Zwei Seiten einer Medaille: Machen sich die Menschen zu wenig Gedanken, bevor sie einen Hund aus dem Auslands-Tierschutz adoptieren, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Nicht selten landen solche Tiere als Problemhunde im Tierheim. Daneben aber gibt es viele positive Beispiele.
Bild: Andreas Arnold, dpa (Archiv- und Symbolbild)
Zwei Seiten einer Medaille: Machen sich die Menschen zu wenig Gedanken, bevor sie einen Hund aus dem Auslands-Tierschutz adoptieren, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Nicht selten landen solche Tiere als Problemhunde im Tierheim. Daneben aber gibt es viele positive Beispiele.
Bild: Andreas Arnold, dpa (Archiv- und Symbolbild)
Sie schauen mit treuen Augen in die Kamera. Manche sind abgemagert und verwahrlost, andere süße Welpen. Hunde aus dem Auslandstierschutz haben viele Gesichter, aber eins gemeinsam: Sie wecken das Mitleid von Tierliebhabern und den Drang, sie zu retten. Das endet oft glücklich. „Es gibt viele toll organisierte Tierschutzvereine im Ausland“, betont Silke Kraus. Sie ist seit 30 Jahren im Auslandstierschutz aktiv und nennt als Beispiel die Vereine Treue Pfötchen und PAU – People and Animals United.
Die Tierschützer dort wollten das Bestmögliche für ihre Schützlinge. „Diese Leute bekommen vor Ort das ganze Elend mit. Sie sehen die verletzten, ausgesetzten und misshandelten Hunde und päppeln sie auf“, berichtet Kraus. Sie würden diese Tiere dann nicht einfach abschieben, sondern sehr gewissenhaft vermitteln, ohne deren Eigenschaften in der Beschreibung zu beschönigen. Auch werde der mögliche neue Besitzer genau unter die Lupe genommen. „Das ist zeitaufwendig, aber führt zu glücklichen Adoptanten und Hunden“, sagt Kraus. Allein in ihrem Bekanntenkreis kenne sie mehr als 20 Leute mit Auslandshunden, die sehr von ihren Tieren schwärmen.
Wie so oft hat aber auch diese Medaille eine Kehrseite. Mit der wird die Arche Noah Tierhilfe mit Sitz in Seeg und Bidingen immer wieder konfrontiert. Zum einen holte sie selbst bereits Hunde aus dem Ausland und machte schlechte Erfahrungen. Zum anderen wenden sich Tierbesitzer hilfesuchend an den Ostallgäuer Verein, weil sie mit ihren Auslandshunden überfordert sind. In der Corona-Zeit wurde daraus „ein Thema, das uns sehr unter den Nägeln brennt“, sagt Vorsitzende Gisela Egner.
Ein bis zwei Anfragen pro Woche gibt es seit einem halben Jahr bei der Arche Noah, weil Menschen adoptierte Auslandshunde abgeben wollen. „Das ist stark nach oben gegangen“, sagt Elisabeth Bähner aus Bidingen, die sich bei der Arche Noah um die Hunde kümmert. Im Vorjahr hatte der Verein nur vereinzelt mit solchen Hunden zu tun. Hauptgrund für diese Entwicklung ist laut Bähner, dass die Nachfrage nach Hunden durch die Corona-Lockdowns massiv gestiegen sei. Viele Leute sind zuhause oder arbeiten im Homeoffice und sehen jetzt die Zeit gekommen, sich einen Hund anzuschaffen.
Immer wieder aber entpuppen sich Tiere aus ausländischen Tötungsstationen oder Sheltern (einer Art riesiges Tierheim) nicht wie beschrieben oder die Menschen stellen sich die Haltung eines solchen Tieres als zu einfach vor. „Der Hund kommt an und muss funktionieren, wie der Mensch es sich vorstellt“, sagt Kraus. Manchmal mangle es an Aufklärung vonseiten der Tierschutzorganisation, oft aber informierten sich die Leute vorher einfach nicht genug über ihren neuen Schützling. „Das ist verantwortungslos“, kritisiert sie.
Hunde, die beim Auslandstierschutz landen, wurden in der Regel ausgesetzt und hatten bereits Kontakt zu Menschen oder kämpfen seit dem Welpenalter auf der Straße um ihr Überleben. In beiden Fällen machten die Tiere vielfach schlechte Erfahrungen mit Menschen und sind deshalb ängstlich oder aggressiv gegenüber den Zweibeinern.
Bähner trifft immer wieder auf Straßenhunde „mit dem Ausbildungsstand eines acht Wochen alten Welpen“. Sie kennen keine Wohnungen, sind nicht stubenrein oder leinenführig. Sie müssen alles erst lernen, sind aber oft bereits drei, vier Jahre alt, entsprechend kräftig und erfahren. Selbst für langjährige, private Hundehalter seien diese Tiere eine Herausforderung. Sie brauchen lange, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Bähner hat dafür einen gesicherten Auslauf und ein eigenes Hundezimmer. Beides kann sie putzen, wenn die Tiere reinmachen. Dort können sie langsam ankommen. Ein privater Haushalt aber habe so etwas in der Regel nicht, sagt sie. Dort lebt der Hund gleich in der Wohnung und muss an der Leine raus gebracht werden, um sein Geschäft zu machen. Dabei passiert es immer wieder, dass ein Hund aus dem Halsband schlüpft und abhaut, weil die neuen Besitzer nicht darüber aufgeklärt wurden, wie der Hund beim Gassi gehen zu sichern ist.
Dazu kommt, dass die Tiere in vielen Fällen gar nicht auf erfahrene Halter treffen. Ganz schlimm findet Bähner, wenn sich Familien mit kleinen Kindern solche Hunde holen. „Das ist grob fahrlässig“, sagt die Tierschützerin. Verständnislos reagiert sie, weil es Besitzer gäbe, „die wissen nicht mal, dass ihr Hund jedes Jahr geimpft und alle drei Monate entwurmt werden muss. Ein Hund ist schnell angeschafft und es gibt immer mehr, die das tun, obwohl sie keine Ahnung haben“, sagt Bähner.
Gerade in den vergangenen Monaten hörte sie bei Vermittlungsgesprächen oft: Wir wollten schon lange einen Hund und jetzt ist die richtige Zeit, weil wir gerade im Homeoffice und zuhause sind. „Aber was ist danach?“, fragt Bähner. Dann sei das Tier tagsüber allein, habe sich aber schon eingelebt. „Das sind aber acht, neun Stunden, die der Hund täglich allein in der Wohnung ist“, gibt sie zu bedenken. Für sie sind fünf Stunden alleine das Längste, was sie einem ihrer Vierbeiner zumuten würde.
Wenden sich überforderte Besitzer mit Auslandshunden an die Arche Noah, haben die Tiere vielfach schon zugebissen – oft aus Angst und Überforderung, nicht weil sie böse oder aggressiv wären. „Dann können wir sie aber nicht mehr aufnehmen, weil wir keinen Zwinger haben“, sagt Bähner.
Auch Tierheime freuten sich nicht über solche Hunde, da sie schwer vermittelbar seien. Meistens landen diese Tiere auf privaten Verkaufsplattformen und werden nicht selten zu Wanderpokalen, die keiner lange haben will. Im schlimmsten Fall werden sie irgendwann eingeschläfert.
Wer einen Hund aus dem Ausland retten will, dem gibt die Arche Noah Tierhilfe einige Tipps: