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„Man muss sich ab und zu neu erfinden“

Wertach

„Man muss sich ab und zu neu erfinden“

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    Kommissar Bodo Völxens zehnter Fall ist in Arbeit
    Kommissar Bodo Völxens zehnter Fall ist in Arbeit Foto: Foto: Ralf Lienert

    Eigentlich wollte Krimi-Autorin Susanne Mischke in dieser Woche ein neues Kapitel aufschlagen. Am 6. April sollte ihr Roman „Belmonte“ erscheinen. Die Nachfrage der Buchhandlungen nach der deutsch-italienischen Familiensaga, die in Kempten und einem Dorf in den italienischen Marken spielt, war groß: Bereits vor Erscheinen wurde eine zweite Auflage gedruckt. Doch angesichts der Corona-Krise zog der Münchner Piper Verlag die Veröffentlichung zurück. „Belmonte“ soll nun am 2. Juni erscheinen. Mischke hofft, dass dann die Buchhandlungen wieder geöffnet haben. „Ich sitze wie auf Kohlen“, sagt die 59-Jährige, die wie viele Künstler Angst vor den finanziellen Langzeitfolgen der Pandemie hat.

    „Hauptkommissar Völxen atmet schwer hinter seinem Mundschutz.“ So beginnt Mischkes unlängst erschienener Krimi „Hättest du geschwiegen“. Natürlich ist es kein Corona-Roman. Mischkes niedersächsischer Ermittler wohnt vielmehr der Obduktion eines Rocker-Königs bei. In seinem neunten Fall machen ihm und seinem Team zudem der Mord an einem ehrgeizigen Reporter zu schaffen. 2008 ließ Mischke Bodo Völxen erstmals in Hannover ermitteln, jener Stadt, die der gebürtigen Kemptenerin 17 Jahre lang eine zweite Heimat war.

    Im vergangenen Jahr zog es die alleinstehende Schriftstellerin wieder zurück ins Allgäu. Sie brauchte eine Luftveränderung, sagt sie. Das Allgäu lag auf der Hand: Zum einen leben ihre Eltern in Kempten; die Mutter ist 88 Jahre alt, der Vater 89. Und zum anderen ist ihr „Lieblingsurlaubsland“ Italien nur einen Steinwurf entfernt. Nun lebt sie im beschaulichen Oberallgäuer Dorf Wertach. Von dem kleinen Garten ihrer Eigentumswohnung aus genießt sie den Bergblick hinüber zur Reuter Wanne und zum Sorgschrofen. Sie hat sich auf den Sommer im Allgäu gefreut, auf das Wandern in den Bergen, aufs Bummeln in Kempten und aufs Schwimmen im Öschlesee. Doch die Corona-Krise drückt auf ihr Gemüt.

    Sie ertappe sich, wie sie „zwanghaft Radio hört“, um die neuesten Entwicklungen zu erfahren. Bei ihren Spaziergängen mit Hund Raffi begegne sie nur wenigen Menschen. Einige grüßen, andere nicht, schauen weg oder wechseln die Straßenseite. „Eine komische Stimmungslage ist das grad.“ Das Merkwürdigste: „Es sind keine Touristen da.“

    An der Fachhochschule Kempten hatte Mischke Betriebswirtschaft studiert und danach eineinhalb Jahre in Berlin gelebt, ehe sie mit ihrer Familie nach Kaufbeuren zog. 1989 kam ihr Sohn David auf die Welt. Mischke arbeitete damals auch als freie Mitarbeiterin für unsere Zeitung in Kaufbeuren. „Das war mein Einstieg ins Schreiben“, sagt sie.

    Als Kind liebte sie die Geschichten von Wilhelm Busch. „Max und Moritz“ konnte sie auswendig. Später faszinierten sie die Bücher des Franzosen Philippe Djian („Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“). „Diese Sprache war für mich eine Offenbarung.“ Warum nicht selbst einen Roman schreiben?, dachte sich die junge Mutter Anfang der 90er Jahre. Gesagt, getan. In „Stadtluft“ verarbeitete Mischke ihre flippigen Berlin-Erlebnisse, und fand in Piper einen renommierten Verlag. Es war der Anfang einer Schriftstellerkarriere. Über 30 Bücher hat Mischke bislang veröffentlicht, die meisten sind Krimis und Thriller.

    Mitte der 90er Jahre zog sie ins hessische Seeheim-Jugenheim und landete 2002 in Hannover. Das Genre Heimat-Krimi nahm damals gerade Fahrt auf – jedoch nicht in der niedersächsischen Landeshauptstadt. „Hannover war im Vergleich zu anderen Landstrichen wohl zu wenig sexy“, sagt Mischke und lacht. Doch der Piper Verlag ermunterte sie zu einer Krimi-Serie. Und so dachte sie sich Hauptkommissar Bodo Völxen aus. „Ein aufrechter Niedersachse von kräftiger Statur, etwas brummig, aber mit einem weichen Kern“, heißt es im Klappentext von „Hättest du geschwiegen“. Völxen wohnt in einem umgebauten Bauernhof und hält Schafe. Unterstützt wird er unter anderem von einer kettenrauchenden Profilerin und einem übergewichtigen Kollegen. Mischkes Hannover-Krimis haben viele Fans. Derzeit schreibt sie am zehnten Völxen-Krimi, der 2021 erscheinen soll. Wie es danach mit den Hannover-Krimis weitergehen wird, weiß sie noch nicht.

    Vielmehr beschäftigt sie die Corona-Krise. Sie befürchtet sieben Jahre vor der Rente finanzielle Einbußen. „Ein Buch kaufen ist mittlerweile Luxus“, sagt die Krimiautorin. „Die Leute kaufen eher Kinderbeschäftigungsliteratur als Romane.“ Sie fragt sich, wie die Wirtschaft wieder aus der Krise finden soll. Alles um der Gesundheit willen zu blockieren sei keine Lösung.

    Froh ist Susanne Mischke über die Rückendeckung durch ihren Verlag: Neben der Bodo-Völxen-Reihe verfolgt sie ihr „Belmonte“-Projekt, das auf drei Romane angelegt ist. Im Mittelpunkt des ersten Bandes steht die junge Kemptener Landschaftsgärtnerin Simona, ein Gastarbeiterkind der dritten Generation: Als ihre Großmutter stirbt, erbt sie deren Elternhaus in den italienischen Marken und kommt weitreichenden Familiengeheimnissen auf die Spur.

    Am 2. Juni ist die 500 Seiten starke Familien-Saga erhältlich – unter dem Pseudonym Antonia Riepp. Warum? Mit dem Namen Susanne Mischke verbinden ihre Leser Krimis und Thriller, sagt die Autorin. Als Antonia Riepp will sie andere Geschichten publizieren – und sich auch ein neues Publikum erschließen. „Man muss sich ab und zu neu erfinden“, sagt Susanne Mischke.

    Ein Satz, der in die Zeit passt.

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