Darf man für nicht geleistete Arbeit etwas bezahlen? Oder einnehmen? Nicht zuletzt um solche rechtlichen Fragen ging es, nachdem das Memminger Kulturamt zusammen mit zwei Sponsoren beschlossen hatte, den Künstlern, die beim abgesagten Kultursommer „Memminger Meile“ hätten auftreten sollen, zumindest einen Teil ihrer Gagen zukommen zu lassen. Und ja: Das geht. Damit stand dieser im Allgäu vermutlich einzigartigen Geste der Solidarität für einen von den Corona-Beschränkungen hart getroffenen Berufsstand nichts mehr im Weg. Sobald die 17 neuen Vereinbarungen mit insgesamt über 30 Kunstschaffenden unterschrieben sind, dürfen die sich über 60 Prozent ihrer Honorare freuen – eine Summe, deren Höhe an das gängige Kurzarbeitergeld angelehnt ist. „Lechwerke und VR-Bank Memmingen waren sofort offen für unsere Idee“, berichtet Kulturamtsleiter und Meile-Macher Hans-Wolfgang Bayer. Beide Sponsoren stellten dafür je 5000 Euro zur Verfügung – was sie ohnehin für das Festival eingeplant hatten; die Stadt Memmingen legte gut 7000 Euro obendrauf.

Natürlich ist das nur ein Teil des städtischen Festival-Etats von etwa 44000 Euro. Aber erstens hat Bayer die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, im Herbst wenigstens ein paar Punkte des ursprünglich dreiwöchigen Programms mit Ausstellungen, Konzerten, Bühnenangeboten, Straßenkunst und Freiluftkino nachzuholen, zu dem rund 10000 Besucher erwartet wurden. Und zweitens reifen derzeit Pläne, wie man mit dem heuer nicht benötigten Geld die brach liegende lokale Kulturszene unterstützen könnte.
Möglichst viel ins nächste Jahr verlegen
Zunächst heißt es für Bayer – wie für alle anderen Kulturveranstalter – Lockerungen des Shutdowns abzuwarten, in Kontakt mit den Künstlern zu bleiben und schon ins nächste Jahr vorauszudenken. Denn wer weiß schon, ob man im Oktober das beliebte „Pflasterspektakel“ mit Straßenkunst auf Innenstadtplätzen anbieten darf, bei dem sich normalerweise hunderte Zuschauer unter freiem Himmel um die Acts drängen? Präsentieren würde er gern auch die Vorstellungen für Kinder und Familien, „weil die gerade besonders gebeutelt sind“. Bei allen Künstlern, die dann zum Zuge kämen, würden die ausbezahlten 60 Prozent als Vorschuss abgerechnet. Parallel dazu fragt Bayer derzeit ab, wer Interesse an der Memminger Meile 2021 hat. „Wir haben die Absicht, so viel wie möglich ins nächste Jahr zu verlegen“, betont er.
Unterstützung für lokale Kulturszene
Diskutiert wird auch, wie der nicht verbrauchte Meile-Etat an die Kunstschaffenden vor Ort ausgeschüttet werden könnte. Eine Online-Plattform schwebt Bayer vor, auf die Musiker, Künstler, Autoren oder Schauspieler etwas stellen könnten, für das es dann eine kleine Vergütung gibt. Solche Modelle gibt es bereits in anderen Städten. „Man müsste dafür ein Verfahren entwickeln, über das sich freie Künstler bewerben können“, sagt Bayer. Viel Zeit und Geld müssten nun zunächst in die Gestaltung dieser Internetseite gesteckt werden. Aus Bayers Sicht aber eine durchaus lohnende Investition, weil das „ein neues Format über Corona hinaus befördern könnte“.
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