte bekannt", sagte Michael Stange, Bergführer beim Summit Club, der Reisesparte des Deutschen Alpenvereins, am Dienstag über Stitzinger.

    Dieser sei mehrere Jahre lang als Expeditionsleiter für den Club tätig gewesen. Während dieser Zeit war er als "vorsichtiger Bergsteiger" bekannt, fügte Stange hinzu. Zuletzt war Stitzinger als Bergführer mit dem österreichischen Expeditionsunternehmen Furtenbach unterwegs, wo er von Kollegen ebenfalls als "Profi" bezeichnet wurde.

    Extrem-Bergsteiger Luis Stitzinger machte sich mit Ski-Abfahrten von 8000ern international einen Namen

    Warum Stitzinger allein unterwegs gewesen war, könne sich Pircher nur so erklären, dass er der einzige gewesen sei, der mit Skiern hinab fahren wollte. Das Basislager habe sich der Allgäuer noch mit anderen Bergsteigerinnen und Bergsteigern geteilt, "aber am Berg ist meist jeder für sich allein unterwegs", sagt Pircher. Über Stitzinger sagt Pircher, dass er ein "extrem erfahrener Bergsteiger" sei, "total umsichtig, immer vorsichtig und verantwortungsbewusst". Doch der 54-Jährige wisse auch, dass man bei solch extremen Touren immer ein gewisses Risiko eingehe und nichts passieren dürfe. Denn "in der Höhe gibt es keine Hilfe".

    Porträt: Das ist Luis Stitzinger

    • geboren: 1968 in Füssen (Allgäu)
    • Wohnort: Füssen
    • Familie: verheiratet mit Alix von Melle
    • Werdegang: Studium der Sportwissenschaften (TU München) und Anglistik (LMU), Ausbildung zum staatlich geprüften Berg- und Skiführer
    • Beruf: Bergführer und Skiführer, Extrembergsteiger, Big Mountain-Skifahrer
    • Erfolge als Bergsteiger (Auswahl): Besteigung des Nanga Parbat (2008); Dhaulagiri (2009), Makalu (2010) Gasherbrum I (2018), Mount Everest (2019).
    • Persönliche Webseite: https://www.goclimbamountain.de/
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