Jüngst hat das Bundesverfassungsgericht die Masern-Impfpflicht für Kita-Kinder bestätigt. Für bestimmte Personengruppen gilt die Masern-Impflicht bereits seit März 2020. Und dennoch: Im Allgäu haben hunderte Betroffene keinen Nachweis über eine Schutzimpfung oder ihre Immunität erbracht. Dabei kann es schwerwiegende Folgen haben, wenn man sich nicht impfen lässt.
Neben Schul- und Kindergartenkindern müssen etwa auch Lehrer, Erzieher und Menschen, die in Gesundheitseinrichtungen tätig sind, einen Nachweis erbringen, dass sie geimpft oder immun sind. Daran halten sich aber längst nicht alle.
Masern-Impfpflicht: Allein in den vier Allgäuer Landkreisen fehlen 2000 Nachweise
Allein in den vier Allgäuer Landkreisen sprechen die Behörden von etwa 2000 Personen, für die kein Nachweis vorliegt. Im Unterallgäu gilt das beispielsweise für 420 Schüler und Kindergartenkinder, im Oberallgäu für über 500. Dort werden zudem 59 Angestellte aus dem medizinischen Bereich als ungeimpft geführt.
„Die Fälle werden uns gemeldet, dann beginnt ein mehrstufiges Verfahren: Die Personen oder die Erziehungsberechtigten werden zweimal angeschrieben und aufgefordert, die Impfung durchzuführen“, sagt Sibylle Ehreiser vom Lindauer Landratsamt. Es werde jeweils eine ausreichende Frist eingeräumt. Erst dann gebe es ein Zwangsgeld, im Landkreis Lindau beträgt es 250 Euro. Das könne mehrfach passieren – „und zwar so lange, bis die Forderung erfüllt ist“. Laut Bundesgesundheitsministerium ist auch ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro möglich.
Dazu kommt: Im Zweifel dürfen Kinder ohne Nachweis nicht mehr in die Kindertagesstätte, ungeimpften Lehrern droht die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Schüler können dagegen weiterhin in den Unterricht, da die Schulpflicht höher bewertet wird als die Impfpflicht.
Mediziner warnen davor, die Masern zu unterschätzen: "Keine harmlose Kinderkrankheit"
Mediziner warnen davor, die Gefahr durch Masern zu unterschätzen: „Das ist keine harmlose Kinderkrankheit“, sagt der Kemptener Dr. Stefan Zeller, Obmann im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Schwaben. Seiner Einschätzung nach entscheiden sich in unserer Region etwa zehn Prozent der Eltern gegen eine Impfung ihrer Kinder – trotz der Pflicht. „Die Verunsicherung der Menschen hat durch die Diskussionen um die Corona-Impfung zugenommen. Das schadet dem Impfgedanken allgemein“, klagt der Mediziner.
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)„Die Leute werden immer egoistischer“, sagt eine Allgäuer Erzieherin. Denn vor allem für noch nicht geimpfte Säuglinge, die sich bei einem Familienmitglied oder im Wartezimmer eines Arztes anstecken können, sind Masern gefährlich, erläutert Zeller, der auf „Aufklärung statt erhobenem Zeigefinger“ setzt.
Welche grausamen Spätfolgen die Viruserkrankung im Extremfall haben kann, hat der Arzt zwei Mal in 20 Berufsjahren erlebt. Jahre nach einer Infektion trat bei den Patienten eine sogenannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auf: Eine ebenso seltene wie gefürchtete Spätkomplikation, die tödlich endet. „Reaktivierte Viren zerstören dabei das Gehirn. Eltern müssen zusehen, wie die Kinder nach und nach alle Fertigkeiten verlieren und nach zwei bis drei Jahren ins Koma fallen.“
Masern-Impfung für Kindern: Erste Impfung sollte laut Stiko im Alter von elf Monaten erfolgen
Laut Ständiger Impfkommission (Stiko) sollten Kinder im Alter von elf Monaten zum ersten und mit 15 Monaten zum zweiten Mal geimpft werden – in Kombination mit der Impfung gegen Mumps und Röteln. „Jeder Masern-Geimpfte trägt zum Schutz der Jüngsten bei“, betont Kinderarzt Zeller.
Zudem bedeute die Impfung einen individuellen Schutz. Auch ungeimpfte Jugendliche oder Erwachsene können sich infizieren. Zu lebensgefährlichen Komplikationen wie Lungenentzündung oder Hirnhautentzündung kann es insbesondere bei ohnehin abwehrgeschwächten Menschen kommen – beispielsweise auch bei Senioren. Als unerwünschte Impf-Nebenwirkungen können laut Zeller Fieber oder Fieberkrämpfe auftreten. „Die Impfung führt nicht zu Autismus, wie fälschlicherweise oft behauptet, wird“, sagt der Allgäuer Mediziner.
Erklärtes Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO ist die Ausrottung der Masern. Dazu müsste die Impfqoute bei 95 Prozent liegen. Laut bayerischem Gesundheitsministerium waren 93 Prozent der Kinder bei den Einschulungsuntersuchungen für das Schuljahr 2019/2020 doppelt geimpft.
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