„Hast Du auch den Großen Wagen gesehen?“ „Den neuen SUV vom Nachbarn?“ „Nein, den am Himmel!“ Diesen zu betrachten, ist vor allem in größeren Ansiedlungen oft schwierig. Zu viel künstliche Beleuchtung verblendet den Blick nach oben. Deshalb soll bei der Earth Night am Dienstag, 7. September, das Licht ab 22 Uhr eine Nacht lang reduziert werden, um auf das Thema Lichtverschmutzung aufmerksam zu machen.
Im Ostallgäu beteiligt sich nur Füssen an der Aktion und schaltet die Beleuchtung von Rathaus und Hohem Schloss ab. In Lindau beispielsweise wird die Straßenbeleuchtung reduziert, sofern keine Sicherheitsbedenken bestehen. In anderen Orten lassen Firmen nur die Notbeleuchtung an. Über die Auswirkungen von Kunstlicht in der Nacht auf Mensch und Tier sprach unsere Zeitung mit Dr. Markus Breitenbach aus Ebenhofen.
Was ist überhaupt Lichtverschmutzung?
Markus Breitenbach: Das bedeutet, dass wir Licht verwenden, wo es nicht wirklich notwendig ist. Wir gehen mit Licht sehr freizügig um. Wir sind relativ wenig sensibilisiert dafür, welche Auswirkung Licht auf Mensch und Natur tatsächlich hat.
Warum redet man von Verschmutzung?
Breitenbach: Man kann es daran erkennen, wenn man zum Himmel schaut. Gerade wenn es etwas dunstig ist, sind über Städten, Gemeinden oder Gewerbegebieten extreme Lichtwolken zu sehen. Licht wird also nach oben abgestrahlt in den Himmel, wo das Licht aber überhaupt nicht benötigt wird. Das Licht wird unten benötigt, wo die Menschen sich bewegen und aufhalten. Straßen, Gehwege und Plätze, das sind die Bereiche, die wir bedarfsgerecht beleuchten müssen. Nicht den Himmel!

Das ist also der Effekt, wenn man zum Beispiel auf Marktoberdorf zufährt und schon aus der Ferne eine Lichtglocke sieht?
Breitenbach: Richtig. Das ist auch beim Blick vom Auerberg zu erleben. Da sieht man die Lichtglocken von Marktoberdorf, von Schongau, Füssen und Kaufbeuren. Wir sehen in einen aufgehellten Himmel. Bei Dunst wird das noch viel deutlicher.
"Earth Night" wirft Fragen auf: Müssen Werbetafeln nachts beleuchtet werden?
Wem schadet eine solche Lichtverschmutzung?
Breitenbach: Wer in einer solchen Lichtglocke sitzt, erkennt keinen Himmel mehr. Man sieht nur noch ganz wenige helle Sterne, aber nicht mehr den Sternenhimmel, wie wir ihn früher gewohnt waren. Das ist aber nur der eine Aspekt. Der andere ist, dass wir durch unnötige Beleuchtung Strom verbrauchen. Strom ist Energie. Wir benötigen aber mit Sicherheit kein Licht und damit Energie, um nachts Werbetafeln zu beleuchten oder Betriebsgelände taghell zu halten. Wir sollten das Licht also immer nur dann und dort einschalten, wann und wo wir es wirklich benötigen.
Wobei die Firmen bei Betriebsgeländen auch Sicherheitsgründe anführen, weshalb es so beleuchtet ist.
Breitenbach: Das ist richtig. Aber dazu braucht man keine Flutlichtanlage, dazu reichen oft wenige Lampen aus. Sicherheit ist immer eine relative Ansichtssache. Das betrifft auch die Straßenbeleuchtung: Wo ist sie gefordert und wo kann sie verringert werden? Muss in Marktoberdorf zum Beispiel die Kaufbeurener Straße bis zum Ortsausgang voll beleuchtet sein? Oder ein Radweg nachts um eins? Solche Aspekte sollte man immer untersuchen und bei der Festlegung einer Beleuchtung mitberücksichtigen.
Warum kann zu viel Licht schädlich sein?
Breitenbach: Es ist vor allem für die Insekten schädlich. Viele Insekten finden an den Lampen den Tod. Ein Grund, warum wir inzwischen deutlich weniger Insekten haben.
Inwiefern finden sie den Tod außer etwa durch Fledermäuse, die gern an Straßenlaternen jagen?
Breitenbach: Die Insekten sind nicht nur bei Straßenlaternen derart angelockt, dass sie durch die Helligkeit völlig orientierungslos sind und irgendwann sterben. Viele Laternen sind auch nicht eingefasst, sodass viele Insekten daran verbrennen.
Sind da nicht LED-Leuchtmittel besser und insektenfreundlicher?
Breitenbach: Durch ihren hohen Blauanteil sind LED-Leuchten nur bedingt insektenfreundlicher. Grundsätzlich aber haben LED eine bessere Energieeffizienz als die bisherigen Leuchten. Und das ist genau das Problem mit der zunehmenden Lichtverschmutzung: LED ist günstig, LED braucht weniger Strom, also lasst uns noch mehr Licht machen. Wir haben im Moment den umgekehrten Effekt, dass wir durch die LED-Technik noch mehr Licht bekommen, als wir benötigen.
Deshalb sollte man vor dem Schlafen kein Handy benutzen
Welche Folgen hat das für den Menschen?
Breitenbach: Durch diese überbordende Beleuchtung brechen wir den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus völlig auf. Man bekommt in der Stadt keine Ruhe mehr, außer man lässt den Rollladen komplett herunter. Durch die starke Beleuchtung wird die Produktion des Schlafhormons Melatonin gestört. Viele, die in einer Lichtglocke leben, finden keinen Schlaf mehr. Das gilt auch bei der Benutzung von Handys oder Tablets kurz vor dem Schlafen, die einen hohen Anteil an blauem Licht ausstrahlen.
Welche Empfehlung haben Sie: Wie soll man Licht richtig einsetzen?
Breitenbach: Wir müssen bewusster mit Licht umgehen. Licht ist nicht nur schön und gibt Sicherheit. Licht ist auch ein potenzielles Risiko für Mensch und Tier, wenn wir es übermäßig einsetzen. Wir müssen uns immer fragen: Brauche ich das Licht jetzt wirklich oder kann ich es ausschalten? Es geht um das richtige Licht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Das sollten wir anstreben, aber das tun wir nicht. Wir gehen mit dem Licht und dem dafür notwendigen Energieverbrauch noch zu leichtfertig um. Das gilt für den betrieblichen, den kommunalen und auch den privaten Bereich.
Was hat es mit dem seit zwei Jahren geltenden Art. 9 des bayerischen Immissionsschutzgesetzes dazu auf sich?
Breitenbach: Dieser verbietet Kommunen die Beleuchtung öffentlicher Gebäude nach 23 Uhr. Das hat seinen Grund, denn nach 23 Uhr brauche ich keine touristische Beleuchtung mehr. Das ist aber wenig zielführend, wenn in direkter Nähe dazu Betriebsgelände weiter unter Vollbeleuchtung stehen – und das für die ganze Nacht. Das betrifft auch die Beleuchtung von Schaufenstern und von Fassaden zu Werbezwecken weit über 23 Uhr hinaus, oder auch meine Gartenbeleuchtung. Das ist ein Widerspruch. Ich muss das Licht nicht die ganze Nacht brennen lassen. Denn den Strom, der dafür nötig ist, müssen wir auch erzeugen. Und dann kommen wir zu der Frage: Wie wollen wir CO2-Neutralität erreichen, wenn wir Energie für etwas verschwenden, was wir in diesem Umfang nicht brauchen? Darauf hinzuweisen ist das Anliegen der Earth Night Initiative und uns alle für einen bewussteren Umgang mit Licht zu sensibilisieren.
Mehr Informationen zum Thema gibt es im Internet unter www.earth-night.info
Zur Person: Das ist Markus Breitenbach
- Markus Breitenbach hat Physik und Astronomie studiert.
- Breitenbach ist Mitglied der astronomischen Gesellschaft in Buchloe.