Weit auseinander sitzen die jungen Jazzer im Saal der Musikakademie bei der Probenarbeit mit ihrem Leiter Harald Rüschenbaum. An ein Konzert ist derzeit nicht zu denken.
Bild: Gerlinde Schubert
Weit auseinander sitzen die jungen Jazzer im Saal der Musikakademie bei der Probenarbeit mit ihrem Leiter Harald Rüschenbaum. An ein Konzert ist derzeit nicht zu denken.
Bild: Gerlinde Schubert
Auf diesen Moment haben alle gehofft: Endlich wieder Leben in der Musikakademie! Das Landes-Jugendjazzorchester ist wieder da. Zuvor war die Stimmung fast schon verzweifelt. Vier Monate lang keine Sänger, keine Orchester, überhaupt keine Gäste in der Musikakademie in Marktoberdorf. Der Lockdown hat die Einrichtung auf dem Schlossberg hart getroffen. Die Umsatzeinbuße für dieses Jahr berechnet Geschäftsführer Jürgen Schwarz mit rund einer halben Million Euro. Und völlig offen sei, wie es im Herbst weitergeht. Nur eines stehe schon fast: Es werden mindestens bis Ende Januar keine Schulklassen in die Akademie kommen. Sie belegen die Akademie normalerweise von Montag bis Freitag – aber jetzt?
Ein Lichtblick: Diese Woche ist mit der Arbeitsphase des Bayerischen Landes-Jugendjazzorchesters (LJJO) wieder Leben im Schloss eingekehrt. Alles spielt sich im Rahmen der vorgegebenen Infektionsschutz- und Hygieneregeln ab. Das bedeutet, dass nur 35 – also nicht einmal der Hälfte – der jungen Jazzer eingeladen werden konnten. Denn von den insgesamt 90 Betten – teils in Doppelzimmern – können nur 40 belegt werden. Ein erhöhter Aufwand ist auch personell bei der Reinigung der Räumlichkeiten einzukalkulieren. „Das bedeutet, wir haben weniger Gäste als normalerweise und gleichzeitig einen höheren finanziellen Aufwand pro Gast“, erläutert Schwarz.
Ganz neue Regeln
So viel zum Hotelbetrieb Musikakademie. Im gastronomischen Bereich bedeuteten die Regeln: Es gibt keine Büffets, sondern die Gäste können nur einzeln an einen Tresen im Speisesaal treten, an dem sie das Tablett mit den Speisen überreicht bekommen. „Also auch für die Küche mussten wir ein völlig neues Konzept erarbeiten“, sagt Schwarz. Und coronabedingt musste sich die Musikakademie im Kursbetrieb ebenfalls auf völlig neue Gegebenheiten einrichten. Erst einmal ist seit 13. März alles abgesagt worden. „Präsenzkurse waren gar nicht möglich. Also haben wir mit den Dozenten geschaut, welche Angebote online machbar wären.“ Und nach und nach wurden tatsächlich einige Webinare – also Online-Kurse – organisiert. Am vergangenen Wochenende hat das Raschér-Quartet, das normalerweise jedes Jahr rund 30 Kursteilnehmer in der Musikakademie begrüßt, 55 Interessenten aus vielen Ländern mit ihrem Online-Seminar erreicht, das von der Akademie organisiert wurde – für Schwarz ein phänomenaler Zulauf. Auch der Kinderchorleiterkurs habe mit über 60 Teilnehmern (sonst 20) an den Bildschirmen gut funktioniert.„So haben wenigsten einige Dozenten, die bei uns Kurse gegeben hätten, ein paar Einnahmen gehabt“, sagt Schwarz. Eine Online-Version wollen auch die New York Voices liefern, die gerne im August zum zweiten Mal nach Marktoberdorf gekommen wären.
Mit der Öffnung für das LJJO hat die Akademie einen dreiwöchigen Testbetrieb gestartet. Auch um zu sehen, ob das neue Konzept unter wirtschaftlichen Aspekten passt. Die Frage sei, so Jürgen Schwarz, ob sich diese Art von Betrieb, der ohnehin immer zur Hälfte mit Zuschüssen aus öffentlicher Hand finanziert wird, rechnen könnte.
Unter normalen Umständen kommt die Akademie im Jahr auf 20 000 Übernachtungen. Nach den jetzigen Umständen können es nur noch 5000 sein – also ein Viertel. Vor allem auch wegen der reduzierten Bettenzahl, die für so manche Blaskapelle oder andere größere Gruppen nicht ausreichen. Sie werden als Kunden also bis auf Weiteres ausfallen. Weniger Gäste – und damit Umsatz – bedeuten zwar auch weniger Kosten, sagt Schwarz. „Aber unterm Strich fehlen uns heuer 205 000 Euro“, rechnet der Geschäftsführer vor.
Ganz begierig
Das sei derzeit die betriebswirtschaftliche Herausforderung. Sorge bereite ihm aber auch die Zukunft der kulturellen Bildung, wenn durch Corona so große Lücken gerade im Schul- und Kursbetrieb gerissen werden. Auch die jungen Jazzer waren ganz begierig, wieder einmal gemeinsam proben und musizieren zu können. Genauso wie Willi Staud und Claudia Bestler vom Jazzbüro Bayern oder auch Harald Rüschenbaum als künstlerischer Leiter. Vom Beginn des Lockdowns an haben sie immer wieder Versuche gestartet, die Arbeitsphase veranstalten zu können, haben unzählige Konzepte geschrieben, mussten sie aber immer wieder verwerfen. Bis es jetzt – dank verschiedener allgemeiner Corona-Lockerungen und der Bereitschaft der Musikakademie – endlich geklappt hat.
„Wir werden alles machen, was geht“, sagt Rüschenbaum. Alle seien sehr darauf bedacht, die Regeln wie Social Distance einzuhalten. Wegen Corona allerdings fehle ein ganz wichtiger Teil dieser Arbeitsphasen: das gesellige Beisammensein, bei dem stets auch ein wichtiger Austausch zwischen den jungen Musikern stattfinde. Und dennoch: „Alle lechzen danach, in dieser Formation zusammenzuspielen.“